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Universität Hohenheim analysiert CEO-Reden der DAX-40-Unternehmen / Verständlichkeit leicht gestiegen / Rheinmetall-Chef Armin Papperger mit formal unverständlichster Rede
Spitzenmanager:innen im Verständlichkeits-Check: Die Reden deutscher CEOs sind etwas verständlicher als im Vorjahr. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart. Prof. Dr. Frank Brettschneider und sein Team untersuchen seit 2012, wie verständlich die Vorstandsvorsitzenden der DAX-30- bzw. DAX-40-Unternehmen auf den Hauptversammlungen ihrer Unternehmen sprechen. Im Schnitt erreichen die Reden in diesem Jahr 14,3 Punkte auf einer Skala von 0 bis 20.
Mit Hilfe einer Analyse-Software fahnden Prof. Dr. Brettschneider und sein Team unter anderem nach überlangen Sätzen, Fachbegriffen, Fremdwörtern und zusammengesetzten Wörtern. Anhand dieser Merkmale bilden sie den „Hohenheimer Verständlichkeits-Index“. Er reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich).
Nach dem Hohenheimer Verständlichkeits-Index hielt Timotheus Höttges (Telekom) mit der maximalen Punktzahl von 20,0 Punkten die formal verständlichste Rede. Auf Platz 2 folgt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse, Theodor Weimer, mit 19,3 Punkten. Auf dem dritten Platz befindet sich Oliver Zipse: Mit 19,0 Punkten bietet der BMW-CEO ebenfalls eine sehr verständliche Rede.
Im Schnitt erreichen die Reden einen Verständlichkeits-Wert von 14,3 Punkten. Das sind 0,6 Punkte mehr als im letzten Jahr (13,7), und sogar 4,5 Punkte mehr als noch vor zwölf Jahren (9,8). Sieben Reden haben mehr als 18 Punkte erreicht. Vier Reden liegen unter zehn Punkten.
Verständlichkeit kann auch Aussagen über den Zustand der Unternehmen treffen
Der CEO von Rheinmetall, Armin Papperger, belegt mit 3,7 den letzten Platz – trotz einer Steigerung um 1,5 Punkte im Vergleich zum Vorjahr, als er die formal unverständlichste Rede seit 2012 gehalten hatte. Merck-Chefin Belén Garijo hat sich gegenüber dem Vorjahr deutlich verschlechtert (minus 4,5 Punkte). Ihre Rede belegt nun mit 4,9 Punkten den vorletzten Platz. Auf dem drittletzten Platz liegt die Rede von Hans Dieter Pötsch, CEO von Porsche SE: Mit 5,1 Punkten war seine Rede nochmals leicht unverständlicher als im letzten Jahr (5,3).
Den größten Zugewinn an Verständlichkeit gibt es mit plus 6,1 Punkten bei Vincent Warnery (Beiersdorf) und mit plus 6,0 Punkten bei Christian Klein (SAP). Besonders interessant sind die Auftritte von Oliver Blume: Während er als CEO der Porsche AG mit 18,8 Punkten sehr gut abschneidet, ist seine Rede als CEO von VW mit 11,2 formal unverständlicher.
„Die Verständlichkeit einer Rede liegt nicht nur am CEO, sondern auch an anderen Faktoren: den Redenschreibern und dem Zustand des Unternehmens. So gibt es über die Porsche AG mehr Positives zu berichten als über VW. Unangenehmes wird jedoch oft in Schachtelsätzen verpackt. Das reduziert die Verständlichkeit“, so Prof. Dr. Brettschneider.
Alles in allem stellt er jedoch fest: „Die meisten Vorstandsvorsitzenden nutzen die Hauptversammlung für Reden, die auch für eine breitere Öffentlichkeit verständlich sind. Viele CEOs bemühen sich, Fachsprache so zu übersetzen, dass auch Laien den Inhalt der Rede verstehen. Für den Auf- und Ausbau von Reputation ist dies sinnvoll.“
Bandwurmsätze, Fachbegriffe, Wortungetüme werden seltener
„Am meisten schmälern Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe die Verständlichkeit einiger Reden“, erklärt Dr. Claudia Thoms, Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft. Aber: Überlange Sätze werden seltener, immer weniger Reden enthalten zusammengesetzte Wortungetüme.
Die Vorstandsvorsitzenden greifen immer seltener auf komplizierte Fachausdrücke zurück, die höchstens die Fachleute im Publikum verstehen. Vor allem Anglizismen und Ausdrücke wie „Protonenaustausch-Membran-Elektrolyseure“ (Brudermüller, BASF), „Immunrezeptor-Antagonist“ (Garijo, Merck) und „Business-Free-Cashflow“ (Parisot, Symrise) kommen inzwischen insgesamt vergleichsweise selten vor. Sie könnten allerdings vermieden, näher erläutert oder durch Alternativen ersetzt werden. Positiv fällt auf, dass die Vortragenden immer häufiger schwierige Begriffe erklären.
So erläutert MTU-Chef Lars Wagner beispielsweise den Begriff „Shop Visits“: „Dazu kommen Kosten für die zusätzlichen Shop Visits – also die Werkstattbesuche der Triebwerke.“ Und der Vorstandsvorsitzende der DHL Group, Dr. Tobias Meyer, erklärt, was unter „Omnishoring“ zu verstehen ist: „Was sich aber sagen lässt: Die Globalisierung verändert sich. Wir beobachten das auch an unseren Kunden. Sie sehen Abhängigkeiten von einzelnen Standorten inzwischen kritischer und wollen ihre Risiken besser streuen. Deshalb verteilen sie ihre Lager und Produktion weltweit breiter. Der Fachbegriff dafür ist ‚Omnishoring‘.“
Dr. Claudia Thoms sagt dazu: „Zu erläutern, was ‚Omnishoring‘ ist oder was ‚Shop Visits‘ sind, mag nicht für alle im Publikum notwendig sein. Dadurch steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass auch Personen mit weniger Vorkenntnissen das verstehen, was der Redner oder die Rednerin meint.“
Weitere Beispiele für komplizierte und/oder zusammengesetzte Wörter:
- Lebensversicherungs-Joint-Venture (Joachim Wenning, Münchener Rück)
- Distributed-Ledger-Technologie (Manfred Knof, Commerzbank).
- Insurance-Linked-Securities (Jean-Jacques Henchoz, Hannover Rück)
- Software-as-a-Service-Anwendungen (Hans Dieter Pötsch, Porsche SE)
Klartext überzeugt
Die formale Verständlichkeit sei zwar nicht das einzige Kriterium für eine gelungene Rede, betont Prof. Dr. Brettschneider. Wichtiger noch sei der Inhalt. Und hinzu kämen Kriterien wie der Aufbau der Rede oder der Vortragsstil. Dennoch sollten Vortragende nicht vergessen: „Formal verständliche Botschaften werden von den Zuhörenden besser verstanden und erinnert. Und verständliche Botschaften genießen mehr Vertrauen als unverständliche.“
Daher sollte man laut Prof. Dr. Brettschneider einige Grundregeln für verständliche Reden einhalten: kurze Sätze, gebräuchliche Begriffe, Fachbegriffe übersetzen und zusammengesetzte Wörter möglichst vermeiden. „Denn nur wer verstanden wird, kann auch überzeugen.“
HINTERGRUND: Der Hohenheimer Verständlichkeits-Index
Die Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider, Dr. Claudia Thoms und ihr Team berechnen den Hohenheimer Verständlichkeits-Index mit Hilfe der Verständlichkeits-Software „TextLab“. Die Software wurde von der Ulmer Agentur H&H CommunicationLab und von der Universität Hohenheim entwickelt. Sie berechnet verschiedene Lesbarkeitsformeln sowie Textfaktoren, die für die Verständlichkeit relevant sind (z. B. Satzlängen, Wortlängen, Schachtelsätze und den Anteil abstrakter Wörter).
Aus diesen Werten setzt sich der „Hohenheimer Verständlichkeits-Index“ zusammen. Er bildet die Verständlichkeit von Texten auf einer Skala von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich) ab. Zum Vergleich: Doktorarbeiten in Politikwissenschaft haben eine durchschnittliche Verständlichkeit von 4,3 Punkten. Hörfunk-Nachrichten kommen im Schnitt auf 16,4 Punkte, Politik-Beiträge überregionaler Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Welt oder der Süddeutschen Zeitung auf Werte zwischen 11 und 14.
Weitere Informationen
Download Studie: https://www.uni-hohenheim.de/uploads/media/CEO-Klartext_2024.pdf
Weitere Pressemitteilungen der Universität Hohenheim
Pressemitteilungen: https://www.uni-hohenheim.de/presse
Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Institut für Kommunikationswissenschaft
T 0711 459 24030, E frank.brettschneider@uni-hohenheim.de
https://www.uni-hohenheim.de/uploads/media/CEO-Klartext_2024.pdf
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Medien- und Kommunikationswissenschaften, Sprache / Literatur, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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