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12.09.2024 09:23

Bedrohen Digitalisierung, KI und Social Media die Demokratie?

Simone Grebler Stabsstelle Kommunikation
Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg

    Prof. Dr. Karsten Weber, Experte für Ethik und Technikfolgenabschätzung an der OTH Regensburg, gibt Antworten auf diese Frage am Mittwoch, 2. Oktober 2024, im Rahmen der Langen Nacht der Demokratie in Regensburg. Prof. Weber hat uns im Vorfeld Inhalte seines Vortrags verraten und über aktuelle Herausforderungen der Demokratie gesprochen.

    Guten Tag, Herr Weber. Sie halten bei der Langen Nacht der Demokratie eine Keynote zum Thema „KI und Demokratie“. Was kann man sich darunter vorstellen?

    Prof. Weber: Ich werde darüber sprechen, wie die Digitalisierung – insbesondere der Einsatz von KI – die Demokratie beeinflusst. Ein Beispiel dafür sind Deep Fakes, also die Möglichkeit, mit KI gefälschte Bilder, Texte und Töne zu erstellen und Menschen in Situationen zu zeigen, die sie nie erlebt haben. Dieses Phänomen ist nicht neu, aber es hat durch den technologischen Fortschritt eine neue Qualität erreicht. Besonders die Verbindung von KI und Social Media birgt Gefahren für die Demokratie, aber nicht die Technologie an sich ist das Problem. Vielmehr geht es um die gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen, die antidemokratische Entwicklungen begünstigen.

    In der Diskussionsrunde geht es um das Thema „Wie können wir Social Media für unsere Demokratie nutzen?“. Spalten Social-Media-Plattformen nicht eher die Gesellschaft?

    Prof. Weber: Das Problem liegt nicht in den sozialen Medien selbst, sondern in ihrer Nutzung. Algorithmen verstärken oft die Informationen, die den eigenen Vorlieben entsprechen, und fördern so die Polarisierung. Parteien, die an den Rändern des politischen Spektrums stehen, haben dies schneller verstanden und nutzen Social Media gezielt, um emotionale Botschaften zu verbreiten. Während traditionelle Parteien häufig auf Sachargumente setzen, nutzen die Randparteien eher einfache Slogans, die die Emotionen ansprechen. Diese Strategie hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, vor allem bei jüngeren Zielgruppen.

    Gerade junge Menschen verbringen viel Zeit auf Social Media und scheinen empfänglich für radikale Thesen, was sich jüngst auch in den Wahlergebnissen in Thüringen und Sachsen widerspiegelt. Beherrscht die AfD diese Plattformen besser als andere Parteien?

    Prof. Weber: Ja, das lässt sich so sagen. Radikale Parteien nutzen soziale Medien effektiver, indem sie auf einfache Botschaften setzen, die emotional aufgeladen sind. Es ist jedoch nicht hoffnungslos. Ein Beispiel ist die Kampagne von Kamala Harris in den USA, die gezeigt hat, dass man auch mit positiven Botschaften erfolgreich sein kann. Es wäre eine Strategie, auch hierzulande mehr auf das zu fokussieren, was gut funktioniert, statt ständig Hiobsbotschaften zu verbreiten.

    Wie bewerten Sie den Einfluss von Social Media auf die politische Meinungsbildung? Können Menschen den Inhalten trauen?

    Prof. Weber: Social Media kann die politische Meinungsbildung stark beeinflussen. Viele Menschen beziehen ihre Informationen fast ausschließlich aus sozialen Netzwerken, wo Inhalte oft gefiltert und personalisiert werden. Das schafft Echo-Kammern, in denen man nur noch das sieht, was die eigenen Überzeugungen bestätigt. Besonders gefährlich wird es, wenn Fehlinformationen in solchen Netzwerken verstärkt werden. Was wir seit Jahrzehnten predigen, ist Medienkompetenz und Informationsvielfalt – sich nicht nur aus einer Quelle zu informieren. Veranstaltungen wie die Lange Nacht der Demokratie sind essenziell, um das Bewusstsein für demokratische Prozesse zu schärfen. Wir müssen Vertrauen in die Demokratie zurückgewinnen, und das gelingt durch Aufklärung und Diskurs. Ein großes Problem ist der Vertrauensverlust in die traditionellen Institutionen. Hier sehe ich jedoch Hoffnung in supranationalen Institutionen wie der EU, die versuchen, rechtsstaatliche Normen durchzusetzen – sei es durch Klagen gegen Großkonzerne oder durch die Wahrung von Menschenrechten.

    Was können Wissenschaft und Gesellschaft tun, um wieder faktenbasiert zu diskutieren?

    Prof. Weber: Das ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Was wir sehen, ist eine Verknüpfung vieler Krisen: der Klimawandel, geopolitische Konflikte, die Vertrauenskrise in Institutionen. Diese Verkopplung führt zu einem Gefühl der Unsicherheit bei vielen Menschen. Radikale Parteien nutzen dieses Gefühl und bieten einfache Lösungen an – das ist verlockend. Wissenschaftler müssen hier mehr in den Dialog mit der Gesellschaft treten und verständlich erklären, was sie tun und warum ihr Wissen wichtig ist. Leider verläuft dieser Dialog oft nur schleppend.

    Social Media ist oft eine Brutstätte für Hass und Cybermobbing. Wie bewerten Sie Kritik und Angriffe im Netz?

    Prof. Weber: Das Thema ist sehr ernst. Wir haben in den letzten Jahren immer extremere Ausmaße erlebt, wie etwa den Fall einer österreichischen Ärztin, die sich nach Cybermobbing das Leben genommen hat. Die Anonymität im Netz spielt sicher eine Rolle dabei, dass Menschen sich ungestraft ausleben können. Aber es ist nicht nur die Anonymität. Gerade dort, wo Radikalisierungstendenzen ohnehin vorhanden sind, verfangen Fehlinformationen besonders schnell.

    Ist Bildung der Schlüssel zur Lösung dieser Probleme?

    Prof. Weber: Bildung spielt zweifellos eine zentrale Rolle. Doch auch sie ist kein Allheilmittel. Menschen mit höherem Bildungsgrad sind zwar tendenziell weniger anfällig für Fehlinformationen, aber das schützt sie nicht vollständig. Wichtig ist, dass wir nicht nur eine breitere Wissensvermittlung fördern, sondern auch die Fähigkeit, kritisch zu denken und unterschiedliche Perspektiven zu verstehen.

    Zum Abschluss: Wird Ihre Keynote eher akademisch oder unterhaltsam?

    Prof. Weber: Ich werde versuchen, eine Balance zu finden. Es geht nicht darum, die Leute mit einem wissenschaftlichen Vortrag zu langweilen. Die Keynote soll unterhaltsam sein, aber trotzdem zum Nachdenken anregen. Ob mir dieser Balanceakt gelingt, wird sich zeigen!

    ********************

    Die Lange Nacht der Demokratie startet um Mittwoch, 2. Oktober 2024, um 18 Uhr im Auditorium des Thon-Dittmer-Palais mit einem Grußwort der Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer. Die Keynote „KI und Demokratie“ hält Prof. Dr. Karsten Weber. Moderiert wird die Veranstaltung von Gustav Wabra, stellvertretender Leiter der Volkshochschule, und Luisa Haas, Stadtjugendring. Im Anschluss an den Vortrag von Prof. Weber wird auf dem Podium die Frage diskutiert: „Wie können wir Social Media für unsere Demokratie nutzen?“. Es diskutieren Prof. Weber, Lena Krebs (Poetry-Slammerin), Nando Petri (Mediencoach und digitaler Streetworker) und weitere Gäste. Nach einer Pause geht es ab 21 Uhr in die verschiedenen Workshops. Die Veranstaltung ist für alle offen und kostenfrei. Am Einlass ab 17.30 Uhr können sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer Plätze in den Workshops und beim Poetry-Slam sichern.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. phil. habil. Karsten Weber


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    Prof. Dr. phil. habil. Karsten Weber ist Philosoph und Experte für Technikfolgenabschätzung. Er leitet das Institut für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung (IST) an der OTH Regensburg.
    Prof. Dr. phil. habil. Karsten Weber ist Philosoph und Experte für Technikfolgenabschätzung. Er leit ...
    Michael Hitzek
    Michael Hitzek/OTH Regensburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Kulturwissenschaften, Pädagogik / Bildung, Philosophie / Ethik, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, wissenschaftliche Weiterbildung
    Deutsch


     

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