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Wissenschaft
Wie wird es den alten Wäldern Europas in Zukunft ergehen? Dieser Frage stellten sich Wissenschaftler, Naturschützer und Politiker auf dem 7. Europäischen Kongress für Naturschutzbiologie (ECCB, 17.-21. Juni 2024, Bologna, Italien). Auf ihrer Podiumsdiskussion „The fate of primary and old-growth forests in Europe: 2018 – 2024 – 2030?” am 18. Juni warfen der EU-Parlamentarier Thomas Waitz und vier Wald-ExpertInnen aus Schweden, Polen, Rumänien und Österreich einen Blick zurück auf die vergangenen Jahre. Aus den zurückliegenden Erfolgen und Misserfolgen leiteten sie neue Ideen ab, wie ein wirkungsvoller Schutz von alten Wäldern in Europa bis 2030 aussehen könnte.
Niederlagen und Erfolge für den Waldschutz
Thomas Waitz, Mitglied des Europäischen Parlaments für die österreichischen Grünen, betont die Bedeutung von Primär- und Altwäldern für die Erhaltung einer hohen biologischen Vielfalt. Waitz verweist auf die Europäische Waldstrategie 2030 und ist sehr klar in seiner Forderung: „Alle verbleibenden Alt- und Primärwälder müssen im Einklang mit der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 streng geschützt werden! Denn fast alle Primärwälder sind bereits verloren gegangen. Der illegale Holzeinschlag in einigen Mitgliedstaaten der EU ist besorgniserregend."
Augustyn Mikos, Experte für Waldpolitik aus Polen, berichte, dass jahrzehntelange Bemühungen tatsächlich zu einem besseren Schutz des Białowieża-Waldes in Polen geführt haben. Der größte Urwald im europäischen Tiefland ist aber noch immer nicht ausreichend geschützt. Der Grund für dieses Problem liegt darin, dass Entscheidungen zum Naturschutz nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. „Wir brauchen starke Institutionen und Regelungen, die Entscheidungen über den Schutz der wertvollsten Wälder unabhängig von politischen Veränderungen treffen. Diese Institutionen sollten in den Händen von Experten liegen und einer gesellschaftlichen und gerichtlichen Kontrolle unterworfen sein."
Wissenschaft und Ökologie stärker beachten
Gabriel Păun, Vorsitzender der rumänischen Naturschutz-NGO Agent Green, äußert seine Besorgnis darüber, dass die Wissenschaft bei der Politikgestaltung ignoriert wird: "Der Klimawandel ist eine Frage von Leben und Tod, und wir können es uns nicht leisten, darauf zu warten, dass Politik und Gesellschaft mit der Wissenschaft gleichziehen. Wir brauchen eine wissenschaftliche Revolution, um den Zerstörungsrausch umzukehren, der derzeit den Holzmarkt und die Politik beherrscht. Die Holzindustrie soll ihre Ergebnisse in der Anzahl der Arten und nicht in der Anzahl der Kubikmeter messen."
Der schwedische Forst-Praktiker Martin Jentzen macht klar, was wir für einen nachhaltigen Schutz der Wälder in Europa brauchen: „Die durchschnittliche ökologische Qualität der Wälder muss angehoben werden. Dafür benötigen wir eine Gesamtstrategie, mit ausreichender wirtschaftlicher Grundlage, um das zu schützen, was von den Wäldern mit hohem Naturschutzwert übrig ist. Mehr ökologisch wirtschaftende Förster und Waldbesitzer könnten so den starken Einfluss der holzverarbeitenden Industrie auf die Waldbewirtschaftung reduzieren.“
Kommunikationsstratege Matthias Schickhofer unterstreicht: "Angesichts der Verbreitung von Desinformationskampagnen durch die Industrie und ihre politischen Verbündeten müssen Wissenschaftler, Aktivisten und Politiker ihre Zusammenarbeit verstärken, um Manipulationen zurückzudrängen und die Fakten richtig zu stellen. Es ist von zentraler Bedeutung, die Zusammenarbeit und Öffentlichkeitsarbeit mit ehrlichen Partnern außerhalb der Wissenschaft zu verstärken".
Einigkeit bei Prioritäten im Schutz der alten Wälder
Gemeinsam stellen alle Podiumsteilnehmerfest, dass das europäische Schutzgebietsnetz Natura-2000 von zentraler Bedeutung für die effektive Erhaltung der letzten alten Wälder in Europa ist. Das Natura-2000-Netz muss jedoch mit wesentlich mehr Mitteln für die Entschädigung von Landbesitzern und die umfassende Durchsetzung der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie ausgestattet werden, um insbesondere den strikten Schutz von Primär- und Altwäldern in Natura-2000-Gebieten zu gewährleisten.
Sie halten es für vordringlich, die wissenschaftlichen Grundlagen für den Schutz der alten Wälder schnell zu verbessern. Gerade bei der flächendeckenden Erfassung der verbleibenden Naturwaldreste kann die Europäische Union ihre besondere Stärke bei der internationalen Zusammenarbeit unter Beweis stellen.
Dazu gehört die Beobachtung von forstwirtschaftlichen und illegalen Aktivitäten in alten Wäldern, um schnell auf akute Bedrohungen des Waldes reagieren zu können. Viele alte Wälder sind wegen ihrer Lage fernab der Ballungszentren der öffentlichen Aufmerksamkeit entzogen.
Auf dem Podium
Die Diskussion wurde von Nuria Selva (Polnische Akademie der Wissenschaften) und Stefan Kreft (Naturwald Akademie) organisiert und von Stefan Kreft moderiert. Dies waren die Podiumsteilnehmer:
Martin Jentzen ist ein schwedischer Forstingenieur und Forst-Consultant. Im Anschluss an seine praktische Erfahrung in der konventionellen schwedischen Forstwirtschaft widmet er sich seit 15 Jahren der Einführung einer naturnahen Forstwirtschaft in Skandinavien.
Augustyn Mikos ist Experte für Waldpolitik bei Workshop for All Beings, einer polnischen NRO, die sich erfolgreich für den Schutz des Białowieża-Urwaldes einsetzt.
Gabriel Păun ist Ökologe und setzt sich mit seiner NRO Agent Green für den strikten Schutz der stark bedrohten Primärwälder in Rumänien ein.
Matthias Schickhofer aus Österreich ist Strategieberater, Naturschützer, Fotograf und Buchautor. Er arbeitete 17 Jahre lang bei Greenpeace und unterstützt verschiedene NGOs bei Kampagnen und Projekten.
Thomas Waitz aus Österreich ist Mitglied des Europäischen Parlaments und dort Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei. In seiner politischen Arbeit konzentriert er sich auf nachhaltige Landwirtschaft, gesunde Ernährung, Klimaschutz und die Erhaltung der letzten Urwälder Europas.
v.l.n.r.: Stefan Kreft (Moderation), G. Paun, A. Mikos, M. Schickhofer, M. Jentzen. Im Hintergrund o ...
Stefan Kreft
Stefan Kreft
v.l.n.r.: oben: MEP T. Waitz, A. Mikos, unten: M. Jentzen, M. Schickhofer, G. Paun
Diverse
Naturwald Akademie
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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