idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.08.2024 08:36

Chemisches Werkzeug für die Infektionsforschung entwickelt

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Forschende aus Würzburg und Berlin stellen neue Moleküle zur Visualisierung des Sphingomyelin-Stoffwechsels vor. Der Infektionsforschung bietet das Perspektiven für innovative Therapieansätze.

    Ende des 19. Jahrhunderts isolierte der deutsche Pathologe Ludwig Thudichum bisher unbekannte Fettstoffe (Lipide) aus dem Gehirn. Er nannte die neue Klasse von Molekülen Sphingolipide – nach dem griechischen Fabelwesen Sphinx, aus Respekt vor „den vielen Rätseln, die sie dem Forscher aufgab“.

    Seitdem sind zahlreiche Krankheiten entdeckt worden, die durch einen gestörten Sphingolipid-Stoffwechsel im Gehirn verursacht werden, darunter Morbus Fabry und Morbus Gaucher. Sphingolipide wurden auch mit Infektionskrankheiten in Verbindung gebracht, zum Beispiel mit Virusinfektionen wie Ebola, Masern oder Covid-19, sowie mit bakteriellen Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa oder Staphylococcus aureus, die Mittelohrentzündungen, Haut- und Lungeninfektionen und viele andere Krankheiten zur Folge haben können. Bei diesen Infektionen ist oft der Abbau des Moleküls Sphingomyelin durch das Enzym Sphingomyelinase entscheidend. Bisher war es jedoch schwierig, die Aktivität des Enzyms zu visualisieren.

    Neu entwickelte Moleküle machen dies nun möglich. Forschenden aus Würzburg und Berlin ist es gelungen, ein Sphingomyelin-Derivat zu entwickeln, mit dem sich die Verteilung von Sphingomyelin sowie die Aktivität der Sphingomyelinase bei Infektionsprozessen sichtbar machen lassen.

    Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Graduiertenkollegs 2581 „Metabolismus, Topologie und Kompartimentierung von membranständigen Lipid- und Signalkomponenten bei Infektionen“. Darin arbeiten Forschende aus Chemie, Physik und Biologie zusammen, um neue chemische Verbindungen zu synthetisieren und ihre Anwendbarkeit in der Infektionsforschung zu erproben.

    „Bei den neuen Molekülen handelt es sich um trifunktionale Sphingomyeline auf Basis des Naturstoffs Sphingomyelin, der noch mit drei zusätzlichen Funktionen ausgestattet wurde. Es war schwierig, einen so hoch-funktionalisierten Naturstoff zu designen, der wie der ursprüngliche Naturstoff von dem Metabolismus erkannt und genutzt wird“, sagt Professor Jürgen Seibel vom Institut für Organische Chemie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

    Sphingomyelin-Abbau während der Entwicklung von Chlamydia-Bakterien visualisiert

    Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler testeten die Funktion der von ihnen neu entwickelten Moleküle, indem sie etwa die Aktivität einer bakteriellen Sphingomyelinase auf der Oberfläche menschlicher Zellen bestimmten. Weiterhin visualisierten sie den Sphingomyelin-Abbau innerhalb menschlicher Zellen während einer intrazellulären Infektion von menschlichen Zellen mit Chlamydia-Bakterien. Chlamydien infizieren unter anderem den menschlichen Genitaltrakt, stehen aber auch im Verdacht, in infizierten Geweben zur Entstehung von Krebs in beizutragen.

    Innerhalb ihrer Wirtszellen bilden Chlamydien eine replikative Organelle, die als Inklusion (Einschluss) bezeichnet wird. Die Forschenden zeigten, dass Chlamydien-Inklusionen hauptsächlich die gespaltenen Formen der trifunktionalen Sphingomyeline enthalten. Mit Hilfe der Expansionsmikroskopie und Click-Chemie beobachteten sie, dass der Anteil der verstoffwechselten Sphingomyelinmoleküle während der Entwicklung von nicht-infektiösen zu infektiösen Chlamydienpartikeln zunahm. Durch die Möglichkeit, diesen Infektionsprozess sichtbar zu machen, können nun neue gezielte Strategien gegen diese Infektionen entwickelt und getestet werden.

    „Das neue chemische Werkzeug wird uns sicherlich gute Dienste leisten und kann in vielen Labors eingesetzt werden“, so Professor Seibel. „Unser Ziel ist es, damit neue anti-infektiöse oder immuntherapeutische Strategien für die Medikamentenentwicklung zu identifizieren, die durch Modulation des Sphingolipid-Stoffwechsels zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten eingesetzt werden können.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Jürgen Seibel, Institut für Organische Chemie, Universität Würzburg, T +49 931 31- 85326, seibel@chemie.uni-wuerzburg.de


    Originalpublikation:

    Marcel Rühling, Louise Kersting, Fabienne Wagner, Fabian Schumacher, Dominik Wigger, Dominic A. Helmerich, Tom Pfeuffer, Robin Elflein, Christian Kappe, Markus Sauer, Christoph Arenz, Burkhard Kleuser, Thomas Rudel, Martin Fraunholz, and Jürgen Seibel: Trifunctional sphingomyelin derivatives enable nanoscale resolution of sphingomyelin turnover in physiological and infection processes via expansion microscopy. Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-024-51874-w, 28. August 2024, open access https://www.nature.com/articles/s41467-024-51874-w


    Bilder

    Chlamydien-Inklusionen in infizierten menschlichen Zellen, das native Sphingomyelin-Derivat in nicht-infektiösen Chlamydien-Partikeln (größere gelbe Ovale) und das metabolisierte Derivat (kleine grüne Punkte) in infektiösen Chlamydien-Partikeln.
    Chlamydien-Inklusionen in infizierten menschlichen Zellen, das native Sphingomyelin-Derivat in nicht ...
    Jürgen Seibel
    Universität Würzburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).