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16.10.2024 10:29

Teuerungsraten für alle Haushaltstypen unter zwei Prozent – EZB sollte deutliches Signal für Zinssenkungen setzen

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Neue Werte des IMK Inflationsmonitors

    Teuerungsraten für alle Haushaltstypen deutlich unter zwei Prozent – EZB sollte Donnerstag deutliches Signal für Zinssenkungen setzen

    Die Inflationsrate in Deutschland ist im September gegenüber August von 1,9 auf 1,6 Prozent gesunken.

    Damit lag sie erstmals seit März 2021 wieder deutlich unter dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Hauptgrund dafür war ein kräftiger Rückgang der Energiepreise. Die Kernrate der Inflation, also die Teuerung ohne die relativ stark schwankenden Komponenten Energie und weitgefasste Lebensmittel, stieg minimal auf 2,7 Prozent. Allerdings schwächte sich der darin enthaltene Anstieg der Dienstleistungspreise etwas ab. Zudem ist die Kernrate durch zwei Sondereffekte überzeichnet: Die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auf Speisen im Gastgewerbe vom Jahresanfang trägt aktuell 0,3 Prozentpunkte zur Kernrate bei, ebenso groß ist der Effekt der seit Jahresbeginn kräftig gestiegenen Preise für Kfz-Versicherungen. Die Inflationsraten verschiedener Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, sind im September ebenfalls weiter zurückgegangen. Der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten haushaltsspezifischen Inflationsrate betrug 0,8 Prozentpunkte. Während insbesondere ärmere Familien im Mittel des Jahres 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Teuerung schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate im September 2024 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Paaren mit Kindern und niedrigen Einkommen verteuerte sich nur um 0,9 Prozent. Dabei wirkte sich aus, dass sowohl die Preisrückgänge bei Haushaltsenergie als auch bei Kraftstoffen in ihrem Warenkorb ein relativ hohes Gewicht haben. Das gilt auch bei Alleinerziehenden und bei Paaren mit Kindern und jeweils mittleren Einkommen, deren Teuerungsraten mit 1,0 und 1,2 Prozent im Haushaltsvergleich ebenfalls niedrig waren (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt.*

    Insgesamt lagen die Inflationsraten aller untersuchten neun Haushaltstypen im September deutlich unter zwei Prozent. Zum Jahresende dürfte die Teuerung zwar noch einmal kurzzeitig etwas über zwei Prozent betragen, dann „aber das Inflationsziel bereits im ersten Quartal 2025 nachhaltig erreichen“, analysiert Dr. Silke Tober, IMK-Inflationsexpertin.

    Da gleichzeitig die Konjunkturentwicklung auch aufgrund der hohen Zinsen sehr schwach ist, hält die Autorin des IMK Inflationsmonitors weitere entschlossene Zinssenkungen durch die EZB für dringend erforderlich: „Aktuell dämpft die EZB die wirtschaftliche Aktivität gezielt und verhindert dadurch dringend erforderliche Investitionen“, warnt die geldpolitische Expertin. Das treffe auch „notwendige Investitionen in die Dekarbonisierung und auch Produkt- und Prozessinnovationen, die die Unternehmen benötigen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.“ Zudem steige durch jetzt zu zögerliches Vorgehen das Risiko, dass die Zentralbank im kommenden Jahr unter Zeitdruck Zinssenkungen „unter das neutrale Niveau“ vornehmen muss, was ein Einstieg in einen Zickzackkurs sein und für weitere Verunsicherung bei Unternehmen und Konsument*innen sorgen könnte. „Daher sollte die EZB auf ihrer Sitzung am Donnerstag nicht nur die Zinsen erneut senken, sondern auch signalisieren, dass sie die Zinsen zügig aus dem restriktiven Bereich führen wird“, empfiehlt Tober.

    Das IMK berechnet seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden (mehr zu den Typen und zur Methode unten und in der Abbildung in der pdf-Version). In einer Datenbank liefert der Inflationsmonitor zudem ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen (Link unten).

    Die längerfristige Betrachtung illustriert, dass ärmere Haushalte, insbesondere Familien, während der Teuerungswelle bis in den Sommer 2023 hinein besonders stark durch die Inflation belastet waren, weil sie einen großen Teil ihres schmalen Budgets für Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Energie ausgeben müssen. Diese waren lange die stärksten Preistreiber. Im Laufe der vergangenen zwölf Monate hat die Preisdynamik dort aber nachgelassen, so dass sich die einkommensspezifischen Differenzen seit dem Höhepunkt im Oktober 2022 deutlich verändert haben. Damals hatten Familien mit niedrigen Einkommen die höchste Inflationsbelastung im Haushaltsvergleich mit 11,0 Prozent. Dagegen waren es beim Haushaltstyp der Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen 7,9 Prozent.

    Aktuell verteuern sich die spezifischen Warenkörbe von ärmeren Familien weniger stark als der Durchschnitt, weil sie wegen der Kinder häufig ein Auto haben, weshalb sich nicht nur die gesunkenen Preise für Haushaltsenergie, sondern auch für Kraftstoffe bei ihnen auswirken – so auch wie bei den anderen untersuchten Haushaltstypen mit Kindern. Alleinlebende mit niedrigen Einkommen besitzen dagegen selten ein Auto. Daher sank ihre Inflationsrate von August auf September weniger stark und liegt aktuell bei 1,3 Prozent, ebenso hoch ist sie bei Alleinlebenden mit mittleren bzw. höheren Einkommen. Dass wiederum Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 1,7 Prozent im September – wie auch in den Monaten zuvor – eine leicht höhere Inflationsrate hatten als die übrigen Haushalte im Vergleich, liegt daran, dass sie stärker als andere etwa Kfz-Versicherungen, Restaurantdienstleistungen, Pauschalreisen oder Hotelübernachtungen nachfragen, die in den vergangenen Monaten eine überdurchschnittliche Teuerungsrate aufwiesen. Das gilt, leicht abgeschwächt, auch für Paaren mit Kindern und hohen Einkommen sowie für Paare ohne Kinder mit mittleren Einkommen, deren Warenkörbe sich im September um 1,5 bzw. 1,4 Prozent verteuerten.

    -Trotz normalisierter Inflationsdynamik: Teuerungswelle wirkt nach-

    „Es ist erfreulich und ein wichtiges Signal für die EZB, dass die Inflationsraten für alle Haushalte aktuell spürbar unter zwei Prozent liegen“, sagt Geldpolitik-Expertin Tober. „Allerdings wird die Teuerungswelle der Jahre 2021 bis 2023 sowohl beim Preisniveau insgesamt als auch im wichtigen Bereich Energie bis auf Weiteres deutliche Spuren hinterlassen.“ So lagen die Energiepreise trotz der letzten Rückgänge im September 2024 um 38 Prozent höher als Anfang 2021. Nahrungsmittel waren 35 Prozent teurer als vier Jahre zuvor.

    -Informationen zum Inflationsmonitor-

    Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Silke Tober
    IMK-Expertin für Geldpolitik
    Tel.: 0211-7778-336
    E-Mail: Silke-Tober@boeckler.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211-7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Originalpublikation:

    *Silke Tober: IMK Inflationsmonitor: Inflation fällt im September 2024 auf 1,6 %, Energiepreise trotz Rückgangs auf hohem Niveau, IMK Policy Brief Nr. 178, Oktober 2024. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-008968

    Die PM mit Abbildung (pdf): https://www.boeckler.de/pdf/pm_imk_2024_10_16.pdf

    Ergebnisse des Inflationsmonitors in interaktiven Grafiken: https://www.imk-boeckler.de/de/imk-inflationsmonitor-51365.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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