idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Ein neuartiges Aufgaben-Design im Mathematikunterricht soll Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, Informationen zu überprüfen und Fehlinformationen zu identifizieren. Entwickelt wurden die Aufgaben an der Uni Würzburg.
„Deutschland verursacht nur 1,8 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.“ Können wir deshalb aufhören mit den Anstrengungen, klimaneutral zu werden? – „2023 verdiente ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Durchschnitt 4.323 Euro brutto im Monat.“ Sagt diese Zahl etwas aus über die Verteilung von Arm und Reich? – „Rund 10.500 Euro hat Bayern durchschnittlich pro Schülerin und Schüler im Jahr 2021 für Bildung ausgegeben.“ Reicht das aus, um den Personalnotstand an Schulen zu beseitigen?
Zahlen und Statistiken nehmen in den Nachrichten eine zentrale Rolle ein. Dabei fällt es nicht immer leicht, ihre Bedeutung zu ermessen. Noch schwieriger wird die Einschätzung, wenn es um die Frage geht, ob diese Zahlen tatsächlich stimmen. Ein Problem, das auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer Fachdisziplin umtreibt, von der man es nicht auf Anhieb vermutet hätte: der Mathedidaktik.
Mit großen Datensätzen im Unterricht arbeiten
Dort – genauer gesagt: am Lehrstuhl für Mathematik V (Didaktik der Mathematik) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) – hat jetzt eine Fortbildung für Lehrkräfte unterfränkischer Gymnasien und Realschulen stattgefunden, die sich mit diesem Thema beschäftigte. Sie stand unter der Überschrift „Große Datensätze im Unterricht – Evaluation von (Medien-)Aussagen mit Mathematik und Daten“.
„Ausgangspunkt dieser Fortbildung war die Überlegung, dass Menschen, die Nachrichten lesen, in der Lage sein sollten, kritisch auf Zahlen und Diagramme zu blicken“, erklärt Hans-Stefan Siller, Inhaber des Lehrstuhls. Numeracy Capability heißt der Fachausdruck für diese Eigenschaft.
Fortbildung für Lehrkräfte
„Kritischer Blick“: Das bedeutet heutzutage in der Regel etwas Recherche im Internet. „Online-Portale wie beispielsweise Statista bieten gewaltige Mengen an Daten zu einer Vielzahl an Themen an“, sagt Siller. Wer also ein paar grundlegende mathematische Verfahren beherrscht, sollte dazu in der Lage sein, mit diesem Datenschatz zweifelhafte Aussagen zu überprüfen.
Die notwendigen Grundlagen dafür könnte – und sollte – der Mathematikunterricht liefern. Weil dies aktuell nicht unbedingt gewährleistet ist, haben Siller und seine Doktorandin Nina Unshelm ein entsprechendes Konzept entwickelt, sich geeignete Aufgaben ausgedacht und ein Fortbildungsprogramm für Lehrkräfte organisiert.
„Es geht dabei nicht um eine neue Mathematik“, sagt Hans-Stefan Siller. Viel wichtiger ist ihm ein anderer Aspekt: Mit der anderen Art von Aufgaben sei ein „Mathematik-Unterricht mit realen Bezügen“ möglich. Damit leiste das Fach auf der einen Seite eine großartige Hilfe im gesellschaftlichen Kontext. Dieser Aspekt könne auf der anderen Seite bei den Schülerinnen und Schülern die Motivation für das Fach spürbar erhöhen.
Erfolgreicher Test mit Schülerinnen und Schülern
„Wir haben Medienberichte zu zwei Themengebieten verwendet: zum einen zu globalen CO2-Emissionen und zum anderen zur globalen Armutslage“, beschreibt Nina Unshelm das konkrete Vorgehen. Die darauf basierenden Aufgaben haben sie anschließend mit Schülerinnen und Schülern aus neunten und zehnten Klassen getestet. Mit grundlegenden Mathekenntnisse kommt man schon weit. Summenbildung, Prozentrechnung, Durchschnittswerte und die Grundlagen der Tabellenkalkulation: Wer sich in diesen Bereichen auskennt, sei in der Lage, auch mit großen Datenmengen zu sinnvollen Ergebnissen zu kommen.
Nachdem sich in der Arbeit mit Schulklassen gezeigt hatte, dass die Aufgaben gut ankamen und im Unterricht tatsächlich funktionierten, waren die Lehrkräfte dran. Im Rahmen der Fortbildung wurde ihnen zunächst mit Hilfe von echten Zeitungsartikeln und aktuellen Studienergebnissen die Notwendigkeit der kritischen Überprüfung erläutert – natürlich immer mit einem Bezug zum Mathematikunterricht.
Anschließend ging es um die Frage, inwieweit vergleichbare Aufgabe schon heute in den Schulbüchern zu finden sind. Das Ergebnis zeigt, dass „die gewinnbringenden Möglichkeiten der kombinierten Betrachtung von Medienaussagen und großen Datensätzen noch ausgeweitet werden können“, so die beiden Mathedidaktiker.
Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Fortbildung kam das Angebot gut an. „Die Arbeit mit großen Datensätzen ist motivierend, da diese alltagsrelevante Inhalte in den Unterricht einbringen können und nur geringen Rechenaufwand bedeuten“, lautete eine Aussage. „Die Arbeit mit großen Datensätzen ist gesellschaftlich relevant und sollte somit mehr im Unterricht behandelt werden“, eine andere.
Ein internationales Forschungsprojekt
An dem Thema forscht Hans-Stefan Siller schon seit einiger Zeit. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Australian Catholic University (Brisbane) hat er dazu das Projekt „Strengthening Teachers‘ Instructional Capabilities with Big Data“ gestartet. Ziel ist es, in Medienprodukten etwaige widersprüchliche Aussagen zu identifizieren und diese mit Hilfe von großen Datensätzen zu überprüfen.
Der Fokus liegt dabei auf der Auswahl von zur Evaluation passenden Daten sowie auf dem Umgang mit solchen Daten und Datensätzen. Finanziert wird das Projekt vom Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD.
Bei Fortbildungen für Lehrkräfte soll es jedoch nicht bleiben. Siller und sein Team planen vielmehr, das Thema auch in anderen Fächern jenseits der Mathematik in den Unterricht zu integrieren. Ihr Ziel ist es deshalb, geeignete Veranstaltungen für alle Lehramtsstudierende der Universität Würzburg anzubieten. Eine Umfrage hat bereits gezeigt, dass das Interesse daran groß ist.
Prof. Dr. Hans-Stefan Siller, Lehrstuhl für Mathematik V, T: +49 931 31-89867, E-Mail: hans-stefan.siller@mathematik.uni-wuerzburg.de
Nina Unshelm, Lehrstuhl für Mathematik V, nina.unshelm@uni-wuerzburg.de
https://www.mathematik.uni-wuerzburg.de/didaktik/ Homepage des Lehrstuhls Didaktik der Mathematik
https://we-stem.it Aufgabenbeispiele
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Mathematik, Pädagogik / Bildung
überregional
Forschungsprojekte, Schule und Wissenschaft
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).