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08.10.2024 11:23

Genderinklusive Sprache in Pressetexten betrifft weniger als 1% der Wörter

Dr. Annette Trabold Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Deutsche Sprache

    Eine korpuslinguistische Studie am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim geht mit empirischen Methoden der Frage nach, ob durch genderinklusives Deutsch Texte tatsächlich zu lang und kompliziert werden.

    Um das Thema genderinklusive Sprache wird in den Medien und der gesamten Gesellschaft stark und teilweise leidenschaftlich diskutiert. Empirische Forschungsergebnisse spielen dabei nicht immer eine Rolle, dabei sind sie wichtig für die korrekte Einordnung der Debatte. Ein wiederkehrendes Argument gegen die Verwendung von genderinklusivem Deutsch ist, dass Texte dadurch zu lang und kompliziert werden würden. Manche behaupten, dass genderinklusive Sprache das Erlernen des Deutschen substanziell erschweren würde. Solcherlei Auswirkungen lägen aber nur dann nahe, wenn sich genderinklusiv formulierte Texte tatsächlich stark von nicht-genderinklusiven unterscheiden. Dieses Diskussionsthema haben sich Forschende am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim nun für eine empirische Überprüfung vorgenommen. In ihrer Studie gehen sie der Frage nach, wie viel Textmaterial tatsächlich geändert werden müsste, wenn Texte in eine genderinklusive Form umgeschrieben werden würden.

    In ihrer korpuslinguistischen Studie haben die Forschenden deutschsprachige Pressetexte manuell annotiert (linguistische Informationen hinzugefügt), um jene Teile zu identifizieren, die geändert werden müssten. Dabei haben sie alle Wörter miteinbezogen, die betroffen sein könnten. Das sind nicht nur die Nomen (wie „Forscher“), sondern auch alle anderen relevanten sprachlichen Elemente wie Artikel, Adjektive oder Pronomen. Im Ergebnis zeigt sich: Im Durchschnitt sind weniger als 1 % aller Token (Wörter) von genderinklusiver Sprache betroffen. „Dieser geringe Anteil wirft die Frage auf, ob genderinklusive Sprache ein wesentliches Hindernis für das Verstehen und Erlernen der deutschen Sprache darstellen kann, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die Interpretation von generischen Maskulina auch nicht immer eindeutig ist“, so Prof. Dr. Carolin Müller-Spitzer, Leiterin der Studie. Die Ko-Autorin Samira Ochs ergänzt: „Zudem würden gar nicht alle Änderungen hin zu einer genderinklusiven Formulierung zu einem längeren oder komplexeren Text führen, da einige Wörter im Deutschen gut neutralisiert werden können, z. B. durch Ersetzen eines Lexems wie ‚Lehrer‘ durch den neutralisierenden Ausdruck ‚Lehrkraft‘“. Betrachtet man nur jene Wörter, die sich direkt auf Personen beziehen („Forscher“, „Studenten“, „Mitarbeiter“ usw.), müsste von diesen ungefähr jedes zehnte Wort verändert werden (bspw. „Forschende“, „Studierende“, „Belegschaft“), wenn man einen genderinklusiven Schreibstil verfolgen möchte. Betrachtet man jedoch alle Wörter, muss eben nur ca. jedes hundertste Wort umformuliert werden.

    Zudem zeigt die Studie auch, wie viele Männer, Frauen oder queere Personen in den Texten erwähnt werden, denn diese konkreten Referenzen wurden ebenso manuell annotiert. Ein Ergebnis: in den analysierten Texten der Deutschen Presse Agentur (DPA) werden zu 80% Männer erwähnt, bei der Brigitte hingegen zu 60 % Frauen, queere Personen kommen in der Textbasis der Studie nicht vor.

    Die Komplexität genderinklusiver Sprache muss jedoch weiterhin empirisch untersucht werden, betonen die Autorinnen und Autoren. „Wie immer bei datengestützter Forschung können wir ein empirisch fundiertes Puzzleteil hinzufügen, das aber natürlich nicht alle Fragen beantworten kann“, so Müller-Spitzer. Im Gegenteil: Da die Beschreibung und der Vergleich der Komplexität von sprachlichen Elementen ein schwieriges Unterfangen ist, dienen diese neuen Daten auch dazu, zukünftiger Forschung eine quantitative Grundlage zu liefern – beispielsweise um die Werte mit Anteilen anderer sprachlicher Strukturen zu vergleichen, die im Deutschen als komplex gelten (wie z. B. komplexe Komposita oder tief verschachtelte Sätze). Es wäre außerdem auch wichtig, andere Textsorten zu untersuchen – eine Aufgabe, die auch im Projekt „Empirische Genderlinguistik“ am IDS weiter verfolgt werden wird.


    Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim http://www.ids-mannheim.de ist die gemeinsam vom Bund und allen Bundesländern getragene zentrale wissenschaftliche Einrichtung zur Dokumentation und Erforschung der deutschen Sprache in Gegenwart und neuerer Geschichte. Es gehört zu den über 90 Forschungs- und Serviceeinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft. Näheres unter: http://www.ids-mannheim.de, https://twitter.com/IDS_Mannheim, http://www.facebook.com/ids.mannheim, https://www.instagram.com/ids_mannheim/ und http://www.leibniz-gemeinschaft.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Carolin Müller-Spitzer
    Leibniz-Institut für Deutsche Sprache
    E-Mail: mueller-spitzer@ids-mannheim.de


    Originalpublikation:

    Carolin Müller-Spitzer, Samira Ochs, Alexander Koplenig, Jan-Oliver Rüdiger & Sascha Wolfer: Less than one percent of words would be affected by gender-inclusive language in German press texts, In: Humanities and Social Sciences Communications; https://www.nature.com/articles/s41599-024-03769-w.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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