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MHH-Molekularmediziner untersucht körpereigenes Reparaturprogramm im Herzmuskel und erhält renommierten ERC-Förderpreis der Europäischen Union
Bei einem Myokardinfarkt sterben Herzmuskelzellen ab. Der Körper startet daraufhin ein Heilungsprogramm: Zellen des Immunsystems lösen eine Entzündungsreaktion im Herzmuskel aus, dank der das abgestorbene Gewebe abgebaut wird. Gleichzeitig werden Fibroblasten aktiviert, die Bindegewebszellen bilden und das geschädigte Herzmuskelgewebe ersetzen. An der verletzten Stelle entsteht so Narbengewebe. Das Wechselspiel zwischen Entzündung und Fibroblastenaktivierung ist komplex und bestimmt über Erfolg oder Misserfolg einer angemessenen Reparatur nach einem Herzinfarkt. Vernarbt das Gewebe zu stark, entsteht eine Fibrose – der Herzmuskel versteift sich. Dadurch verringert sich die Pumpleistung, und es kann zu einer Herzschwäche kommen. Gezielte therapeutische Ansätze, um diese Prozesse zu beeinflussen, wurden bisher noch nicht klinisch umgesetzt. Fachleute gehen davon aus, dass die Reparaturvorgänge im Herzen von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind. Darüber hinaus wirken sich Herzverletzungen und -behandlungen auch auf weitere Organe aus.
In seinem Projekt MIGRATe will Professor Dr. James Thackeray, Molekularmediziner an der Klinik für Nuklearmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), nicht-invasive molekulare Bildgebungsansätze erforschen, um entzündliche Zellen und die Aktivierung von Fibroblasten im Herzen und in den mit ihm verbundenen Netzwerkorganen zu untersuchen und so gezielte therapeutische Eingriffe präzise zu steuern. Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) fördert das Vorhaben mit einem Consolidator Grant für fünf Jahre mit rund zwei Millionen Euro. Die vom ERC verliehenen Grants genießen innerhalb der Wissenschaft ein hohes Ansehen. Mit dem Consolidator Grant unterstützt der ERC exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei ihren innovativen Forschungsvorhaben und dem weiteren Ausbau ihrer Arbeitsgruppe.
Optimalen Zeitpunkt für Therapie finden
Seit sieben Jahren leitet der Wissenschaftler eine Forschungsgruppe für Translationale und Kardiovaskuläre Molekulare Bildgebung, die mit hochmodernen Bildgebungstechniken immer neue Einblicke in den Verlauf von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gewinnt. „Die medizinische Standardtherapie ist nicht in der Lage, die individuellen Unterschiede in den frühen biologischen Prozessen der Herzreparatur nach einem Infarkt nicht berücksichtigen“, sagt der Wissenschaftler. „Daher lässt sich derzeit nicht vorhersagen, ob jemand nach dem ersten Anfall eine Herzinsuffizienz entwickelt oder nicht.“ Mit Hilfe der Bildgebung will Professor Thackeray nun den optimalen Zeitpunkt und die optimale Ausrichtung der Behandlung bestimmen, um die körpereigene Heilung zu unterstützen und das Fortschreiten der Herzinsuffizienz zu verhindern. Dabei nutzt er bestimmte Radionuklid-Bildgebungsmarker, sogenannte Tracer. Die winzigen Spürsubstanzen sind für kurze Zeit schwach radioaktiv und lassen sich mit Hilfe von hochauflösender Positronen-Emissionstomografie (PET) sichtbar machen. „Die Tracer ermöglichen es uns, die frühen Prozesse der Entzündung und Fibroblastenaktivierung, die zur Umgestaltung des Herzens beitragen und letztlich zum Organversagen führen, aufzuspüren und genau zu bestimmen“, betont der Molekularmediziner.
Herzinfarkt wirkt sich auch auf Hirn, Leber und Nieren aus
Was die Kommunikation zwischen Organen betrifft, so interessieren sich Professor Thackeray und sein Team besonders für die Verbindung des Herzens mit Gehirn, Niere und Leber. Denn Entzündungen und die Aktivität des Immunsystems wirken sich zum Beispiel auf die Herz-Hirn-Achse aus, sodass Entzündungszellen im Herzen die Aktivierung von Entzündungszellen im Gehirn anregen. Dies wiederum kann das Fortschreiten der Herzinsuffizienz verschlimmern. Herzerkrankungen stehen auch im Zusammenhang mit Nieren- und Leberversagen, was sowohl auf eine verstärkte Entzündung als auch auf eine Aktivierung von Fibroblasten zurückzuführen sein kann. „In diesem Projekt können wir jeden unserer Bildgebungsmarker gleichzeitig außerhalb des Herzens messen um zu ermitteln, wie Immunzellen und Fibroblasten zu den Folgeschäden an den anderen Organen beitragen.“
Die Forschenden setzen jedoch nicht nur auf bildgebende Verfahren. Sie wollen diese mit Methoden der Molekularbiologie zusammenführen, um die Mikroumgebung des Gewebes zu entschlüsseln. Auf diese Weise wollen sie zwischen den nachteiligen und den vorteilhaften Zellpopulationen unterscheiden, die das Gleichgewicht zwischen heilender und schädlicher Entzündung und Fibroblastenaktivität steuern und neue Biomarker für die Behandlung nach Herzinfarkt finden. Zudem lässt sich mit PET-Bildgebung auch die molekulare Reaktion auf die Therapie während der Behandlung überwachen. Ziel ist, bereits vor der Therapie individuell zu ermitteln, welche Patientinnen und Patienten die molekularen Marker aufweisen und demzufolge auf die Behandlungen ansprechen werden. Diese lassen sich dann im Idealfall so beeinflussen, dass ein wirksames Gleichgewicht zwischen den positiven und heilenden Aspekten der Entzündungs- und der Fibroblastenaktivität und den negativen Aspekten wiederhergestellt werden kann. So soll die Herzgesundheit nach einem akuten Myokardinfarkt verbessert werden – mit entsprechenden Vorteilen für Gehirn, Nieren und Leber.
SERVICE:
Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. James Thackeray, thackeray.james@mh-hannover.de.
Möchte die personalisierte Behandlung nach Herzinfarkt verbessern: Professor Dr. James Thackeray.
Copyright: Karin Kaiser/MHH
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