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Der Start der elektronischen Patientenakte ab Januar 2025 bringt für Patientinnen und Patienten erhebliche Vorteile in Sachen Labormedizin. Vor allem das tagelange Warten auf die Aushändigung der Ergebnisse beim behandelnden Arzt könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Das Online-Magazin der DGKL, MedLabPortal, interviewte dazu im Rahmen der Serie NACHGEFRAGT den promovierten Labormediziner Jakob Adler.
MedLabPortal: Herr Dr. Adler, wir haben mit Ihnen vor kurzer Zeit über MIO und Laborbefunde geredet, vor rund einer Woche waren Sie auf dem ersten Laborfrühstück der DGKL in Berlin als Experte für eben diese Bereiche dabei. Um was ging es da?
Adler: Jetzt zum 15.01.2025 startet die „ePA für alle“, also die elektronische Patientenakte, die jede gesetzlich versicherte Person erhält. Später natürlich auch die privat versicherten Menschen. Es wird verschiedenen Elemente in dieser ePA geben, zum Beispiel den elektronischen Medikationsplan, das U-Heft, den Mutterpass und eben auch den Laborbefund, der meiner Meinung nach eine ganz besondere Rolle spielen wird.
MedLabPortal: Warum das?
Adler: Ganz einfach: Zum ersten Mal werden Patienten standardmäßig Zugriff auf ihre Laborbefunde haben. Das war bisher in der Breite nicht gegeben. Damit diese Daten dann auch sinnvoll nutzbar sind, also in einem Format vorliegen, mit dem ein Computer umgehen kann, wurde das Medizinische Informationsobjekt (MIO) Laborbefund gebaut. Dieses Tool wird aktuell optimiert, damit es laut aktuellem Plan dann 2026 starten kann. Beim Laborfrühstück der DGKL haben wir über das MIO-Laborbefund gesprochen und hatten einen regen Austausch mit den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens. Am Ende war uns klar: Das MIO-Laborbefund wird entscheidend zum Erfolg der ePA beitragen, weil es so etwas bisher noch nicht gab.
MedLabPortal: Der Nutzen des MIO-Laborbefund ist also für den Patienten direkt sichtbar?
Adler: Genau. Die Patienten werden zum Arzt gehen und wenn Ihnen dort Blut abgenommen wird, wird nach erfolgter Analyse der laborärztliche Befund in die ePA des Patienten eingestellt. Der Patient kann dann also sehen, was bei den Laboranalysen herausgekommen ist. Er muss nicht wie bisher bis zum nächsten Arzttermin warten, um eine Kopie bzw. einen Ausdruck der Laborwerte zu erhalten. Die Ergebnisse bekommt man direkt in der ePA-App.
MedLabPortal: Jetzt ist es aber so, dass ohne Einwilligung für die elektronische Patientenakte auch keine MIO Laborbefunde für diesen Patienten erfolgen werden. Macht das für Sie als Labormediziner den Alltag nicht schwerer, als leichter?
Adler: Das mag vielleicht auf den ersten Blick so scheinen aber wir müssen uns hier die verschiedenen Ausbaustufen der ePA anschauen. Zu Beginn (also Anfang 2026) wird es so sein, dass der Patient beim Arzt seine Einwilligung gibt, die Laborbefunde in die ePA übertragen zu lassen. Nach der Blutentnahme erfolgt die Analyse durch das Labor, das wiederum die Ergebnisse zurück an den Arzt übermittelt. Der stellt die Befunde in die ePA ein – oder bestellt den Patienten erst einmal ein, um schwieriger zu verstehende Laborwerte mit diesem zu besprechen. Später sollen dann auch die Labore selbst die Befunde direkt in die ePA einstellen können. Das wird die Zeit von der Blutentnahme bis zum für den Patienten sichtbaren Befund enorm verkürzen, denn schon heute sind bis zu 95% der Laborergebnisse taggleich fertig. Aber ja, das stimmt, der Patient muss immer sein Einverständnis geben, damit die Informationen in der ePA landen.
MedLabPortal: Ist die Opt-Out Regelung die bessere Variante? Die ePA ist da, nur wer explizit ablehnt, ist dann raus…
Adler: Genau das haben wir mit der „ePA für alle“. Es handelt sich um eine Opt-Out ePA. Nur wenn man explizit widerspricht, legt die eigene Krankenkasse keine ePA an. Man kann das jederzeit revidieren und sich eine EPA anlegen lassen – oder auch im Nachgang die ePA wieder löschen lassen. Hier sieht man schon, worum es geht: eine von den Menschen selbst geführte Patientenakte, die die Autonomie stärken soll. Letztendlich kann man aber die Zugriffsrechte auf die eigene ePA jederzeit in der App bzw. bei der Krankenkasse selbst steuern. Auch wenn es eine Opt-Out ePA ist, liegt die Hoheit über die ePA beim Patienten.
MedLabPortal: Ein echtes Problem ist die Cybersicherheit im Gesundheitswesen. Die USA zeigen gerade: Fast jede kritische Infrastruktur im Gesundheitswesen wurde angegriffen. Wir wagen die Aussage, dass es hierzulande nicht besser steht. Was raten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen im Umgang mit digitalen MIO Labordaten?
Adler: Hier besteht klar die Aufgabe der gematik (der Digitalagentur für das deutsche Gesundheitswesen), das „Internet des Deutschen Gesundheitswesens“, genannt Telematik-Infrastruktur, möglichst sicher aufzustellen. Die gematik legt fest, welche Sicherheitsstandards eingesetzt werden müssen, und nur zertifizierte Softwareanbieter dürfen dann an der Telematikinfrastruktur teilnehmen. Wir benutzen also eine vom klassischen Internet getrennte Infrastruktur. Für die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen und natürlich auch für uns im Labor bedeutet dass, das wir nur diese Software einsetzen sollten. Darüber hinaus sollten alle klassischen Regeln der Cybersicherheit eingehalten werden. Die größten Gefahren entstehen immer noch durch „Social Engineering“, also dem Betrug der Menschen, die die Systeme nutzen. Mit sicheren Passwörtern, Nutzung moderner Software und einer Sensibilität für Phishing-Emails hat man schon einmal eine gute Basis.
MedLabPortal: Zum Schluss noch die pragmatische Frage: Was soll der niedergelassene Hausarzt tun, wenn er zwar alles schön digital vorliegen hat, und die Werte trotzdem nicht interpretieren kann?
Adler: Ein Anruf beim Labormediziner des Vertrauens schadet nie (lacht). Wir helfen gerne weiter.
Das Interview führten Marita Vollborn und Vlad Georgescu.
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