idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
13.02.2025 14:33

Studie: RPTU-Forschende entschlüsseln molekulare Mechanismen in Krebszellen

Julia Reichelt Universitätskommunikation
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau

    Krebszellen verfügen über spezielle Anpassungsmechanismen, die es ihnen erlauben - trotz Veränderungen in ihrem Erbgut - zu wuchern. Forschende der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) haben nun zur Aufklärung der damit einhergehenden molekularen Mechanismen beigetragen. Die so gewonnen Erkenntnisse könnten ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung zielgerichteter Krebstherapien sein.

    Im Zellkern einer jeden menschlichen Zelle befinden sich sogenannte Chromosomen – genauer gesagt 23 Chromosomenpaare. Diese sind Träger unserer Erbanlagen, des sogenannten Genoms und bestehen aus Desoxyribonukleinsäure (DNA) und Proteinen. Wobei die DNA genetische Informationen enthält und somit für die Vererbung von Eigenschaften zentral ist. Veränderungen von Chromosomen können schwerwiegende Folgen für die betroffenen Zellen haben – und lassen sich unter anderem bei Krebserkrankungen feststellen. Wie es zu solchen Veränderungen kommen kann und was genau die damit einhergehenden Folgen sind, erforscht Professorin Zuzana Storchová, Leiterin des Lehrbereichs Molekulare Genetik an der RPTU. Dies macht sie mit Hilfe eines Teams von Forschenden, dem auch der Doktorand Jan-Eric Bökenkamp angehört – dieser konkretisiert: „Wir erforschen die genetischen Merkmale von Krebszellen und ihre molekularen Eigenschaften sowohl experimentell als auch durch computergestützte Analyse.“

    Etwa 90 Prozent der Tumore bestehen aus aneuploiden Zellen

    Im Rahmen einer aktuell erschienenen Veröffentlichung im EMBO Journal haben die Forschenden nun ein häufiges genetisches Merkmal von Krebszellen unter die Lupe genommen – die sogenannte Aneuploidie. „Wenn eine Zelle aneuploid ist, weist sie einen veränderten Satz an Chromosomen auf“, erklärt Storchová. Ein bekanntes Beispiel für Aneuploidie sei bei Menschen mit Downsyndrom zu finden, die mit Trisomie 21 eine zusätzliche Kopie des 21. Chromosoms in sich tragen. „Ein weniger bekannter Fakt ist, dass etwa 90 Prozent der Tumoren von Krebspatientinnen und Krebspatienten ebenfalls aus aneuploiden Zellen bestehen und dabei meistens weitaus mehr als nur ein Chromosom gleichzeitig betroffen ist.“ Da Aneuploidie in gesunden Zellen das Wachstum verlangsamt und oft zum Zelltod führt, sei eine bedeutende Frage der Krebsforschung, warum und wie Krebszellen mit dieser genetischen Belastung nicht nur überleben, sondern auch noch wuchern können.

    Im Labor haben die Forschenden um Storchová deshalb Zellen genetisch manipuliert, sodass diese eine zusätzliche Kopie eines Chromosoms in sich tragen, also aneuploid sind. Bökenkamp: „Die dadurch belasteten Zellen haben wir sich über längere Zeit vermehren lassen und festgestellt, dass sie nach mehreren Wochen deutlich besser wachsen.“ Die Forschenden haben eine Vielzahl unterschiedlicher experimenteller Messreihen durchgeführt, um die molekularen Mechanismen zu verstehen, die eine solche Anpassung aneuploider Zellen ermöglicht. Methoden der modernen Biotechnologie und Bioinformatik, wie die Next-Generation-DNA-Sequenzierung und die Massenspektrometrie, kamen zum Einsatz.

    Erstes Labor, das die Anpassung von Krebszellen an extra Chromosomen untersucht

    Storchová hebt die Besonderheit der Untersuchungen hervor: „Unsere Studie zeichnet sich dadurch aus, dass wir als erstes Labor ein Modellsystem entwickelt und analysiert haben, mit dem wir die Anpassung menschlicher Krebszellen an die anhaltende Präsenz bestimmter extra Chromosomen untersuchen konnten.“ Die Forschenden haben zudem öffentliche Beobachtungsdaten tausender Tumoren mit aneuploiden Zellen von Krebspatientinnen und Krebspatienten aus US-basierten Datenbanken analysiert, „um diese mit den experimentellen Daten unserer aneuploiden Modellzellen zu vergleichen und die klinische Relevanz unserer Ergebnisse zu stützen“, fügt Bökenkamp hinzu.

    Über drei Wege: Krebszellen passen sich der Präsenz zusätzlicher Chromosomen an

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Forschenden drei Wege identifizieren konnten, mit deren Hilfe sich Krebszellen an die Präsenz zusätzlicher Chromosomen anpassen: Erstens erhöhen sie die Stabilität ihres Genoms durch eine Zunahme an Faktoren der DNA-Replikation und DNA-Reparatur, und verringern den Abbau von Genprodukten. Zweitens erhöhten sie die Aktivität des Zellwachstums- und -teilungsfaktors FOXM1. Drittens verlieren sie bestimmte Teile der zusätzlichen DNA, auf denen tumorunterdrückende Gene kodiert sind (so genannte Tumorsuppressoren), während sie die Teile beibehalten, auf denen sich wachstumsfördernde Gene befinden.

    Aufbauend auf diesen Erkenntnissen, so schlussfolgern die Forschenden, lassen sich neue Therapieansätze und Medikamente entwickeln. Ansätze, die gezielt genau solche molekularen Vorgänge hemmen, die es Krebszellen ermöglichen, trotz weitreichender Genomveränderungen zu wachsen und zu wuchern. Besonders die Rolle von FOXM1 stellt ein attraktives Ziel dar, da dessen Potenzial für Krebsmedikamente bereits seit mehreren Jahren erforscht wird.

    Die Studie:
    Jan-Eric Bökenkamp, Kristina Keuper, Stefan Redel, Karen Barthel, Leah Johnson, Amelie Becker, Angela Wieland, Markus Räschle, Zuzana Storchová (2025). Proteogenomic analysis reveals adaptive strategies for alleviating the consequences of aneuploidy in cancer. EMBO Journal (advance online publication). https://doi.org/10.1038/s44318-025-00372-w


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Zuzana Storchová
    Fachgebiet Molekulare Genetik
    E: zuzana.storchova@rptu.de

    Jan-Eric Bökenkamp
    Fachgebiet Molekulare Genetik
    E: janeric.b97@gmail.com


    Bilder

    Die Massenspektrometrie, die für die Bestimmung der zellulären Proteinzusammensetzung essentiell ist, spielte bei diesem Projekt eine entscheidende Rolle. Hier untersuchen Professorin Zuzana Storchová und Doktorand Jan-Eric Bökenkamp entsprechende Daten.
    Die Massenspektrometrie, die für die Bestimmung der zellulären Proteinzusammensetzung essentiell ist ...
    Thomas Koziel
    RPTU, Thomas Koziel


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).