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16.01.2025 10:55

Tropfstein und Eisbohrkerne: Natürliche Klimaarchive bieten neue Einblicke in Klimageschichte Mitteleuropas

Marietta Fuhrmann-Koch Kommunikation und Marketing
Universität Heidelberg

    Die Verknüpfung von Daten aus zwei natürlichen Klimaarchiven – einem Tropfstein aus der hessischen Herbstlabyrinth-Höhle und Eisbohrkernen aus Grönland – bietet neue Erkenntnisse zur Chronologie abrupter Klimaveränderungen in Mitteleuropa. Danach fand der verheerende Ausbruch des Laacher Vulkans im heutigen Rheinland-Pfalz früher statt als bislang angenommen und kann damit nicht Ursache für eine vor rund 13.000 Jahren plötzlich einsetzenden Kälteperiode gewesen sein, wie Geowissenschaftler der Universitäten Heidelberg und Mainz herausgefunden haben.

    Pressemitteilung
    Heidelberg, 16. Januar 2025

    Tropfstein und Eisbohrkerne: Natürliche Klimaarchive bieten neue Einblicke in Klimageschichte Mitteleuropas
    Wissenschaftler aus Heidelberg und Mainz können verheerenden Vulkanausbruch präzise datieren – Keine Ursache für plötzlich einsetzende Kälteperiode vor rund 13.000 Jahren

    Die Verknüpfung von Daten aus zwei natürlichen Klimaarchiven – einem Tropfstein aus der hessischen Herbstlabyrinth-Höhle und Eisbohrkernen aus Grönland – bietet neue Erkenntnisse zur Chronologie abrupter Klimaveränderungen in Mitteleuropa. Danach fand der verheerende Ausbruch des Laacher Vulkans im heutigen Rheinland-Pfalz früher statt als bislang angenommen und kann damit nicht Ursache für eine vor rund 13.000 Jahren plötzlich einsetzenden Kälteperiode gewesen sein. Das bestätigen Forschungen von Geowissenschaftlern der Universität Heidelberg und der Universität Mainz. Sie haben mit einer präzisen Datierung des Vulkanausbruchs zugleich eine Einschätzung seiner klimatischen Auswirkungen vorgenommen.

    Die letzte Eruption des Laacher Vulkans gilt als eines der verheerendsten Ereignisse der vergangenen zwei Millionen Jahre mit Auswirkungen, die bis nach Norditalien, Skandinavien und Russland zu spüren waren. Wann genau der Ausbruch stattgefunden hat und ob es einen direkten Zusammenhang mit einem plötzlichen Kälteeinbruch, der sogenannten Jüngeren Dryaszeit, gegeben haben könnte, war lange Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Eine neue zeitliche Einordnung wurde im Jahr 2021 mit Radiokarbondatierungen von Baumstümpfen vorgenommen. Die Ergebnisse legen nahe, dass der Vulkanausbruch rund 130 Jahre früher stattgefunden haben muss als zuvor angenommen. Diese Neudatierung konnte das Forschungsteam aus Heidelberg und Mainz nun mithilfe eines Tropfsteins aus der Herbstlabyrinth-Höhle im hessischen Breitscheid bestätigen.

    Da der Ausbruch eines Vulkans mit hohen Schwefelemissionen verbunden ist, musste dieses vulkanische Signal auch im Tropfstein zu finden sein. „Ausschlaggebend für seine Bestimmung waren die hochauflösenden Schwefel- und Sauerstoffisotopenmessungen, die mit der Ionensonde in Heidelberg durchgeführt wurden“, erläutert Prof. Dr. Axel Schmitt, Wissenschaftler an der Curtin University im australischen Perth und Honorarprofessor an der Universität Heidelberg. Mit der Ionensonde ist es möglich, verschiedene Isotopenverhältnisse und Spurenelemente auf Mikrometerebene zu messen.

    Synchronisiert werden konnten diese geochemischen Daten mit einem bislang nicht zugeordneten Sulfatpeak in den grönländischen Eisbohrkernen. Die statistischen Analysen dazu wurden unter Leitung von Prof. Dr. Denis Scholz durchgeführt. Er ist Experte für die Altersbestimmung historischer Klimaschwankungen am Institut für Geowissenschaften der Universität Mainz. „Diese Synchronisierung bedeutet insofern einen Durchbruch für die Datierung von Klima- und Umweltarchiven, als dass bislang kein absolut datierter Zeitmarker vor dem Kälteeinbruch der Jüngeren Dyas bekannt war“, sagt Dr. Sophie Warken, die an den Instituten für Geowissenschaften und Umweltphysik der Universität Heidelberg zu den klimatischen Veränderungen vergangener Jahrtausende forscht.

    Die neue Altersbestimmung zeigt, so Dr. Warken, dass die Eruption etwa 150 Jahre vor Beginn der Jüngeren Dryas-Kälteperiode stattgefunden hat. „Einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Vulkanausbruch und dieser abrupten Klimaveränderung können wir damit ausschließen“, erklärt die Heidelberger Wissenschaftlerin, die als Erstautorin an der Studie beteiligt war. Mit der Zuordnung der Sulfatausschläge in den Eisbohrkernen aus Grönland konnte das Forschungsteam Rückschlüsse über die klimatischen Ereignisse zu Beginn der Jüngeren Dryas ziehen. Bislang ungeklärt war, ob die klimatischen Veränderungen dieser etwa eintausend Jahre andauernden Kaltperiode gleichzeitig im Nordatlantischen Raum und in Europa auftraten oder sich von Grönland aus über mehrere Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte nach Zentraleuropa ausbreiteten. „Unsere Ergebnisse lassen darauf schließen, dass es zeitgleich zu einem signifikanten Temperaturabfall kam. Das deutet darauf hin, dass das zentraleuropäische und das arktische Klima unmittelbar gekoppelt waren“, so Dr. Warken.

    Nach Angaben der Geowissenschaftlerin eröffnen die Forschungsergebnisse neue Perspektiven für das Verständnis komplexer klimatischer Zusammenhänge der Vergangenheit. Sie bieten dabei auch eine solide Grundlage für genauere Vorhersagen zukünftiger Klimaentwicklungen, wie Sophie Warken betont. Die Forschungsarbeiten wurden im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts „Terrestrial Magmatic Systems“ (TeMaS) der Universitäten Heidelberg, Frankfurt (Main) und Mainz durchgeführt; gefördert wird es unter anderem durch das Land Rheinland-Pfalz. Weitere Mittelgeber waren die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Europäische Forschungsrat. Die Forschungsergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Science Advances“ erschienen.

    Kontakt:
    Universität Heidelberg
    Kommunikation und Marketing
    Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
    presse@rektorat.uni-heidelberg.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Sophie Warken
    Institut für Geowissenschaften
    Telefon (06221) 54-96029
    sophie.warken@uni-heidelberg.de


    Originalpublikation:

    S. F. Warken, A. K. Schmitt, D. Scholz, A. Hertwig, M. Weber, R. Mertz-Kraus, F. Reinig, J. Esper, M. Sigl: Discovery of Laacher See eruption in speleothem record synchronizes Greenland and central European Late Glacial climate change. Science Advances (published online 15 January 2025), DOI: 10.1126/sciadv.adt4057


    Weitere Informationen:

    http://www.geow.uni-heidelberg.de – Institut für Geowissenschaften


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften, Meer / Klima
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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