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Prof. Dr. Sibel Altin, Professorin für Gesundheits- und Pflegemanagement an der Frankfurt UAS, analysiert den Entwurf für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz
Volle Wartezimmer, überbordende Bürokratie, fehlender Nachwuchs und schlechte Verdienstmöglichkeiten. Anfang des Jahres machten Hausärzt*innen mit einem Warnstreik auf die aus ihrer Sicht unbefriedigende Situation in den Praxen aufmerksam. Das Bundeskabinett hat nun am 22. Mai 2024 den Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) beschlossen. Die darin vorgesehenen Änderungen für die hausärztliche Versorgung sind laut Prof. Dr. Sibel Altin von der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) grundsätzlich geeignet, um den Hausärzt*innen-Beruf wieder attraktiver zu gestalten und Versorgungsdefizite für Patient*innen zu verringern. Die geplanten Maßnahmen würden jedoch nicht alle maßgeblichen Probleme beseitigen. „Der Entwurf für das GVSG ist ein Lichtblick, aber noch keine Lösung für die Probleme in der hausärztlichen Versorgung”, sagt die Professorin für Gesundheits- und Pflegemanagement in ihrer Stellungnahme.
Wer eine wohnortnahe hausärztliche Versorgung benötigt, spüre bereits heute Versorgungslücken. “Bereits jetzt können über 4.800 Hausarztsitze nicht besetzt werden, was 80 Prozent aller bundesweit bestehenden Niederlassungsmöglichkeiten entspricht. Ein Versorgungsdefizit zeigt sich vor allem in strukturschwachen und ländlichen Regionen“, so Altin. Das GVSG soll die Tätigkeit von Hausärzt*innen nun wieder attraktiver machen. Prof. Dr. Sibel Altin begrüßt in diesem Zusammenhang die geplante Entbudgetierung der Versorgung. Bisher werden hausärztliche Leistungen mengenmäßig gedeckelt. Die Mengengrenzen sollen nun entfallen und das Vergütungssystem mit der Einführung von Vorhaltepauschalen generell auf neue Füße gestellt werden. „Die vorgesehenen Veränderungen werden die monetäre Attraktivität für eine hausärztliche Niederlassung maßgeblich erhöhen. Der absehbare Engpass bei den Hausärzt*innen ist jedoch ohne den ursprünglich im Gesetzesentwurf vorgesehenen Ausbau der Studienplätze in der Humanmedizin und ohne neue Ansätze für eine berufsübergreifende Neugestaltung der Leistungserbringung zur Entlastung der Hausärzt*innen weiterhin unausweichlich“, urteilt Altin.
Insbesondere im Hinblick auf neue berufsgruppenübergreifende Versorgungsansätze fehlten in dem Gesetzesentwurf, der nun durch den Bundestag verabschiedet werden muss, maßgebliche Vorhaben wie die Etablierung von Gesundheitsregionsverträgen oder die flächendeckende Einführung von Gesundheitskiosken und Primären Versorgungszentren. Hierzu Altin: „Die Etablierung neuer berufsgruppenübergreifender Versorgungsmodelle hätte den Weg zu einer neuen regionalen Versorgungsarchitektur ebnen und insbesondere für ländliche und strukturschwache Regionen neue Perspektiven bei der Gestaltung der wohnortnahen Versorgung eröffnen können. Insofern muss man leider feststellen, dass durch die zahlreichen Streichungen im Gesetzesentwurf die einmalige Chance verpasst wurde, die Bevölkerungsgesundheit nachhaltig zu stärken. Dies ist sehr bedauerlich und es ist zu hoffen, dass das parlamentarische Verfahren hier nochmals Möglichkeiten für Ergänzungen schafft.“
Primärversorgungszentren und Gesundheitskioske können laut Professorin Altin helfen, die Arbeit der Hausärzt*innen, insbesondere in ländlichen Regionen, attraktiver zu gestalten und gleichzeitig hausärztliche Praxen entlasten.“ In Gesundheitskiosken könnte qualifiziertes pflegerisches Personal in Absprache mit den Hausärzt*innen medizinische Routineaufgaben wie etwa die Messung von Blutzucker oder einen Verbandswechsel übernehmen. In den zahlreichen, unter der Mitwirkung von Altin, aufgebauten Gesundheitskiosken in Nordrhein-Westfalen und Hamburg habe bereits gezeigt werden können, wie diese die regionale Gesundheitsversorgung maßgeblich verbessern können, so die Gesundheitsversorgungs-Expertin.
„Insgesamt kann der nun inhaltlich reduzierte Gesetzesentwurf teilweise zu einer Steigerung der Attraktivität der hausärztlichen Tätigkeit beitragen. Um jedoch dem abzusehenden Mangel an Fachkräften in Gänze zu begegnen, muss die Art der Leistungserbringung durch eine berufsgruppenübergreifende Arbeitsteilung und die Nutzung telemedizinischer Lösungen umgestaltet werden. So sollte beispielsweise die Möglichkeit ausreichend genutzt werden, Gesundheitsfachberufe aus dem pflegerischen Spektrum stärker in die hausärztliche Leistungserbringung einzubeziehen“, sagt Altin. Sie weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des geplanten Pflegekompetenzgesetzes hin, welches die Handlungsmöglichkeiten der Pflegeberufe maßgeblich erweitern soll. „Es bleibt aber abzuwarten, wie mutig das Bundesgesundheitsministerium an dieser Stelle sein wird, um die hausärztliche wohnortnahe medizinische Grundversorgung durch einen Berufsgruppen übergreifenden Blick neu zu gestalten“, so Altin.
Gerne steht Prof. Dr. Sibel Altin für Interviews, Fragen und weitere Statements rund um das Thema zur Verfügung.
Zur Person:
Prof. Dr. Sibel Altin ist seit 2023 Professorin für Gesundheits- und Pflegemanagement an der Frankfurt University of Applied Sciences. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen insbesondere auf der Erprobung innovativer und digitaler Versorgungsmodelle im Medizin- und Pflegesetting. Als Expertin für integrierte Versorgungsmodelle und Zukunftstechnologien in der Gesundheitsversorgung beteiligt sie sich an zahlreichen Forschungsprojekten und gehört dem Expertennetzwerk für ein modernes Gesundheitswesen "30 unter 40" der Bertelsmann Stiftung sowie dem Expert*innenrat des Instituts für Pflege, Altern und Gesundheit (IPAG) an. Der Thinktank setzt sich für eine zeitgemäße Gesundheits- und Pflegeversorgung ein.
Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit;
Prof. Dr. Sibel Altin, Telefon: +49 69 1533-2692, E-Mail: sibel.altin@fb4.fra-uas.de
http://www.frankfurt-university.de/fb4 zum Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt UAS
Prof. Dr. Sibel Altin, Professorin für Gesundheits- und Pflegemanagement an der Frankfurt UAS
Frankfurt UAS
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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