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20.01.2025 12:37

Neuer Ansatz gegen Krebs: Tumorzellen in der Energiefalle

Dr. Sibylle Kohlstädt Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum

    Die Glykolyse ist ein wichtiger Zucker-Abbauweg, auf den insbesondere Krebszellen angewiesen sind. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zeigen nun, dass Leberkrebszellen von Maus und Mensch von einem zentralen Enzym der Glykolyse, der Aldolase A, abhängig sind. Wird sie ausgeschaltet, kehrt sich die Glykolyse von einem energieproduzierenden zu einem energieverbrauchenden Prozess um. Das führt zu einem massiven Energiemangel, aus dem sich die Zelle nicht durch Umschalten auf andere Stoffwechselwege retten kann, und schließlich zu verlangsamtem Tumorwachstum, bei Mäusen.

    Die Glykolyse ist ein zentraler Stoffwechselweg, über den Zellen aus Zucker Energie gewinnen. Insbesondere Krebszellen galten lange als abhängig von der durch die Glykolyse gewonnenen Energie, das Phänomen ist als „Warburg Effekt“ bekannt. Heute weiß man, dass Krebszellen Energiequellen flexibler nutzen können als früher angenommen. Selbst, wenn die Glykolyse blockiert ist, überleben sie, indem sie ihre Energie unter Sauerstoffverbrauch über die Atmungskette gewinnen.

    Umso erstaunlicher sind daher die Ergebnisse, die Almut Schulze und Kollegen vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) nun veröffentlichen: Blockieren die Forschenden das Enzym Aldolase A, das einen wichtigen Schritt der Glykolyse katalysiert, so geraten Leberkrebs-Zellen in „Energie-Stress“ und stellen ihre Teilungsaktivität ein. Das zeigte das Team sowohl an Leberkrebszellen der Maus als auch an mehreren menschlichen Krebszelllinien.

    Blockierten die Forschenden jedoch einen „früheren“ Schritt der Glykolyse, das Enzym Glukose 6-Phosphat-Isomerase, so hatte dies keinen Effekt auf das Wachstum der Krebszellen. „Das glykolytische Enzym Aldolase A ist für die Leberkrebszellen unerlässlich, obwohl der glykolytische Stoffwechselweg selbst offenbar entbehrlich ist“, fasst Stoffwechselexpertin Almut Schulze die Befunde zusammen.

    Das Ergebnis überrascht auf den ersten Blick, wird doch durch die Enzymblockade in beiden Fällen der Zuckerabbauweg unterbunden. Doch ein genauerer Blick auf die biochemischen Schritte der Glykolyse bringt Klarheit: Der über viele Reaktionen verlaufende Stoffwechselweg ist zweigeteilt: Zunächst muss die Zelle Energie investieren, um das hochenergetische Zwischenprodukt Fruktose-Bisphosphat zu generieren.

    Energie in der Falle

    Hier setzt nun die Aldolase A an. Wird sie ausgeschaltet, sammelt sich Fruktose-Bisphosphat in der Zelle an, die darin gebundene Energie bleibt ungenutzt wie in einer Falle gefangen. Die Zelle kann den Energie-Profit aus den eigentlich folgenden Schritten nicht einstreichen. Die Glykolyse hat sich von einem energieproduzierenden zu einem energieverbrauchenden Prozess umkehrt. Noch dazu wird durch den Energiemangel die Produktion von Fruktose-Bisphosphat weiter angeregt, es entwickelt sich ein Teufelskreis.

    Das führt über kurz oder lang dazu, dass der Energieverbrauch die Energieproduktion übersteigt. In den Leberkrebszellen kommt es zu einem massiven Energiemangel, der Zellzyklus wird gestoppt und das Tumorwachstum gehemmt. Das zeigte das Team auch an Leberkrebs tragenden Mäusen: Wurde bei den Tieren Aldolase A genetisch ausgeschaltet, so reduzierte sich das Krebswachstum und die Mäuse überlebten signifikant länger.

    „Durch das Ausschalten der Aldolase A können wir die metabolische Anpassungsfähigkeit von Krebszellen überwinden. Wir blockieren nicht nur die Energiegewinnung durch die Glykolyse, sondern verhindern gleichzeitig, dass die Zelle auf andere Stoffwechselwege ausweicht, denn die Energie sitzt ja im Fruktose-Bisphosphat in der Falle. Eine gezielte Blockade der Aldolase A könnte daher eine vielversprechende Strategie sein, um Krebszellen zu bekämpfen“, sagt der Erstautor der Publikation, Marteinn Snaebjornsson, ebenfalls vom DKFZ. Allerdings wurde der derzeit einzige verfügbare Hemmstoff der Aldolase A bislang nur experimentell untersucht und ist nicht als Medikament zugelassen. Das Heidelberger Team testet die Substanz nun auf ihr mögliches Potential in der Krebstherapie.

    Wichtig ist dabei, dass schon eine geringfügige Reduktion der Aktivität von Aldolase A ausreichen könnte, um Krebszellen in die Energiefalle zu treiben. „Normale Zellen sollten dies tolerieren, da sie geringere Mengen an Glukose aufnehmen und weniger energiereiches Fruktose-Bisphosphat produzieren. Der ‘Warburg Effekt‘ stellt also eine Schwachstelle von Krebszellen dar, die sie empfindlicher für eine Blockade der Aldolase A macht“, resümiert Studienleiterin Schulze.

    Die Ergebnisse zeigen, wie ein tieferes Verständnis des Tumorstoffwechsels innovative Ansätze zur Krebsbekämpfung ermöglichen kann. Diese Erkenntnisse könnten den Weg für neue, hochspezifische Therapien ebnen, die gezielt die Schwachstellen des Krebsstoffwechsels ausnutzen und gleichzeitig gesunde Zellen schonen.

    Marteinn T. Snaebjornsson, Philipp Poeller, Daria Komkova, Florian Röhrig, Lisa Schlicker, Alina M. Winkelkotte, Adriano B. Chaves-Filho, Kamal M. Al-Shami,Carolina Dehesa Caballero, Ioanna Koltsaki, Felix C. E. Vogel, Roberto Carlos Frias-Soler, Ramona Rudalska, Jessica Schwarz, Elmar Wolf, Daniel Dauch, Ralf Steuer & Almut Schulze

    Targeting aldolase A in hepatocellular carcinoma leads to imbalanced glycolysis and energy stress due to uncontrolled FBP accumulation

    Nature Metabolism 2025, DOI:
    https://www.nature.com/articles/s42255-024-01201-w

    Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

    Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

    Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
    Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
    Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
    Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
    DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
    Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

    Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

    Ansprechpartner für die Presse:

    Dr. Sibylle Kohlstädt
    Pressesprecherin
    Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
    Deutsches Krebsforschungszentrum
    Im Neuenheimer Feld 280
    69120 Heidelberg
    T: +49 6221 42 2843
    E-Mail: S.Kohlstaedt@dkfz.de
    E-Mail: presse@dkfz.de
    www.dkfz.de


    Originalpublikation:

    Marteinn T. Snaebjornsson, Philipp Poeller, Daria Komkova, Florian Röhrig, Lisa Schlicker, Alina M. Winkelkotte, Adriano B. Chaves-Filho, Kamal M. Al-Shami,Carolina Dehesa Caballero, Ioanna Koltsaki, Felix C. E. Vogel, Roberto Carlos Frias-Soler, Ramona Rudalska, Jessica Schwarz, Elmar Wolf, Daniel Dauch, Ralf Steuer & Almut Schulze

    Targeting aldolase A in hepatocellular carcinoma leads to imbalanced glycolysis and energy stress due to uncontrolled FBP accumulation

    Nature Metabolism 2025, DOI:
    https://www.nature.com/articles/s42255-024-01201-w


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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