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15.10.2024 10:25

Neuer Test verbessert Diagnose von Allergien

Nathalie Matter Media Relations, Universität Bern
Universität Bern

    Forschende der Universität Bern und des Inselspitals, Universitätsspital Bern, haben einen Test entwickelt, der die Diagnose von Allergien vereinfachen soll. Dessen Wirksamkeit wurde nun mit klinischen Proben von Kindern und Jugendlichen, die an einer Erdnussallergie leiden, bestätigt. Die Ergebnisse könnten die klinische Diagnostik von Allergien künftig grundlegend verbessern.

    Nahrungsmittelallergien stellen weltweit ein bedeutendes Gesundheitsproblem dar. In einigen Ländern sind bis zu 10% der Bevölkerung betroffen, in erster Linie Kleinkinder. Insbesondere die Erdnussallergie gehört zu den häufigsten Erkrankungen und äussert sich oft in schweren, potenziell lebensbedrohlichen Reaktionen. Die Belastung durch Nahrungsmittelallergien wirkt sich nicht nur auf die betroffenen Personen aus, sondern hat auch weitreichende Auswirkungen auf deren Familien, das Gesundheitssystem und die Lebensmittelindustrie. Der orale Provokationstest, bei dem die Betroffenen das Allergen (z. B. Erdnussextrakt) unter Aufsicht einnehmen, um die allergische Reaktion zu testen, gilt nach wie vor als der Goldstandard in der Diagnostik. Die Methode ist jedoch aufwändig und birgt gesundheitliche Risiken. Auch der Allergen-Prick-Hauttest und der Bluttest sind oftmals nicht sehr genau, was zu Fehldiagnosen und unnötiger Nahrungsmittelvermeidung führen kann.

    Ein Team von Forschenden unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Eggel vom Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und der Universitätsklinik für Rheumatologie und Immunologie, Inselspital, Universitätsspital Bern, und Prof. Dr. Thomas Kaufmann vom Institut für Pharmakologie der Universität Bern, hat 2022 einen alternativen Test entwickelt. Dieser ahmt die allergische Reaktion im Reagenzglas nach und bietet somit eine attraktive Alternative zu gängigen Tests. In einer klinischen Studie haben die Berner Forschenden in Zusammenarbeit mit Partnern vom Hospital for Sick Kids in Toronto, Kanada nun die Wirksamkeit des Tests an Proben von Kindern und Jugendlichen mit bestätigter Erdnuss-Allergie und einer gesunden Kontrollgruppe geprüft. Sie konnten zeigen, dass der neue Test eine höhere diagnostische Genauigkeit hat als die bisher verwendeten Methoden. Die Studie wurde jüngst im European Journal for Allergy and Clinical Immunology (Allergy) publiziert.

    Mastzellaktivierungstest als geeignete Alternative

    «Die häufigsten Nahrungsmittelallergien gehören zu den Typ I Allergien. Sie entstehen, wenn der Körper als Reaktion auf eigentlich harmlose Stoffe (Allergene), Antikörper der Klasse Immunglobulin E (IgE) bildet», erklärt Alexander Eggel. Diese Antikörper binden an spezifische Rezeptoren auf den sogenannten Mastzellen. Dabei handelt es sich um spezialisierte Zellen des Immunsystems, die eine wichtige Rolle bei allergischen Reaktionen und Entzündungen spielen. Sie befinden sich hauptsächlich im Gewebe, etwa in der Darmschleimhaut, und werden durch die Bindung der Antikörper auf das Allergen vorbereitet und sensibilisiert. Bei erneutem Kontakt mit dem Allergen bindet dieses direkt an die mit Antikörpern beladenen Mastzellen, wodurch diese aktiviert werden und eine allergische Reaktion auslösen. «Bei dem von uns entwickelten Hoxb8 Mastzellaktivierungstest (Hoxb8 MAT), werden im Labor gezüchtete Mastzellen mit Blutserum von Allergikerinnen und Allergikern in Kontakt gebracht. Die Mastzellen binden die IgE Antikörper aus dem Serum und werden dadurch sensibilisiert. Anschliessend können wir die Mastzellen mit verschiedenen Mengen der zu testenden Allergene stimulieren» so Eggel. Die Quantifizierung der aktivierten Mastzellen lässt darauf schliessen, wie allergisch ein Patient oder eine Patientin auf das getestete Allergen ist, ohne dass er oder sie das Nahrungsmittel einnehmen muss.

    Höhere diagnostische Genauigkeit als gängige Tests

    Für die Studie wurden Serumproben von insgesamt 112 Kindern und Jugendlichen verwendet, die bereits an einer Studie in Kanada teilgenommen hatten und für die eindeutige diagnostische Daten über ihren Erdnussallergiestatus vorlagen. Die im Labor gezüchteten Mastzellen wurden mit deren Serum sensibilisiert und anschliessend mit Erdnussextrakt stimuliert. «Der zellbasierte Test war einfach durchzuführen und hat einwandfrei funktioniert. Innert zwei Tagen waren alle Proben gemessen, was sehr schnell war», sagt Thomas Kaufmann. Die Ergebnisse zeigten, dass sehr viele Seren der Allergiker und Allergikerinnen eine Allergendosis-abhängige Aktivierung aufwiesen, während fast alle Proben der nicht allergischen Kontrollen die Mastzellen nicht aktivierten. «Aus diesen Daten konnte eine aussergewöhnlich hohe diagnostische Genauigkeit von 95% berechnet werden», ergänzt Eggel.

    Zudem wurden die in der Studie gemessenen Daten im direkten Vergleich mit anderen, in der Klinik etablierten, diagnostischen Methoden analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass der Hoxb8 MAT Test eine merklich höhere Genauigkeit aufwies als die gängige Messung von Allergen-spezifischen IgE- Antikörpern im Blut oder der oft angewandte Hauttest. «Der Quervergleich mit anderen klinischen Tests war enorm wichtig, um herauszufinden welcher von diesen die allergische Reaktion der Betroffenen am verlässlichsten abbildet. Der neue Mastzellaktivierungstest hat den Vorteil, dass er funktionell ist und dadurch viele Parameter, die für die Auslösung der Allergie wichtig sind, mit einbezieht», sagt Thomas Kaufmann und fügt an: «Der neue Test basiert zudem auf stabilem Blutserum, das mittels einfacher Blutentnahme abgenommen und anschliessend im Gefrierschrank aufbewahrt werden kann. Dadurch fallen herausfordernde logistische Hürden, wie sie bei anderen Methoden auftreten, weg.» Die Studie konnte zudem zeigen, dass der Hoxb8 MAT Test zu weniger falsch negativen Resultaten führt.

    «Was in dieser Studie für die Diagnose von Erdnuss-Allergien gezeigt wurde, kann auf einfache Art und Weise auch auf andere Allergien angewandt werden. Die Technologie ist ein perfektes Beispiel, wie Grundlagenforschung aus der Universität Bern zur klinischen Anwendung gebracht werden kann, und schlussendlich Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzten das Leben vereinfachen könnte», sagt Eggel abschliessend.

    Zertifizierung des Tests durch spinoff Firma

    Die beteiligten Forscher der Universität Bern haben die Technologie und Methodik des HoxB8 MAT 2022 patentieren lassen. Anschliessend gründeten Noemi Bachmeier-Zbären, Erstautorin der aktuellen Studie, Thomas Kaufmann und Alexander Eggel zusammen mit dem emeritierten Harvard-Professor Jean-Pierre Kinet, die in Bern ansässige spinoff Firma ATANIS Biotech AG. Für ihre Geschäftsidee wurde das spinoff mit dem Stage Up-Award 2022 ausgezeichnet. ATANIS will den neuen Allergietest zertifizieren und weltweit auf den Markt bringen. Die Firma, die mittlerweile über 20 Angestellte beschäftigt, hat zum Ziel, die Allergiediagnostik weltweit zu revolutionieren.
    Department for BioMedical Research (DBMR)

    Das Department for BioMedical Research (DBMR) der Medizinischen Fakultät der Universität Bern wurde 1994 von der Universität Bern und dem Inselspital, Universitätsspital Bern gegründet. Das DBMR ist in 13 Forschungsprogramme mit rund 100 teilnehmenden Einzellabors und mehreren unabhängigen Forschungslabors unterteilt, deren Forschung sich über alle biomedizinischen Bereiche erstreckt. Um die Lücke zwischen Labor und Krankenbett zu schliessen, fördert das DBMR klinische Forschung mit einem starken Schwerpunkt auf der Entwicklung translationaler Ansätze, dem Einsatz von «Omics» und anderen Spitzentechnologien sowie einer umfassenden Zusammenarbeit zwischen laborgestützter und patientenorientierter klinischer Forschung. Die DBMR setzt sich auch für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Alexander Eggel
    Department for BioMedical Research (DBMR), Universität Bern, und Universitätsklinik für Rheumatologie und Immunologie, Inselspital, Universitätsspital Bern
    Telefon +41 31 632 22 87
    alexander.eggel@unibe.ch

    Prof. Dr. Thomas Kaufmann
    Institut für Pharmakologie, Universität Bern
    Telefon +41 31 684 09 06
    thomas.kaufmann@unibe.ch


    Originalpublikation:

    Angaben zur Publikation:
    Noemi Bachmeier-Zbären, Alper Celik, Robin van Brummelen, Nadine Roos, Melanie Steinmann, Jennifer A. Hoang, Xiaojun Yin, Christina M. Ditlof, Lucy Duan, Julia E.M. Upton, MONAS working group, Thomas Kaufmann, Alexander Eggel and Thomas Eiwegger. Clinical utility analysis of the Hoxb8 mast cell activation test for the diagnosis of peanut allergy. Allergy (2024)

    URL: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/all.16341
    DOI:10.1111/all.16341.


    Weitere Informationen:

    https://mediarelations.unibe.ch/medienmitteilungen/2024/medienmitteilungen_2024/...
    https://www.atanis-biotech.com/


    Bilder

    Assoz. Prof. Dr. Alexander Eggel Department for BioMedical Research (DBMR), Lung Precision Medicine, Universität Bern, und Universitätsklinik für Rheumatologie und Immunologie, Inselspital Bern
    Assoz. Prof. Dr. Alexander Eggel Department for BioMedical Research (DBMR), Lung Precision Medicine, ...

    zvg

    Assoz. Prof. Dr. Thomas Kaufmann  Institut für Pharmakologie, Universität Bern
    Assoz. Prof. Dr. Thomas Kaufmann Institut für Pharmakologie, Universität Bern

    Thomas Kaufmann


    Anhang
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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