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Wissenschaft
Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg veranstaltet im Wintersemester 2024/25 eine Vorlesungsreihe zur Frage „Was ist gerecht? Globale Vorstellungen und Perspektiven“. Gerechtigkeit ist eines der zentralen Themen unserer Zeit. Forderungen nach Gerechtigkeit prägen soziale, politische und wirtschaftliche Entscheidungsprozesse. Doch was bedeutet „gerecht“ in verschiedenen Kulturen und Rechtsordnungen oder mit Blick auf den Klimawandel? Ausgewiesene Expertinnen und Experten halten im Dezember und Januar vier Vorträge in Hamburg, im Gartensaal vom Hotel Baseler Hof.
Zum Auftakt am 4. Dezember 2024 um 19:00 Uhr spricht Prof. Dr. Sigrid Boysen, Professorin für Völkerrecht und Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht, über das Thema „Klimagerechtigkeit – Zwischen Green Deals und Ressourcenkonflikten“.
Die Vorlesungsreihe der Akademie der Wissenschaften in Hamburg gibt Einblicke in kulturell spezifische Gerechtigkeitsansätze und beschäftigt sich mit Gerechtigkeitskonflikten. Auf dem Programm stehen unter anderem Gerechtigkeitskonzepte im Buddhismus, aktuelle Debatten im Völkerrecht zur Klimapolitik, der Beitrag westlicher Wissenschaft zur Implementierung ungerechter Machtpolitik in Indien und die Frage, wie das deutsche Recht mit islamischem Erb- und Familienrecht umgeht.
Eine zentrale Voraussetzung für eine fundierte Diskussion über Gerechtigkeit ist der interdisziplinäre Austausch. Die Vorlesungsreihe unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit über Fächergrenzen hinweg – ein Prinzip, das die wissenschaftsbasierte Arbeit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg prägt. Die Erkenntnisse aus verschiedenen Fachrichtungen tragen dazu bei, ein umfassendes Bild von Gerechtigkeitsvorstellungen und deren kultureller Bedingtheit zu gewinnen.
Die Vorträge beginnen jeweils um 19:00 Uhr.
Ort der Vortragsreihe: Gartensaal vom Hotel Baseler Hof
Esplanade 15, 20354 Hamburg
Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.
Für die Teilnahme im Baseler Hof ist eine Anmeldung erforderlich unter veranstaltungen@awhamburg.de
Sie erhalten von uns eine Bestätigung.
Mittwoch, 4. Dezember 2024, 19:00 Uhr
Klimagerechtigkeit – Zwischen Green Deals und Ressourcenkonflikten
Prof. Dr. Sigrid Boysen (Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg / Hamburgisches Verfassungsgericht)
Die Europäische Union hat mit dem European Green Deal ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm gestartet, das Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen soll. Ein zentraler Baustein des Green Deals und der mit ihm verfolgten Strategie des „grünen Wachstums“ ist der Zugang der EU zu „kritischen“, das heißt wirtschaftlich wichtigen Rohstoffen mit hohem Risiko bezüglich der Versorgungssicherheit. Ihre Verfügbarkeit soll durch das neue Gesetz zu kritischen Rohstoffen (CRMA) sichergestellt werden. Doch wie beeinflusst diese Rohstoffstrategie soziale und ökologische Gerechtigkeit – in Europa und weltweit? Der Vortrag beleuchtet die internationalen Konflikte rund um die Gewinnung und Verteilung dieser Rohstoffe und nimmt dabei koloniale Kontinuitäten und die Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung in den Blick.
Prof. Dr. Sigrid Boysen ist seit 2014 Professorin für Völkerrecht an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg und seit 2022 Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht. Seit 2015 ist sie Mitherausgeberin der Zeitschrift Archiv des Völkerrechts. Ihre Forschungsschwerpunkte sind das europäische und internationale Wirtschafts- und Umweltrecht. Veröffentlicht hat sie unter anderem die Monographie „Die postkoloniale Konstellation. Natürliche Ressourcen und das Völkerrecht der Moderne“ (2021) sowie „Allgemeine Geschäftsbedingungen globaler Ungleichheit“, Zeitschrift für Ideengeschichte (1/2023).
Grußwort und Moderation: Prof. Dr. Anna Margaretha Horatschek
Professorin für Englische Literaturwissenschaft und Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Hamburg
Donnerstag, 12. Dezember 2024, 19:00 Uhr
(Un)Gerechtes Denken: Wissen und Wissenschaft als Instrumente globaler Machtpolitik
Prof. Dr. Anna Margaretha Horatschek (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
Der weltweite Siegeszug von westlichen Standards für das, was als Wissen oder als Wissenschaft gilt, führt dazu – wie der Weltbildungsbericht der UNESCO bereits 2005 feststellte – , dass andere Wissensformen wie indigenes Wissen oder mündlich überlieferte Traditionen abgewertet werden, obwohl diese Wissensbestände der Lösung lokaler Probleme häufig angemessener sind als mit westlichen Wissen(schaft)smethoden produzierte Vorschläge. Eine solche epistemische Ungerechtigkeit beschreibt Amitav Ghosh in seinem Roman The Hungry Tide (2004; Hunger der Gezeiten, 2006) am Beispiel eines historischen Massakers, das 1979 an Bewohnern der indischen Sundarbans verübt wurde. Die offizielle Begründung lautete, dass sie sich unrechtmäßigerweise in dem von der UNESCO 1973 zum Sundarban Tiger Reserve und 1977 zum Naturschutzgebiet erklärten Gebiet angesiedelt hätten. Der Vortrag zeigt ausgehend von diesem Roman den Beitrag westlicher Wissenschaft zu epistemischer Ungerechtigkeit und ihren möglichen Folgen im globalen Maßstab.
Prof. Dr. Anna Margaretha Horatschek studierte Anglistik, Germanistik und Philosophie in Freiburg, Berkeley, USA, und Mannheim. Von 2000 bis 2018 war sie Professorin für Englische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, von 2016 bis 2021 Vizepräsidentin der Akademie der Wissenschaften in Hamburg. Gegenwärtige Forschungsschwerpunkte: Indian English Literatures, Wissensproduktion, Identität und Alterität, Social Epistemology. Neuere Publikationen u.a.: “From Knowledge to Knowledges: An Introduction”. In: Competing Knowledges. Wissen im Widerstreit. Hrsg. A.M. Horatschek (2020); “Consciousness Studies: Which Consciousness? What Studies?” In: Consciousness Studies in Sciences and Humanities: Eastern and Western Perspectives. Hrsg. P. S. Satsangi, A. M. Horatschek, A. Srivastav (2024).
Moderation: Prof. Dr. Stefan Oeter
Professor für Öffentliches Recht, Völkerrecht und ausländisches Öffentliches Recht an der Universität Hamburg und Vorstandsmitglied der Akademie der Wissenschaften in Hamburg
Donnerstag, 9. Januar 2025, 19:00 Uhr
Zwischen Toleranz und Geschlechtergleichbehandlung – Reaktionen der deutschen Rechtsprechung und Gesetzgebung auf islamisch geprägtes Familien- und Erbrecht
Prof. Dr. Lukas Rademacher (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
Deutsche Gerichte entscheiden grenzüberschreitende Fälle nicht notwendigerweise nach deutschem Recht. Die Vorschriften des internationalen Privatrechts können vielmehr die Anwendung ausländischen Rechts vorgeben. Das deutsche Privatrecht erhebt keinen universellen Anwendungsanspruch. Insbesondere wenn das internationale Privatrecht islamisch geprägtes Familien- und Erbrecht für anwendbar erklärt, können infolgedessen inländische und ausländische Gerechtigkeitsvorstellungen kollidieren. Problematische Fälle ergeben sich vor allem im Zusammenhang mit Ungleichbehandlungen der Geschlechter und dem Ehemündigkeitsalter. Überwiegend ist es den Gerichten überlassen, derartige Konflikte einzelfallgerecht aufzulösen. Zu bestimmten Fragen hat die deutsche Gesetzgebung jedoch dezidierte Vorgaben getroffen. Der Vortrag zeichnet diese Entwicklungen nach und fragt, wie tolerant die deutsche Rechtsprechung und Gesetzgebung mit islamisch geprägten Familien- und Erbrechten umgehen.
Prof. Dr. Lukas Rademacher studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Düsseldorf und Oxford, wurde an der Universität Münster promoviert und habilitierte sich an der Universität zu Köln. Seit 2023 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Co-Direktor des Instituts für Europäisches und Internationales Privat- und Verfahrensrecht.
Moderation: Prof. Dr. Anna Margaretha Horatschek
Professorin für Englische Literaturwissenschaft und Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Hamburg
Donnerstag, 23. Januar 2025, 19:00 Uhr
Menschenwürde und Menschenrechte. Buddhistische Perspektiven
Prof. Dr. Andreas Nehring (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen)
In Indien bezeichnet man die unterste Gruppe der hinduistischen Gesellschaft als Dalits, im Rahmen des Kastensystems nennt man sie auch die „Unberührbaren“. Während in Indien der Kampf um Menschenwürde für Dalits über eine Konversionspolitik zum Buddhismus geführt wurde, kämpfen Buddhisten in Myanmar für die Einhaltung der Menschenrechte in einem Staat, der Religionen zwar toleriert, ihre öffentlichen Artikulationen aber brutal unterdrückt. Zur Disposition steht die Bedeutung von Menschenrechten in asiatischen Ländern. Zur Disposition steht auch, inwieweit Menschenrechte universale Gültigkeit beanspruchen können und wie sie politisch durchgesetzt werden können. In dem Vortrag wird diskutiert, welche Ansätze sich aus der buddhistischen Tradition für die Debatte um Menschenrechte ergeben und wie diese in ein Gespräch mit gegenwärtigen westlichen philosophischen Debatten um die Menschenrechte gebracht werden können.
Prof. Dr. Andreas Nehring studierte Theologie mit Schwerpunkt Religionswissenschaft und Religionsgeschichte von 1979 bis 1985 in Neuendettelsau, Hamburg, Bangalore/Indien und Heidelberg. Nach Auslandsaufenthalt in Japan, Promotion im Fach Missions- und Religionswissenschaften über Rissho Kosei Kai und vier Jahren als Dozent für Religionswissenschaft in Chennai (Madras)/Indien war Andreas Nehring von 2006 bis 2023 Inhaber des Lehrstuhls für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 2022 wirkt er als Direktor der Center of Advanced Studies-Erlangen (CAS-E). Arbeitsschwerpunkte: Religionen in Indien, Interkulturelle Theologie, Achtsamkeit im Buddhismus, Orientalismus und Postkolonialismus, Verschiebungen im Religionsdiskurs.
Moderation: Prof. Dr. Anna Margaretha Horatschek
Professorin für Englische Literaturwissenschaft und Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Hamburg
Über gegebenenfalls eintretende kurzfristige Änderungen informieren Sie sich bitte zeitnah zur Veranstaltung auf unserer Website www.awhamburg.de
Arbeitsgruppe „Gerechtigkeitsvorstellungen im globalen Vergleich“ der Akademie ➤ https://www.awhamburg.de/forschung/arbeitsgruppen/gerechtigkeitsvorstellungen.ht...
Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg lädt Sie herzlich zu den Veranstaltungen der Vorlesungsreihe ein. Wir freuen uns über Ihr Interesse und eine redaktionelle Erwähnung in Ihrem Medium.
Medien-Kontakt:
Dagmar Penzlin
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – Akademie der Wissenschaften in Hamburg
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Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg
Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg vereint Spitzenforscherinnen und -forscher aus allen Bereichen der Wissenschaft in Norddeutschland. Sie trägt dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen Fächern, Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Institutionen zu intensivieren. Sie fördert Forschungen zu gesellschaftlich bedeutenden Zukunftsfragen und wissenschaftlichen Grundlagenproblemen und macht es sich zur besonderen Aufgabe, Impulse für den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu setzen. Präsident der Akademie ist seit 2022 Prof. Dr. Mojib Latif. Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg ist Mitglied der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Grundausstattung der Akademie der Wissenschaften wird von der Freien und Hansestadt Hamburg finanziert.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Meer / Klima, Recht, Religion, Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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