idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
04.10.2024 11:03

Medizinstudium: Culinary Medicine-Wahlfach über die neuen lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der DGE

PD Dr. med. Thomas Ellrott und Nachhaltigkeitspädagoge Uwe Neumann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Culinary Medicine Deutschland e.V.

    Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) hat im März 2024 neue lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen (sog. Food Based Dietary Guidelines, FBDGs) für gesunde Erwachsene veröffentlicht. Die Empfehlungen basieren erstmals auf einem evidenzbasierten Algorithmus, der neben Gesundheitsaspekten auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt. Auf Basis dieser Empfehlungen hat das Institut für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen/Universitätsmedizin in Kooperation mit Culinary Medicine Deutschland e.V. ein neues Wahlfach für den vorklinischen Abschnitt des Medizinstudiums entwickelt, das sich seit April 2024 im Piloteinsatz befindet.

    Das Wahlfach wird nach dem innovativen Culinary Medicine-Lehrkonzept durchgeführt. So soll den Studierenden nicht allein aktuelles ernährungsmedizinisches Fachwissen vermittelt werden, sondern auch dessen praktischer Transfer in die Lebenswelten von Patientinnen und Patienten. Das primäre Ziel von Culinary Medicine ist die Verbesserung der ernährungsmedizinischen Beratungskompetenzen der zukünftigen Ärztinnen und Ärzte. Dazu werden die neuen Ernährungsempfehlungen der DGE (https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2024/0...) von den Studierenden in der Lehrküche in Musterrezepte übersetzt und gemeinsam zubereitet.

    Der den neuen Empfehlungen zugrundliegende Algorithmus optimiert Gesundheitsaspekte (Ziel: Reduktion der Krankheitslast) und Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsaspekte (Ziel: Reduktion von Treibhausgasemissionen und Landnutzung) gleichermaßen. Zudem geht auch das bisherige Essverhalten der Menschen in Deutschland in die Empfehlungen ein. So hat die Fachgesellschaft das grundlegende Konzept der Planetary Health Diet der EAT Lancet Commission (https://eatforum.org/eat-lancet-commission/) lokal adaptiert. Die 2024 veröffentlichten DGE-Empfehlungen richten sich an Menschen, die alle Lebensmittel essen und die sich weder vegan noch vegetarisch ernähren. Dies entspricht etwa 90 % der Bevölkerung.

    Die Studierenden erarbeiten sowohl die Musterrezepte wie auch ein kurzes Referat als Teil der Kursleistung vorab selbst und bringen diese im Sinne des Inverted Classroom-Ansatzes in die Lehrveranstaltung ein. Dabei orientieren sich die Referatsthemen auch am Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM, https://medizinische-fakultaeten.de/themen/studium/nklm-nklz/).

    Parallel zur Pilotierung des Wahlfachs erfolgt die Evaluation der Lerneffekte mittels eines Online-Fragebogens (Lime-Survey) in einem Prä-Post-Befragungsdesign. Durch die Evaluation soll insbesondere untersucht werden, ob sich die ärztliche Beratungskompetenz im Fach Ernährungsmedizin hinsichtlich Prävention, Gesundheitsförderung und Nachhaltigkeit verbessert.

    PD Dr. med. Thomas Ellrott, Leiter des Projekts, fasst die Vorteile des Lehrangebots zusammen: „Wir haben drei Innovationen gleichzeitig in das neue Lehrangebot für das Medizinstudium eingebracht: Die Integration der neuesten Ernährungsempfehlungen der DGE inklusive planetarer Gesundheit, die praktische Umsetzung in der Lehrküche in Form von Culinary Medicine und den Einbezug der Studierenden in die Ausgestaltung des Kurses nach der besonders effektiven Inverted Classroom-Lernmethode.“

    Heidi Schwarzer, Medizinstudentin und Doktorandin im Projekt, ergänzt: „Durch den doppelten Fokus der neuen Ernährungsempfehlungen zum einen auf die Vorbeugung ernährungsassoziierter Erkrankungen und zum anderen auf die gleichzeitige Reduktion von ernährungsbedingten Treibhausgasen und Landnutzung bringt das Wahlfach wichtige neue Themen in den vorklinischen Abschnitt des Medizinstudiums ein. Diese sind von wesentlicher Bedeutung für die menschliche Gesundheit, hatten jedoch bisher keinerlei Berücksichtigung in der vorklinischen Lehre gefunden.“

    Für den klinischen Teil des Medizinstudiums gibt es an der Universitätsmedizin Göttingen bereits seit 2020 das Wahlfach Culinary Medicine, in dem die Therapie von ernährungsassoziierten Erkrankungen im Vordergrund steht (https://idw-online.de/de/news759813). Es basiert auf dem Konsensuspapier Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP, https://www.dgem.de/sites/default/files/PDFs/Hauner%20H_2019_Leitfaden%20Ern%C3%...). Dieses Lehrangebot wurde bereits erfolgreich evaluiert (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37836565/) und von den Universitäten Gießen, Medizinische Hochschule Brandenburg, Bonn und Graz für das Medizinstudium übernommen (https://idw-online.de/de/news767487). Die Universitäten Kiel und Hohenheim lehren das klinisch zentrierte Wahlfach Culinary Medicine im Studiengang Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften bzw. Ernährungswissenschaft. „Unser gemeinsames Ziel ist, die praxisnahe ernährungsmedizinische Lehre im Medizinstudium zu verbessern und gleichzeitig die interprofessionelle Kooperation mit Ernährungs- und Pflegefachkräften in Ernährungsteams zu verbessern“, so Ellrott.

    Uwe Neumann, Vorsitzender von Culinary Medicine Deutschland e.V., fügt hinzu: „Wir freuen uns sehr, dass Culinary Medicine inzwischen an sechs Standorten gelehrt wird, und laden weitere Universitäten ein, sowohl das klinische als auch das neue vorklinische Wahlfach von uns zu übernehmen und sich am gemeinsamen Weiterentwicklungsprozess zu beteiligen. Mitarbeitende interessierter Universitäten können gern in laufenden Kursen hospitieren.“

    Die Pilotierung des vorklinischen Culinary Medicine-Wahlfachs über die aktuellen lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der DGE an der Universitätsmedizin Göttingen stellt einen wichtigen Schritt dar, um das Fach Ernährungsmedizin besser in der medizinischen Ausbildung zu verankern. Zukünftige Ärztinnen und Ärzte sollen befähigt werden, ihre Patientinnen und Patienten zur Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen mit paralleler Optimierung der planetaren Gesundheit fundiert interprofessionell zu beraten. Durch die Kombination von evidenzbasierter Ernährungsmedizin und praktischer Anwendung in der Lehrküche leistet das Wahlfach einen wichtigen Beitrag zu alltagsnaher Gesundheitsförderung und Prävention. Unterstützt wird das Projekt mit einer Fördersumme von 75.000 Euro durch die Rut-und-Klaus Bahlsen Stiftung.

    Hintergrund

    Rund 70-80 % aller Erkrankungen haben einen Ernährungshintergrund. Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und koronare Herzkrankheiten können durch eine ungünstige Nahrungswahl verursacht oder verschlimmert werden. Obwohl diese ernährungsabhängigen Erkrankungen zu den größten gesundheitlichen Herausforderungen weltweit zählen, ist Ernährungsmedizin im Medizinstudium unzureichend verankert (https://www.dgem.de/sites/default/files/PDFs/Memorandum%20f%C3%BCr%20Lehrst%C3%B...). Gleichzeitig müssen die deutlichen Umweltauswirkungen der derzeitigen Ernährungssysteme berücksichtigt werden, um im Sinne des One Health-Ansatzes neben einer gesundheitsfördernden auch eine klima- und umweltverträglichere Ernährung zu unterstützen (https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2024/0... ). Die Beeinträchtigung der planetaren Gesundheit durch klimatische und Umweltveränderungen, die durch verschiedene Ernährungsmuster vorangetrieben wird, ist mit schwerwiegenden Folgen für die menschliche Gesundheit verbunden wie z.B. verstärkter Hitzebelastung sowie der Zunahme von kardiovaskulären, respiratorischen und Infektionskrankheiten (https://bmjopen.bmj.com/content/11/6/e046333.abstract).

    Das neue Wahlfach Culinary Medicine für die Vorklinik setzt genau hier an: Es bietet Studierenden die Möglichkeit, aktuelle Ernährungsempfehlungen und daraus abgeleitete Präventionsstrategien praxisnah zu erlernen. Besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den Food Based Dietary Guidelines der DGE und der Planetary Health Diet der EAT Lancet Commission (s.o.). In beiden Empfehlungen werden individuelle und planetare Gesundheit synergistisch kombiniert.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. med. Thomas Ellrott
    Leiter des Instituts für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen
    Universitätsmedizin
    Tel.: +49 551 3965100
    E-Mail: thomas.ellrott@med.uni-goettingen.de
    Uwe Neumann
    Vorstandsvorsitzender Culinary Medicine Deutschland e.V.
    Tel.: +49 541 34751310
    E-Mail: uwe.neumann@culinarymedicine.de


    Bilder

    Studierende der Universitätsmedizin Göttingen kochen im Culinary Medicine Wahlfach Vorklinik
    Studierende der Universitätsmedizin Göttingen kochen im Culinary Medicine Wahlfach Vorklinik
    Thomas Ellrott
    © Thomas Ellrott / Culinary Medicine Deutschland e.V.

    Teaching Kitchen im Sportpark Jahnstadion Göttingen. Ansicht der Kochinseln.
    Teaching Kitchen im Sportpark Jahnstadion Göttingen. Ansicht der Kochinseln.
    Thomas Ellrott
    © Thomas Ellrott / Culinary Medicine Deutschland e.V.


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Meer / Klima, Pädagogik / Bildung, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte, Studium und Lehre
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).