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04.06.2024 12:59

Toleranz gegenüber Muslim*innen – wie lassen sich Konflikte im Alltag entschärfen?

Linda Schädler Abteilung Kommunikation
Universität Mannheim

    In unserer Gesellschaft steckt mehr Toleranz gegenüber Muslim*innen, als wir manchmal sehen, sagen die Mannheimer Sozialforscher Marc Helbling und Richard Traunmüller. Gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen zeigen sie in zwei Studien, wie dieses Potenzial nutzbar wird.

    Religiöses Verhalten von Muslim*innen und Freiheiten für islamische Glaubensgemeinschaften stoßen bei nicht wenigen Menschen in Deutschland auf Vorbehalte. Beispielsweise empfinden es viele als unvereinbar mit liberalen und demokratischen Werten, wenn gläubige Muslim*innen Menschen anderen Geschlechts aus religiösen Gründen nicht die Hand schütteln möchten. Auch Vorschläge für mehr Halal-Gerichte, also für religiöse Muslim*innen geeignete Lebensmittel im Alltag, oder Pläne für einen gesetzlichen islamischen Feiertag sehen viele Leute kritisch. Das gilt allerdings nicht unter allen Umständen gleichermaßen, wie Professor Marc Helbling und Professor Richard Traunmüller in einem Forschungsprojekt am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) herausgefunden haben: Denn wer Verhalten und Gruppenrechte religiöser Muslime richtig einordnen kann, ist toleranter.

    Beim Vorstellungsgespräch die Hand reichen: Ein Muss – oder?

    Beispiel Händeschütteln: In einer experimentellen Befragung befassten sich Helbling und Traunmüller gemeinsam mit Elisabeth Ivarsflaten von der Universität Bergen (Norwegen) und Paul M. Sniderman von der Universität Stanford (USA) mit der nicht nur hierzulande typischen Begrüßung. Erwarten wir, beispielsweise im Vorstellungsgespräch die Hand gereicht zu bekommen? Ja, das muss sein, urteilte zunächst die große Mehrheit der 2.600 Befragten, einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe. Wie aber schätzen wir so eine Situation ein, wenn Muslim*innen als respektvolle Geste stattdessen die Hand auf ihr Herz legen? Die Ergebnisse sahen in diesem Szenario deutlich anders aus: „Die Mehrheit ist bereit, diese Respektbekundung anstelle des Händereichens zu akzeptieren. Das zeigt, dass wir zwar auf Respekt bestehen, aber nicht unbedingt, dass er auf eine bestimmte Art und Weise ausgedrückt werden muss“, erklärt Marc Helbling. „Die Option, die Hand auf das Herz zu legen, haben viele Nicht-Muslim*innen nicht automatisch auf dem Schirm. Doch sie kann beiden Seiten helfen, eine Situation konfliktfrei in gegenseitigem Respekt zu lösen“, ergänzt Traunmüller.

    In einer weiteren Studie wollte das Team unter anderem herausfinden, wie ein größeres Angebot an Halal-Gerichten in deutschen Kantinen wahrgenommen wird. „Wenn man betont, dass diese Angebote nicht Schweinefleischprodukte ersetzen, sondern lediglich die Palette erweitern, dann stoßen Halal-Gerichte auf deutlich weniger Ablehnung“, so die Wissenschaftler. Diese Logik funktioniert der Studie zufolge auch auf anderen Gebieten: Einen muslimischen gesetzlichen Feiertag können sich – vielleicht weniger überraschend – auch deutlich mehr Menschen vorstellen, wenn er keinen christlichen Feiertag ersetzen, sondern die bestehenden Feiertage ergänzen würde.

    Die Toleranz ist größer, wenn Gruppeninteressen nicht als konkurrierend erscheinen

    „Generell können gesellschaftliche Konflikte entschärft werden, wenn wir deutlich machen, dass muslimische Rechte nicht in Konkurrenz mit den eigenen Gepflogenheiten stehen müssen“, fasst Traunmüller zusammen. Unter diesen Umständen sei das Potenzial für Toleranz in der Bevölkerung beträchtlich, so die Wissenschaftler. Allerdings sei es umso kleiner, je weiter rechts die Befragten politisch zu verorten seien. Ganz allgemein seien Menschen aber nicht bedingungslos für oder gegen die Gruppenrechte von Muslimen: „Von der konkreten politischen Ausgestaltung hängt es ab“, so Helbling.

    Am MZES der Universität Mannheim leiten Helbling und Traunmüller unter anderem das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Projekt „Immigration, Integration und Einbürgerung: Neuzuwanderer, Policy-Entscheidungen und Reaktionen von Staatsbürgern“, aus dem beide oben genannten Studien hervorgegangen sind.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Marc Helbling
    Arbeitsbereichsleiter
    Die europäischen Gesellschaften und ihre Integration Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
    Universität Mannheim
    Telefon: +49-621-181-3391
    marc.helbling@mzes.uni-mannheim.de

    Nikolaus Hollermeier
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
    Universität Mannheim
    Telefon: +49-621-181-2839
    E-Mail: kommunikation@mzes.uni-mannheim.de
    www.mzes.uni-mannheim.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Marc Helbling
    Arbeitsbereichsleiter
    Die europäischen Gesellschaften und ihre Integration Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
    Universität Mannheim
    Telefon: +49-621-181-3391
    marc.helbling@mzes.uni-mannheim.de


    Originalpublikation:

    Elisabeth Ivarsflaten, Marc Helbling, Paul Sniderman und Richard Traunmüller: Value Conflicts Revisited: Muslims, Gender Equality and Gestures of Respect. British Journal of Political Science, http://dx.doi.org/10.1017/S0007123423000637


    Weitere Informationen:

    https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4831968 Marc Helbling, Elisabeth Ivarsflaten und Richard Traunmüller: Zero-sum thinking and the cultural threat of Muslim religious rights, Working Paper


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Gesellschaft, Politik, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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