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13.08.2004 10:13

Freiheit, die wir meinen

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Interdisziplinäres Forschungsprojekt zu Freiheitsvorstellungen in der frühen Neuzeit an der Universität Jena gestartet

    Jena (13.08.04) Seine Untertanen zu Soldaten zu machen und sie dann an ein fremdes Heer zu verkaufen, gehörte auch in der frühen Neuzeit gewiss nicht zu den Freiheiten eines Herrschers. Dennoch ist es geschehen, weil sich deutsche Fürsten eine solche Freiheit herausnahmen und gleichzeitig die Freiheitsvorstellungen ihrer Bürger und Untertanen ignorierten. Freiheit wird - und wurde zu allen Zeiten - unterschiedlich empfunden und bewertet. Auch Freiheitsvorstellungen von Gruppen sind vielfältig, bislang aber nur unzureichend erforscht. Diese Lücke beginnt nun ein interdisziplinäres Projekt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu schließen. Es untersucht "Kollektive Freiheitsvorstellungen im frühneuzeitlichen Europa (ca. 1500-1800)". Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat jetzt für die Freiheitsforscher eine Förderung von fünf halben Doktorandenstellen sowie 22.500 Euro an Sach- und Reisemitteln für drei Jahre gewährt.

    Den Jenaer Historikern, Theologen, Altertums- und Literaturwissenschaftlern geht es nicht um die individuellen, sondern um die mit anderen geteilten Freiheitsvorstellungen in verschiedenen Ländern Europas. Im Mittelpunkt der Forschung stehen die Freiheitsideen, -ideale und -realitäten von Städten, Staaten, Religionen, Ethnien, Herrschaften und Nationen. Ihre Vorstellungen dienten meist dazu, das Eigene vom Fremden abzugrenzen und dadurch Einheit und Einigkeit zu erreichen: Freiheit stiftete - und stiftet noch heute - Identität.

    "Freiheit ist ein absoluter Begriff, wird aber natürlich unterschiedlich definiert", unterstreicht Prof. Dr. Georg Schmidt. "Dazu gehört z. B. auch der Anspruch auf selbstverantwortliches Regieren und politische Partizipationsmöglichkeiten", so der Frühneuzeit-Historiker weiter. Im neuen Projekt geht es um Konzepte "kollektiver Freiheit" in verschiedenen politischen Kulturen. Dabei soll aber nicht vernachlässigt werden, dass Freiheitsrechte des Einzelnen häufig als Begleiter kollektiver Freiheitsvorstellungen auftauchen.

    Ermittelt werden diese Freiheitsvorstellungen aus verschiedenen Texten jener Zeit. In Schmidts eigenem Projekt, das der "deutschen Freiheit" um 1700 nachgeht, werden z. B. Flugschriften des 17. Jahrhunderts und ihre Freiheitsdefinitionen bzw. die damit verbundenen Werte, Tugenden und Erwartungen untersucht. Diese Texte waren in der Landessprache verfasst und wurden dadurch breit rezipiert. Der "freie Markt der Meinungsmacher" fand jedoch auch damals bereits seine Grenzen an den Wünschen und Vorstellungen des Publikums. Da die Blätter verkauft wurden, konnten sie nur erfolgreich sein, wenn sie die Vorstellungen der Menschen aufgriffen und bedienten. Somit geben die Flugschriften - so eine These - eher die Meinung des Volkes wider als die eines einzelnen Verfassers.

    In den anderen Jenaer Projekten geht es zum einen um das Nebeneinander von Monarchie und Freiheitsideen in der englischen Renaissance. Zum anderen beschäftigen sich Germanisten mit der "Freiheit" in der deutschen Barockdichtung. Außerdem werden Jenaer wissenschaftliche Texte des 17. Jahrhunderts, die sich mit der antiken "libertas" beschäftigen, untersucht, um zu klären, wie das überlieferte Wissen gesichert und weiter getragen wurde. Ein weiteres Projekt analysiert Freiheitsproblematik in den Flugschriften der frühen Reformationszeit.

    Die Jenaer Freiheitsforschungen sind vor allem historisch von Bedeutung. Doch "die Aufarbeitung dieser Entwicklung könnte zum ,Laboratorium' werden, um im Horizont vergangener Gestaltungsspielräume die Möglichkeiten und Grenzen politischen Handelns auch heute präziser abschätzen zu können", hofft Prof. Schmidt auf überzeitliche Gültigkeit.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Georg Schmidt
    Historisches Institut der Universität Jena
    Fürstengraben 13, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944430
    Fax: 03641 / 944432
    E-Mail: georg.schmidt@uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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