idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
18.11.2024 09:45

Virologie: Wenn Hepatitis-E-Viren Nervenzellen angreifen

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Hepatitis-E-Viren (HEV) verursachen normalerweise Leberinfektionen. Sie können aber auch andere Organe befallen und insbesondere neurologische Erkrankungen auslösen. Über die Details ist noch wenig bekannt. Ein Forschungsteam um Michelle Jagst und Prof. Dr. Eike Steinmann aus der Abteilung Molekulare und Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum hat in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Dr. Barbara Gisevius aus dem Forschungszentrum Neuroimmunologie von Prof. Dr. Ralf Gold ein Zellmodell entwickelt, an dem sich die Interaktion des Virus mit Nervenzellen erstmals untersuchen lässt.

    Damit gelang der Nachweis, dass das Virus die Zellen direkt infizieren kann und dass die Zellen sich davor nicht durch eine Immunreaktion schützen können. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) vom 15. November 2024.

    Hepatitis E tritt weltweit häufig auf, verläuft aber oft unbemerkt. „Genaue Daten über die Häufigkeit neurologischer Auswirkungen der Infektion gibt es nicht“, sagt Michelle Jagst. Bekannt ist, dass bis zu elf Prozent der Patienten mit bestimmten neurologischen Krankheitsbildern wie Guillain-Barré-Syndrom oder Neuralgische Amyotrophie Antikörper gegen HEV aufweisen oder mit dem Virus infiziert sind.

    Zellen werden direkt infiziert

    Um mehr Licht ins Dunkel bringen zu können, nutzt die Forschungsgruppe ein Zellmodell, das im Forschungszentrum Neuroimmunologie entwickelt wurde und mit dem sich erstmals untersuchen lässt, was Hepatitis-E-Viren mit Nervenzellen machen. „Dazu werden menschliche Nierenzellen genutzt, welche mit dem Urin ausgeschieden werden, und so umprogrammiert, dass sie sich zu Nervenzellen entwickeln“, erklärt Barbara Gisevius. Mithilfe dieser sogenannten primären Neuronen konnten die Forschenden feststellen, dass Hepatitis-E-Viren in der Lage sind, die Nervenzellen direkt zu infizieren. Die Nervenzellen verfügen über eine geringe Immunantwort gegen das Virus, können sich also selbst nicht davor schützen.

    „Das bedeutet, dass die neurologischen Auswirkungen von HEV zumindest zum Teil auf einer direkten Infektion der Nervenzellen beruhen könnten und nicht ausschließlich auf anderen Mechanismen wie etwa einer Reaktion des Immunsystems, auch wenn diese eine zusätzliche Rolle spielen könnten“, so Eike Steinmann. Außerdem konnten die Forschenden beobachten, dass sich bei HEV-Kontakt die Fortsätze der Nervenzellen verkürzen. „Das ist ein Hinweis auf morphologische Veränderungen durch das Virus, die auch bei anderen viralen Erkrankungen zu beobachten sind“, so die Forschenden.

    Die Forschenden werden in Zukunft weiter daran arbeiten, die Interaktion zwischen HEV und Neuronen zu verstehen. „Interessant wäre zum Beispiel der Vergleich zwischen den Nervenzellen gesunder und HEV-infizierter Menschen“, so Michelle Jagst.

    Hepatitis E

    Das Hepatitis-E-Virus (HEV) ist der Hauptverursacher akuter Virushepatitiden. Rund 70.000 Menschen sterben jährlich an der Krankheit. Nach dem ersten dokumentierten epidemischen Ausbruch 1955 bis 1956 vergingen mehr als 50 Jahre, bis Forschende sich intensiv des Themas annahmen. Akute Infektionen heilen bei Patientinnen und Patienten mit intaktem Immunsystem normalerweise von selbst aus. Bei Betroffenen mit reduziertem oder unterdrücktem Immunsystem wie Organtransplantatempfängern oder HIV-Infizierten kann HEV chronisch werden. Auch für schwangere Frauen ist HEV besonders bedrohlich. Eine Impfung oder einen spezifischen Wirkstoff gibt es nicht.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Michelle Jagst
    Molekulare und Medizinische Virologie
    Medizinische Fakultät
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 23189
    E-Mail: michelle.jagst@ruhr-uni-bochum.de

    Prof. Dr. Eike Steinmann
    Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie
    Medizinische Fakultät
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 28189
    E-Mail: eike.steinmann@ruhr-uni-bochum.de


    Originalpublikation:

    Michelle Jagst et al.: Modeling Extrahepatic Hepatitis E Virus Infection in Induced Human Primary Neurons, in: PNAS, 2024, DOI: 10.1073/pnas.2411434121


    Bilder

    Mit Hepatitis E infizierte primäre Neurone aus menschlichen Nierenzellen, die mit dem Urin ausgeschieden werden
    Mit Hepatitis E infizierte primäre Neurone aus menschlichen Nierenzellen, die mit dem Urin ausgeschi ...

    © Molekulare und Medizinische Virologie, RUB


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).