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05.02.2025 16:13

Bleibe- und Rückkehrabsichten Geduldeter: Am wichtigsten sind die Situation im Herkunftsland, Arbeit und Familie

Jochen Hövekenmeier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

    Rund 180.000 geduldete Personen lebten Ende 2024 in Deutschland. Ihr Alltag bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Bleiben und Zurückkehren. Welche Faktoren Bleibe- und Rückkehrabsichten beeinflussen, untersucht das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) mit einer App-basierten Umfrage bei geduldeten Menschen aus Westafrika. Die Situation im Herkunftsland, die Erwerbstätigkeit in Deutschland und die Familiensituation haben den größten Einfluss auf Bleibe- und Rückkehrabsichten. Dagegen spielen Erwartungen der Angehörigen im Herkunftsland eine untergeordnete Rolle. Auch finanzielle Rückkehrförderungen oder die rechtliche Bleibeperspektive sind zweitrangig.

    Etwa die Hälfte der geduldeten Personen in Deutschland wurde infolge eines abgelehnten Asylverfahrens ausreisepflichtig. Viele von ihnen leben über Jahre hinweg mit einer Duldung in Deutschland. Ihre Lebenssituation bewegt sich daher im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Teilhabe und möglicher Rückkehr. Welche Faktoren die Entscheidung beeinflussen, hier zu bleiben oder in das Herkunftsland zurückzukehren, untersucht die BAMF-Kurzanalyse „Bleibe- und Rückkehrabsichten von Geduldeten: Erkenntnisse aus einem Umfrageexperiment mit westafrikanischen Schutzsuchenden“. Sie betrachtet mithilfe eines neuartigen Studiendesigns die Einstellungen und Erwartungen von Schutzsuchenden aus Nigeria, Ghana, Gambia und Sierra Leone. Entstanden ist die Kurzanalyse im Projekt: „Machbarkeitsstudie zu Im-/Mobilität ausreisepflichtiger Personen in Deutschland“ (MIMAP).

    Die Situation im Herkunftsland, Erwerbstätigkeit und Familie haben den größten Einfluss

    Die Auswertungen zeigen, dass eine verbesserte Situation im Herkunftsland zu einer deutlich gesteigerten Rückkehrabsicht führt. Hingegen zeichnet sich eine Bleibeneigung insbesondere dann ab, wenn Menschen in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder wenn die eigenen Kinder ebenfalls in Deutschland leben.

    Finanzielle Anreize und die rechtliche Bleibeperspektive beeinflussen die Absichten kaum

    Erwartungen der Angehörigen im Herkunftsland sowie deutsche Sprachkenntnisse spielen für Bleibe- und Rückkehrabsichten eine untergeordnete Rolle. Auch migrationspolitische Steuerungsinstrumente haben nur einen geringen Einfluss. Die Bleibe- und Rückkehrabsichten von Geduldeten aus dem anglophonen Westafrika verändern sich beispielsweise nicht signifikant mit der Höhe der finanziellen Rückkehrförderung. Auch ein erhöhtes Rückführungsrisiko oder verbesserte Chancen auf einen legalen Aufenthalt haben nach den Ergebnissen der Analyse wenig Einfluss auf Bleibe- oder Rückkehrabsichten.

    Individuelle und ganzheitliche Ansätze statt einseitiger Betrachtungen nötig

    Die Ergebnisse der Kurzanalyse verdeutlichen, wie komplex die Aushandlung von Bleibe- und Rückkehrentscheidungen für geduldete Menschen ist. Maßnahmen, die auf mono-kausalen Erklärungsansätzen beruhen und nur Push-Faktoren wie Abschiebungsdruck oder Anreize wie finanzielle Rückkehrhilfen in den Blick nehmen, können nur eine begrenzte Wirkung entfalten. Vielmehr gilt es, die Vielzahl individueller und struktureller Faktoren zu berücksichtigen, die bei der Abwägung eine Rolle spielen. Daher ist eine gut abgestimmte Kombination von Maßnahmen der Rückkehrförderung sowie Aufenthaltsverstetigung notwendig, um Langzeitduldungen zu verhindern.

    Teilnehmende durch kontrolliertes Schneeballverfahren gewonnen

    Mit der Kurzanalyse hat das BAMF-FZ methodisch einen neuen Weg beschritten. Es wurde ein innovatives Stichprobenverfahren in Kombination mit einer App-basierten Umfrage genutzt – auch deshalb, weil Geduldete für wissenschaftliche Befragungen nur schwer zu erreichen sind. Neben einer postalischen Einladung zur Umfrage an 1.500 zufällig ausgewählte Personen aus der Zielgruppe, entschieden sich die Forschenden des BAMF-FZ für das Respondent-Driven Sampling (RDS). Dies ist ein kontrolliertes Schneeballverfahren, bei dem die Umfrage von Teilnehmenden in ihrem sozialen Umfeld weitergegeben wird.

    „Ein zentrales Anliegen der Studie war, durch das App-basierte Stichprobenverfahren einen innovativen methodischen Zugang zu erproben. Ein Vorteil des gewählten Verfahrens ist, dass wir als Forschende wenig Einfluss auf die Befragungssituation ausgeübt haben. Außerdem gelang es uns, durch die Weitergabe innerhalb des sozialen Umfelds, Personen für die Umfrage zu gewinnen, die wir auf anderen Wegen nicht erreicht hätten. Um zusätzliches Vertrauen zu schaffen, hat unsere App keine personenbezogenen Daten erhoben und war komplett anonym nutzbar“, erläutert Dr. Laura Peitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im BAMF-FZ.

    Vignettenstudie

    Die Umfrage des BAMF-FZ wurde als sogenannte Vignettenstudie durchgeführt. Die Teilnehmenden wurden gebeten, vier fiktiven geduldeten Personen Empfehlungen zum Verbleib in Deutschland oder zur Rückkehr in ihr Herkunftsland auszusprechen. Die indirekte Art der Befragung führt dabei zu intuitiven Antworten, die Aufschluss zu Einstellungen geben, ohne dass die Teilnehmenden dafür unmittelbar mit ihren persönlichen Erfahrungen konfrontiert werden. Der neuartige Ansatz der Untersuchung umgeht spezifische Herausforderungen, die bei einer direkten Befragung auftreten – etwa, dass Befragte sozial erwünschte Antworten geben. Die im Experiment ermittelten Ergebnisse wurden zudem durch Einblicke einer qualitativ-ethnografischen Teilstudie ergänzt.

    „Weiterführende Analysen zur Antwortqualität bestätigen, dass unsere Befragungsmethode gut funktioniert. Auch die Auswertungen der qualitativen Interviews offenbaren, dass die Vignettenstudie valide Ergebnisse liefert“, erklärt Anne-Kathrin Carwehl, wissenschaftliche Mitarbeiterin im BAMF-FZ.

    „Neben den inhaltlichen Ergebnissen liegt ein zentraler Erkenntnisgewinn in der innovativen Nutzung der Vignettenstudie zur quantitativen Erforschung von Bleibe- und Rückkehrabsichten geduldeter Personen. Ob dieses Verfahren auch für andere Gruppen von Geflüchteten und Zugewanderten geeignet ist, sollte in zukünftigen Studien validiert werden“, so Randy Stache, wissenschaftlicher Mitarbeiter im BAMF-FZ.

    Weitere Informationen:

    Die BAMF-Kurzanalyse „Bleibe- und Rückkehrabsichten von Geduldeten: Erkenntnisse aus einem Umfrageexperiment mit westafrikanischen Schutzsuchenden“ finden Sie hier: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Kurzanalysen/kurzanalyse2-20...

    Die BAMF-Kurzanalyse ist aus dem Projekt „Machbarkeitsstudie zu Im-/Mobilität ausreisepflichtiger Personen in Deutschland (MIMAP)“ hervorgegangen. Hier erfahren Sie mehr: https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Migration/mimap.h...

    Ansprechpartner für Medienanfragen:
    Jochen Hövekenmeier
    Pressestelle Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
    Telefon: +49 911 943 17799
    E-Mail: pressestelle@bamf.bund.de

    Über das BAMF-Forschungszentrum:
    Mit der Arbeit des 2005 gegründeten Forschungszentrums kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seiner gesetzlichen Aufgabe nach, wissenschaftliche Forschung zu Migrations- und Integrationsthemen zu betreiben. Das Forschungszentrum betrachtet das Migrationsgeschehen nach und von Deutschland und analysiert die Auswirkungen der Zuwanderung. Es begleitet Integrationsprozesse und trägt mit seinen Erkenntnissen entscheidend zur Weiterentwicklung von Integrationsmaßnahmen auf Bundesebene bei. Weitere Forschungsschwerpunkte sind u. a. Erwerbs- und Bildungsmigration, Fluchtmigration, Rückkehr und sicherheitsrelevante Aspekte der Zuwanderung. Damit leistet das BAMF-Forschungszentrum einen grundlegenden Beitrag zum Informationstransfer zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

    Weitere Informationen unter: https://www.bamf.de/DE/Themen/Forschung/forschung-node.html


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Randy Stache, Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
    Kontakt: https://www.bamf.de/SharedDocs/Struktur/Personen/DE/WissenschaftlicheMA/stache-r...
    Dr. Laura Peitz, Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
    Kontakt: https://www.bamf.de/SharedDocs/Struktur/Personen/DE/WissenschaftlicheMA/peitz-la...
    Anne-Kathrin Carwehl, Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
    Kontakt: https://www.bamf.de/SharedDocs/Struktur/Personen/DE/WissenschaftlicheMA/carwehl-...


    Originalpublikation:

    Stache, R., Johnson, L., Peitz, L. & Carwehl, A.-K. (2025). Bleibe- und Rückkehrabsichten von Geduldeten: Erkenntnisse aus einem Umfrageexperiment mit westafrikanischen Schutzsuchenden (Kurzanalyse 02|2025). Nürnberg. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
    https://doi.org/10.48570/bamf.fz.ka.02/2025.d.2025.bleibrueckabsicht.1.0


    Bilder

    BAMF-Kurzanalyse 2|2025 "„Bleibe- und Rückkehrabsichten von Geduldeten: Erkenntnisse aus einem Umfrageexperiment mit westafrikanischen Schutzsuchenden“
    BAMF-Kurzanalyse 2|2025 "„Bleibe- und Rückkehrabsichten von Geduldeten: Erkenntnisse aus einem Umfra ...

    BAMF


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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