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Wissenschaft
Der HIV-Forscher Prof. Christian Gaebler hat ein Ziel: Therapien zu entwickeln, die Menschen von ihrer HIV-Infektion heilen oder ihr Immunsystem dazu bringen, das Virus auch ohne Medikamente dauerhaft in Schach zu halten. Dazu will der Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin im Detail die Fälle untersuchen, die bereits ohne Medikation leben. Mit dem Forschungsvorhaben hat er jetzt den Europäischen Forschungsrat (ERC) überzeugt: Dieser fördert den Forscher im Rahmen eines ERC Starting Grant mit rund 1,5 Millionen Euro.
Die Fortschritte in der HIV-Therapie erlauben es Menschen mit HIV heute, ein weitgehend normales Leben zu führen. Sie müssen allerdings dauerhaft Medikamente einnehmen, die die Vermehrung des Virus unterdrücken – sogenannte antiretrovirale Arzneimittel. „Die antiretrovirale Therapie kann eine HIV-Infektion nicht heilen, weil sich das Virus in Immunzellen versteckt“, erklärt Christian Gaebler, Arbeitsgruppenleiter an der Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin der Charité und dem Berlin Institute of Health in der Charité (BIH). „Diese Verstecke werden als Virus-Reservoire bezeichnet. Sie erklären, warum sich das HI-Virus innerhalb von wenigen Wochen wieder vermehrt, sobald die Medikamente abgesetzt werden.“
Es gibt nur eine Handvoll Personen, bei denen es mithilfe einer Stammzelltransplantation gelungen ist, das Virus komplett aus dem Körper zu entfernen. Eine solche echte HIV-Heilung hat ein Charité-Forschungsteam unter Beteiligung von Christian Gaebler zuletzt im Juli der Fachwelt vorgestellt. Aufgrund der hohen Risiken kommt eine Stammzelltransplantation für die meisten Betroffenen allerdings nicht infrage, eine HIV-Infektion gilt deshalb noch immer als unheilbar. Diesen Umstand will Christian Gaebler mit dem Projekt HIV CURE MISSION ändern, denn der Bedarf ist groß: In Deutschland lebten dem Robert Koch-Institut zufolge Ende 2023 96.700 Menschen mit HIV, weltweit waren es laut UNAIDS, dem Gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids, rund 40 Millionen.
Von Heilungen und Remissionen lernen
Der Arzt und Wissenschaftler plant einerseits, die HIV-Heilungsfälle zu durchleuchten. Gibt es immunologische Eigenschaften des Stammzellspenders oder des Empfängers, die zu der Heilung beigetragen haben? Oder Parameter, die erklären, warum die Stammzelltransplantation in anderen Fällen nicht zu einer Heilung geführt hat? Andererseits will er eine zweite Gruppe von Menschen mit HIV untersuchen, die ohne antiretrovirale Medikamente auskommen – die sogenannten Post-Treatment-Controller.
„Es gibt Menschen mit HIV, deren Immunsystem das Virus in Schach hält, obwohl sie die antiretrovirale Therapie abgesetzt haben“, erklärt der Charité-Forscher. „Bei ihnen unterdrückt das Immunsystem die Aktivität des Virus, obwohl es sich noch in einigen Zellen des Körpers versteckt. Weil das HI-Virus noch nachweisbar ist, sprechen wir in diesen Fällen nicht von einer Heilung, sondern von einer dauerhaften Remission.“
Wie schafft es das Immunsystem, das Virus zu kontrollieren?
Mehrere solcher Post-Treatment-Controller, die sich seit mittlerweile über vier Jahren in Remission befinden, hat man nach Behandlung mit einer neuen HIV-Antikörpertherapie beobachtet. An der 2022 veröffentlichten Phase-I-Studie war Christian Gaebler beteiligt, er wurde dafür vergangenes Jahr mit dem Deutschen AIDS-Preis ausgezeichnet. „Von diesen Menschen wollen wir lernen“, sagt der HIV-Forscher. Zusammen mit seinem Team will er exakt dokumentieren, wie ihr Immunsystem auf das Virus reagiert und welche Gene in ihren Immunzellen und auch im Virus aktiv sind. Weil insbesondere die Virus-Reservoire das größte Hindernis für eine HIV-Heilung sind, werden die Forschenden deren Beschaffenheit im Detail untersuchen – die Antikörpertherapie hat es nämlich geschafft, die Zahl der Virus-Verstecke zu reduzieren.
Die Antikörpertherapie steht erst am Anfang ihrer Entwicklung, es gibt deshalb noch nicht viele Menschen, denen sie zur Remission verholfen hat. Christian Gaebler erwartet aber, dass ihre Zahl im Zuge der nun startenden größeren klinischen Studien steigen wird. „Sobald wir die Mechanismen verstanden haben, die eine Remission oder Heilung begünstigen, wollen wir die Erkenntnisse nutzen, um neue, in der Breite einsetzbare Behandlungsansätze gegen HIV zu entwickeln“, sagt der Wissenschaftler. „Es ist zwar noch ein weiter Weg, aber unser Ziel bleibt, Menschen mit HIV entweder zu heilen oder ihnen auf anderem Weg ein gesundes Leben ohne Medikamente zu ermöglichen.“
Starting Grants des ERC
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) unterstützt wissenschaftlichen Nachwuchs derzeit im Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe. Gefördert werden herausragende Talente zwei bis sieben Jahre nach ihrer Promotion, die einen ungewöhnlichen Forschungsansatz zu einem frei gewählten Thema verfolgen. Für den Aufbau einer Arbeitsgruppe stehen jeweils rund 1,5 Millionen Euro bei einer Laufzeit von fünf Jahren zur Verfügung.
Prof. Christian Gaebler
Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
T: +49 30 450 553 332
christian.gaebler@charite.de
https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/hiv_heilung_an_de... Pressemitteilung v. 18.07.2024
https://www.charite.de/forschung/themen_forschung/2023/deutscher_aids_preis_fuer... Meldung v. 28.03.2023
https://infektiologie.charite.de/ Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin
https://www.charite.de/forschung/forschung_an_der_charite/forschungsprojekte_und... Weitere ERC Grantees der Charité
Prof. Christian Gaebler
Sebastian Tromm
© Charité | Sebastian Tromm
Elektronenmikroskopische Aufnahme einer von HIV infizierten Immunzelle, die viele Viruspartikel in d ...
C. Goldsmith
© CDC | C. Goldsmith
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Medizin
überregional
Forschungsprojekte, Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
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