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Postkoloniale Provenienzforschung: Mitarbeitende aus Museen und Forschungsinstituten beschäftigen sich im Kompaktkurs an der Justus-Liebig-Universität Gießen mit Archivkunde
Perspektiven wechseln, Zwischentöne hören, sensibel vorgehen: Die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit ist nicht nur eine bedeutsame Aufgabe in Museen und Sammlungen, auch an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) erfolgt eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex. Eine Sonderausstellung im Palmenhaus des Botanischen Gartens beleuchtete im Herbst 2022 Exponate aus den JLU-Sammlungen, die im Zuge von universitären Aktivitäten in kolonialen Kontexten ihren Weg an die Universität Gießen gefunden hatten. In diesem Frühjahr richtet sich ein Team am Historischen Institut mit einem besonderen Schulungsangebot gezielt an Vertreterinnen und Vertreter aus der Praxis. Mitarbeitende in Museen oder Forschungsinstituten, die zur Herkunft von Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten recherchieren oder Projekte planen, werden sich vom 13. bis zum 17. Mai 2024 im Rahmen eines Kompaktkurses „Spurensuche“ mit der Archivkunde für die postkoloniale Provenienzforschung beschäftigen.
Die Frage nach der Rückgabe von Objekten aus kolonialen Kontexten ist seit einigen Jahren in der Politik angekommen. So heißt es im Koalitionsvertrag 2021 – 2025 der Bundesregierung: „Wir unterstützen insbesondere die Rückgabe von Objekten aus kolonialem Kontext.“ Damit möchte die Bundesregierung die „Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte“ erreichen und „koloniale Kontinuitäten“ überwinden. „Vor der Rückgabe von Objekten steht indes die mühevolle Arbeit, Spuren der Herkunft, der Aneignung oder des Raubs zu suchen“, weiß die Gießener Historikerin Prof. Dr. Bettina Brockmeyer, deren Spezialgebiet die Kolonialgeschichte ist. „Archive mit ihren Beständen aus der Kolonialzeit sind dafür eine zentrale Ressource. Mit etwas Orientierung kann es gelingen, Verschüttetes und Verdrängtes wieder aufzudecken.“ Prof. Brockmeyer ist mit ihrem Team seitens der JLU für die wissenschaftliche Konzeption des neuen Kursangebots verantwortlich und war auch an der Ausstellung in Gießen im Jahr 2022 beteiligt.
Der Kompaktkurs „Spurensuche“ ist im Rahmen einer Kooperation des Arbeitsbereichs Neuere Geschichte (Schwerpunkt 19. und 20. Jahrhundert) an der JLU mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg/Berlin, entstanden. „Wir wollen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Zugänge zur Archivarbeit eröffnen und produktive Ansätze sowie Lösungswege aufzeigen“, sagt Dr. Patrick Merziger vom Historischen Institut der JLU. Er gehört ebenfalls zum wissenschaftlichen Leitungsteam, das durch Prof. Dr. Larissa Förster und Dr. Jan Hüsgen vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste komplettiert wird.
Die Kursteilnehmenden erhalten einen Überblick über die deutsche (post)koloniale Archivlandschaft und erwerben grundlegende Kompetenzen zu selbstständiger Archivarbeit. Praxis- und Übungselemente sowie der Austausch mit Archivarinnen und Archivaren nehmen daher bei der Fortbildung einen großen Raum ein. Geschichtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler führen in historische Methoden ein; Kulturschaffende sowie Museumspraktikerinnen und -praktiker geben Denkanstöße. Vorträge und Abendveranstaltungen regen zum Nachdenken über neue Wege in der Provenienzforschung an.
Da der erste Kurs im Mai 2024 in kürzester Zeit ausgebucht war, plant das Organisationsteam bereits eine Wiederholung (4. bis 8. November 2024) und weitere Schulungen.
Prof. Dr. Bettina Brockmeyer
Dr. Patrick Merziger
Historisches Institut Justus-Liebig-Universität Gießen
Neuere Geschichte – mit dem Schwerpunkt 19. und 20. Jahrhundert
Otto-Behaghel-Straße 10 C, 35394 Gießen
E-Mail: bettina.brockmeyer@geschichte.uni-giessen.de
patrick.merziger@geschichte.uni-giessen.de
https://www.uni-giessen.de/spurensuche
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften
überregional
wissenschaftliche Weiterbildung
Deutsch
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