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06.09.2024 11:18

Gut geschützt - Melanine sind besonders wichtig für Flechten

Katja Henßel Öffentlichkeitsarbeit
Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns

    Neue Genomanalysen zeigen: Eine erst kürzlich in Bayern neu entdeckte Stäbchenflechte betreibt offenbar viel Aufwand für ihren Sonnenschutz sowie zur Abwehr von Fraßfeinden. SNSB Forschende finden im eigens sequenzierten Referenzgenom der Flechte bestimmte Genabschnitte, die für die Produktion von Melaninen verantwortlich sind. Diese sind, wie beim Menschen auch, in der Lage UV-Licht zu filtern, als Schutz vor zu viel Sonnenstrahlung. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Genes veröffentlicht.

    Die Unähnliche Stäbchenflechte Toniniopsis dissimilis wurde erst kürzlich in den Allgäuer Hochalpen als neue Art entdeckt und wissenschaftlich beschrieben. Sie bildet – wie fast alle Flechten – sogenannte sekundäre Flechtenstoffe. Über die Funktion dieser Stoffwech-selprodukte weiß man bisher wenig. Manche davon, hergestellt von den sogenannten Polyketidsynthasen, sind allerdings bekannt als ökologisch sowie pharmazeutisch bedeutend, beispielsweise die Melanine. Ein internationales Forscherteam der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB) fand nun Hinweise im Genom der neuen Stäb-chenflechte, dass ein ungewöhnlich großer Teil ihrer Polyketidsynthasen für die Herstellung von Melaninen zuständig ist. Wie in der Haut des Menschen fungieren diese meist dunkelbraunen bis schwarzen, manchmal auch gelblichen bis rötlichen Pigmente auch bei Flechten durch ihre UV-Filterung als Schutz vor zu viel Sonnenstrahlung.

    Besonders überrascht hat die Forschenden die große Anzahl der am Melanin-Stoffwechsel beteiligten Polyketidsynthasen in Toniniopsis dissimilis: „Zwar besitzt die Unähnliche Stäbchenflechte im Vergleich mit anderen analysierten Flechtenpilzgenomen die mit Abstand geringste Zahl an sogenannten Typ 1 Polyketidsynthasen, aber von diesen sind zwei Drittel in die Produktion von Melaninen involviert. Dies legt eine besondere Wichtigkeit von Melaninen für diese Flechtenart nahe. Die Stäbchenflechte wächst in lichten Wäldern und ist Indikator für einen gesunden, vielfältigen und natürlichen Baumbestand. In solchen Lebensräumen gibt es zeitweise starken Lichteinfall, so dass Melanine als Sonnenschutz eine wichtige Funktion haben dürften“, interpretiert Julia Gerasimova, Erstautorin der Studie, die Ergebnisse. Die Lichenologin ist mittlerweile am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt be-schäftigt.

    Die Funktion der Melanine beschränkt sich vermutlich nicht nur auf den Schutz vor schädlicher UV-Strahlung: Es ist auch bekannt, dass die Pigmente aufgrund ihres Geschmacks Pflanzenfresser abschrecken. „In solch naturnahen Wäldern, in denen Toniniopsis dissimilis hauptsächlich vorkommt, leben besonders viele Tiere, die sich auch von Flechten ernähren, zum Beispiel Schnecken und Milben. Da ist eine Strategie, die verhindert gefressen zu werden, besonders wichtig. Die Melanine haben somit wohl auch die wichtige Aufgabe in der Verringerung des Fraßdrucks“, erklärt Andreas Beck, Botaniker und Mykologe an den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns.

    Das Genom der Unähnlichen Stäbchenflechte wurde durch das SNSB-eigene Genomik-Labor, die Genomics Core Facility, sequenziert. Als Referenz kann das neu sequenzierte Genom für die weitere Forschung an Flechten von Bedeutung sein. Diese Studien tragen einmal mehr zum besseren Verständnis des Stoffwechsels von Flechten und seines großen versteckten Potenzials bei.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. habil. Andreas Beck
    SNSB – Botanische Staatssammlung München
    Menzinger Str. 67, 80638 München
    Tel.: 089 17861 266
    E-Mail: beck@snsb.de

    Dr. Om Kulkarni
    SNSB – Genomics Core Facility
    Menzinger Str. 67, 80638 München
    Tel.: 089 17861 206
    E-Mail: kulkarni@snsb.de


    Originalpublikation:

    Gerasimova, J.V.; Beck, A.; Scheunert, A.; Kulkarni, O. De Novo Genome Assembly of Toniniopsis dissimilis (Ramalinaceae, Lecanoromycetes) from Long Reads Shows a Comparatively High Composition of Biosynthetic Genes Putatively Involved in Melanin Synthesis. Genes 2024, 15, 1029. https://doi.org/10.3390/genes15081029


    Weitere Informationen:

    https://www.snsb.de - Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns (SNSB)
    https://bsm.snsb.de - Botanische Staatssammlung München (SNSB-BSM)


    Bilder

    Fruchtkörper und Lager der Unähnlichen Stäbchenflechte Toniniopsis dissimilis, deren Genom erstmals sequenziert wurde.
    Fruchtkörper und Lager der Unähnlichen Stäbchenflechte Toniniopsis dissimilis, deren Genom erstmals ...
    Andreas Beck
    SNSB - Botanische Staatssammlung München

    Der Lebensraum der Unähnlichen Stäbchenflechte Toniniopsis dissimilis in den naturnahen Wäldern der Allgäuer Alpen.
    Der Lebensraum der Unähnlichen Stäbchenflechte Toniniopsis dissimilis in den naturnahen Wäldern der ...
    Andreas Beck
    SNSB - Botanische Staatssammlung München


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Chemie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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