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07.08.2024 10:26

Mikrobiom der Nase: Multiresistenten Keimen das Eisen wegnehmen

LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Ob gefährliche Staphylokokken in der Nase überleben, hängt davon ab, welche anderen Bakterien vorhanden sind – und wie sie Eisen gewinnen.

    Ein Forschungsteam um Simon Heilbronner, Professor für Mikrobiologie am Biozentrum der LMU, hat untersucht, wie verschiedene Bakterien, die die Nasenhöhle besiedeln können, mit dem Eisenmangel dort umgehen und miteinander interagieren. Die Ergebnisse der kürzlich im Fachmagazin ISME Journal veröffentlichten Studie zeigen, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflusst, wie gut multiresistente Staphylokokken in der Nase gedeihen können. Das eröffnet Wege für die gezielte Verdrängung potenziell gefährlicher Keime über nasale Probiotika, die ohne den Einsatz von Antibiotika auskommen.

    Wir teilen unseren Körper mit unzähligen Mikroorganismen. Sie bewohnen unseren Darm, die Haut und Körperöffnungen wie Mund und Nase. Wie dieses Mikrobiom zusammengesetzt ist, hat großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Während bestimmte Keime nützlich sein können, fügen uns andere Schaden zu. Bei Staphylococcus aureus ist das so eine Sache: „Antibiotikaresistente Staphylokokken können sich unbemerkt im Mikrobiom gesunder Menschen verstecken“, erklärt Simon Heilbronner. Bei einem Drittel aller Menschen ist das der Fall. Solange sie in der Nase bleiben, merken wir davon gar nichts. Wenn sie aber beispielsweise nach einem chirurgischen Eingriff in den Blutkreislauf gelangen, können sie schwerwiegende Krankheiten verursachen. Diese Infektionen sind akut lebensbedrohlich, und auch gegen Notfallreserve-Antibiotika entwickeln sich Resistenzen. Das Problem multiresistenter Krankenhauskeime entwickelt sich zunehmend zu einer globalen Gesundheitskrise. Stellt man vor einem Krankenhausaufenthalt sicher, dass keine der gefährlichen Erreger in der Nase hausen, kann das das Leben der Patienten retten.

    Lebensraum Nase

    Warum Staphylococcus aureus in einigen Nasen vorkommt, in anderen aber nicht, ist bislang kaum bekannt. „Wir wissen erstaunlich wenig über die Faktoren, die bestimmen, ob eine Person von S. aureus bewohnt werden kann“, sagt Heilbronner. Die Genetik des Wirtes und die Umweltbedingungen hätten nur einen mäßigen Einfluss darauf. „Stattdessen wird zunehmend klarer, dass das Vorhandensein bestimmter anderer Bakterien das Wachstum des Krankheitserregers begünstigen oder erschweren kann.“ Weil das mikrobielle Ökosystem der Nase insgesamt wenig erforscht ist, wisse man aber noch viel zu wenig, um die Mechanismen dahinter ausreichend zu verstehen.

    Für die neue Studie haben Heilbronner und seine Kolleginnen und Kollegen deswegen 94 Stämme aus elf Bakteriengattungen untersucht, die in der menschlichen Nase vorkommen. Im Fokus stand dabei eine ganz besondere Eigenschaft der Mikroben. „In der Nase herrscht akuter Eisenmangel“, so Heilbronner. Indem es diesen essenziellen Nährstoff begrenzt, schützt sich das menschliche Immunsystem vor unerwünschten Gästen. Bakterien, die trotzdem in der Nase überleben wollen, müssen sich also etwas einfallen lassen: Sie produzieren sogenannte Siderophore – eisenbindende Moleküle, die sie in ihre Umgebung abgeben. „Man kann sie sich als molekulare Fangnetze vorstellen, die die Bakterien auswerfen, um Eisen zu sammeln“, meint der Infektionsbiologe. Sobald sich die Siderophore mit dem begehrten Spurenelement angereichert haben, werden sie wieder aufgenommen. Allerdings nicht immer von dem Bakterium, das sie produziert hat.

    Der Kampf um das Eisen

    Wie die Forschenden herausgefunden haben, existiert in unseren Nasen ein komplexes Netz von Handelsbündnissen und Raubzügen rund um das Eisen. Sie konnten verschiedene Formen von Interaktionen zwischen den untersuchten Bakterien feststellen. Einige der Mikroorganismen teilen ihre Siderophore und das darin gebundene Eisen wie ein Gemeinschaftsgut mit S. aureus. Sie arbeiten also mit dem Krankheitserreger zusammen, wovon beide Arten profitieren. Im Gegensatz dazu verhalten sich andere Bakterien weniger sozial. Es gibt Arten, die sich zwar an den Siderophoren von S. aureus bedienen, ihnen ihre eigenen aber vorenthalten, indem sie sie gewissermaßen molekular verschlüsseln. Die Autoren bezeichnen diese Strategie als „Wegsperren“ des Eisens. Und dann gibt es noch die Piraten unter den Nasenkeimen: Sie produzieren überhaupt keine eigenen Siderophore – denn das ist aufwendig und kostenintensiv –, sondern rauben ausschließlich fremde Eisenquellen. Viele dieser „Betrüger“ sind auf die Siderophore des Krankheitserregers spezialisiert.

    Heilbronner und sein Team konnten nachweisen, dass S. aureus in seinem Wachstum gehemmt wird, wenn in der Umgebung Bakterien vorhanden sind, die seine Siderophore ausbeuten, ohne etwas dafür zurückzugeben. „Wir haben in dieser Arbeit mehrere Stämme verschiedener Arten und Gattungen identifiziert, die auf unterschiedliche Weise mit S. aureus interagieren“, kommentiert Heilbronner die Ergebnisse. „Die Ergebnisse sprechen dafür, dass benachbarte Bakterien durch Eisenraub ein feindliches Umfeld für Staphylokokken schaffen können.“ Das ebne den Weg für die Entwicklung nasaler Probiotika für die Verdrängung multiresistenter Staphylokokken aus der Nase. Die Siderophor-Piraten könnten also zu Freibeutern im Namen der Medizin werden und gezielt das Eisen von S. aureus plündern, um seine Verbreitung einzudämmen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Simon Heilbronner
    Fakultät für Biologie
    Ludwig-Maximilians-Universität München
    Tel.: +49 (0)89 / 2180-74611
    simon.heilbronner@lmu.de


    Originalpublikation:

    Yanfeng Zhao, Alina Bitzer, Jeffrey John Power, Darya Belikova, Benjamin Orlando Torres Salazar, Lea Antje Adolf, David Leon Gerlach, Bernhard Krismer & Simon Heilbronner: Nasal commensals reduce Staphylococcus aureus proliferation by restricting siderophore availability. The ISME-Journal 2024
    https://doi.org/10.1093/ismejo/wrae123


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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