idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
01.08.2024 10:00

Neue Erkenntnisse: Akute myeloische Leukämie und Chemotherapie schädigen langfristig das Nervensystem im Knochenmark

Konstanze Adam Stiftungskommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Wilhelm Sander-Stiftung

    Forschende um Tatyana Grinenko und Martin Bornhäuser von der TU Dresden haben eine neue Methode entwickelt, um die 3D-Architektur des menschlichen Knochenmarks sichtbar zu machen. Sie untersuchten Veränderungen im Knochenmark durch akute myeloische Leukämie, einem tödlichen Blutkrebs, und entdeckten eine Schädigung der sympathischen Nervenfasern bei AML-Patienten, die durch eine Chemotherapie verstärkt wird. Da das sympathische Nervensystem die Blutbildung steuert, kann seine Schädigung die Produktion von Blutzellen beeinträchtigen. Eine nervenschützende Therapie könnte eine neue Richtung in der Therapie eröffnen. Das Projekt wurde von der Wilhelm Sander-Stiftung mit 125.000 € gefördert.

    Blutbildende Stammzellen sind eine seltene Zellart des Knochenmarks (BM), aus der alle Blutzellen hervorgehen: Rote Blutkörperchen, Blutplättchen, Lymphozyten und myeloische Zellen. Stammzellen spielen eine zentrale Rolle bei der Produktion von Blutzellen und der Aufrechterhaltung eines gesunden Blutkreislaufs. Eine Störung dieses Prozesses kann schwerwiegende Folgen haben, wie zum Beispiel bei der akuten myeloischen Leukämie (AML), einer Krebserkrankung, die die Blutzellproduktion stark beeinträchtigt.

    Bei der AML führen Mutationen in blutbildenden Stammzellen oder anderen unreifen blutbildenden Zellen im Knochenmark dazu, dass die Blutzellproduktion außer Kontrolle gerät. Die abnormen oder mutierten Zellen können nicht normal funktionieren und keine reifen Blutzellen bilden. Sie sammeln sich im Knochenmark und im Blut an und verdrängen die normalen Zellen.

    Das Knochenmark ist ein komplexer, gut organisierter Raum mit verschiedenen Arten von Zellen und Strukturen wie blutbildenden Stammzellen, reiferen Blutzellen, Knochenzellen, Gefäßen, Nerven und anderen Zelltypen. Das Zusammenspiel aller Bestandteile des Knochenmarks gewährleistet die ununterbrochene Produktion aller Arten von Blutzellen. Anormale Leukämiezellen können jedoch die Kontrolle übernehmen und das Gleichgewicht im System so verändern, dass es für das Knochenmark schwierig wird, gesunde Blutzellen zu produzieren. Darüber hinaus können Krebszellen sogar andere Zellen umprogrammieren, um ihr Wachstum zu unterstützen. Daher ist es für die Entwicklung wirksamer Krebstherapien wichtig zu verstehen, wie Leukämiezellen die Umgebung des Knochenmarks verändern.

    Die meisten Studien über gesundes und leukämisches Knochenmark wurden an Mausmodellen durchgeführt. Verschiedene Forschungsteams haben gezeigt, dass das sympathische Nervensystem viele Prozesse regulieren kann, darunter die ausgewogene Produktion von Blutzellen, die Zellwanderung im Körper, die Wiederherstellung des Blutkreislaufs nach Stress und das Wachstum von Krebszellen. Trotz der detaillierten Charakterisierung des Knochenmark-Milieus der Maus (murines BM-Milieu) ist das menschliche Knochenmark noch unzureichend erforscht und es muss geklärt werden, ob alle Komponenten des Maus-Knochenmarks auch für den Menschen relevant sind. Dieser Mangel an wichtigen Informationen über die intakte menschliche Knochenmark-Mikroumgebung inspirierte die Forschung an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden. Die Forschenden sammelten Biopsieproben von Gesunden und AML-Betroffenen am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und visualisierten mit Hilfe modernster Mikroskopie erstmals die gesunde und leukämische menschliche Knochenmarks-Mikroumgebung in 3D.

    Das Team unter der Leitung von Prof. Tatyana Grinenko und Prof. Martin Bornhäuser fand eine dramatische Verringerung der funktionellen sympathischen Nervenfasern im Knochenmark von AML-Betroffenen. Durch die Chemotherapie wurden die Nerven im Knochenmark weiter zerstört. Zudem erholten sich die funktionsfähigen sympathischen Nerven im Knochenmark auch sieben, bzw. zwölf Monate nach der Behandlung nicht. Die Forschenden entdeckten damit die anhaltende Wirkung von invasivem Leukämiewachstum und Chemotherapie auf die sympathische Nervenkomponente des menschlichen Knochenmarks. Eine Schädigung der Knochenmarksnerven kann zu einer langfristigen Funktionsstörung des Blutsystems führen und die vollständige Genesung nach einer zytotoxischen Leukämiebehandlung verlangsamen oder unterbrechen (eine zytotoxische Leukämiebehandlung beinhaltet den Einsatz von Medikamenten, die Krebszellen abtöten oder ihr Wachstum hemmen, kann aber auch gesunde Zellen im Knochenmark schädigen). Insgesamt eröffnen diese Ergebnisse eine neue Richtung für die Behandlung von AML-Betroffenen durch den Schutz oder die Wiederherstellung der Nerven im Knochenmark. Die Forschenden arbeiten daran, die Mechanismen der Nervenschädigung zu identifizieren, um die Wirksamkeit der Leukämietherapie zu verbessern.

    (3.513 Zeichen inkl. Leerzeichen)
    * Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.

    Wilhelm Sander-Stiftung: Partnerin der Krebsforschung

    Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit 125.000 € über eine Förderperiode unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 280 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

    Kontakt
    Konstanze Adam
    Wilhelm Sander-Stiftung
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit & Stiftungskommunikation
    Tel.: +49 (0) 89 544187-0
    E-Mail: adam@sanst.de

    Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden

    Die Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus hat sich auf die Forschung in den Bereichen Onkologie, Metabolismus sowie neurologische und psychiatrische Erkrankungen spezialisiert. Innerhalb dieser Schwerpunkte sind die Themen Degeneration und Regeneration, Bildgebung und Technologieentwicklung, Immunologie und Entzündungen sowie Prävention und Versorgungsforschung von besonderem Interesse. Internationalität ist eine Voraussetzung für Spitzenforschung – die Dresdner Hochschulmedizin lebt dieses Konzept mit Mitarbeitern aus mehr als 90 Nationen und zahlreichen Kooperationen mit Forschern und Teams aus aller Welt.

    Kontakt
    Stephan Wiegand
    Öffentlichkeitsarbeit
    Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
    Fetscherstr. 74
    01307 Dresden
    Tel.: +49 (351) 458-19389
    E-Mail: stephan.wiegand@uniklinikum-dresden.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Tatyana Grinenko & Prof. Martin Bornhäuser
    Technische Universität Dresden
    Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
    Fetscherstraße 74
    01307 Dresden
    Tel.: +49 15751307379
    E-Mail: Tatyana.grinenko@uniklinikum-dresden.de


    Originalpublikation:

    Kovtun I., von Bonin M., Ibneeva L., Frimmel J., Middeke J M., Kunadt D., Heberling L., Wobus M., Bornhäuser M. und Grinenko T. Profound sympathetic neuropathy in the bone marrow of patients with acute myeloid leukemia. Leukemia 38, 393–397 (2024). Doi: 10.1038/s41375-023-02104-7


    Weitere Informationen:

    http://www.wilhelm-sander-stiftung.de
    http://www.linkedin.com/company/wilhelm-sander-stiftung/
    http://tu-dresden.de/med/
    https://twitter.com/Medizin_TUD


    Bilder

    Vereinfachtes Schema des gesunden und leukämischen menschlichen Knochenmarks. Leukämie führt zur Schädigung und zum Verlust von Nerven, was das Gleichgewicht der Blutzellenentwicklung stören kann. Abbildung erstellt mit BioRender.
    Vereinfachtes Schema des gesunden und leukämischen menschlichen Knochenmarks. Leukämie führt zur Sch ...

    © Tatyana Grinenko and Iryna Kovtun


    Anhang
    attachment icon 01.08.24 Pressemitteilung Wilhelm Sander-Stiftung_Akute myeloische Leukämie und Chemotherapie

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).