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Wissenschaft
Die Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zählen zu den erschreckendsten Terroranschlägen in der jüngeren deutschen Geschichte. Ihr Entstehungskontext konnte nie vollständig aufgeklärt werden. Auch nach bislang 15 politischen Untersuchungsausschüssen und dem Abschluss des sogenannten NSU-Strafverfahrens sind noch viele Fragen offen. Die Hamburgische Bürgerschaft hat nun ein Forschungsteam damit beauftragt, die Geschehnisse und Ermittlungen rund um den Mord an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001 in Hamburg zu untersuchen und ein unabhängiges, umfassendes Gutachten zu erstellen.
Die Professor*innen Dr. Constantin Goschler (Ruhr-Universität Bochum, Sprecher), Dr. Daniela Hunold (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin), Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy (Universität Bielefeld) und Dr. Wolfgang Seibel (Universität Konstanz) werden im Rahmen einer interdisziplinären Untersuchung den komplexen Ursachen und Folgen des organisatorischen wie gesellschaftlichen Versagens bei der Aufklärung und Strafverfolgung des Hamburger NSU-Mords nachgehen.
Systemische Aspekte stehen im Vordergrund
In ihrem Fokus stehen vor allem die systemischen Aspekte, die zu den folgenreichen Terroranschlägen führten. Zugleich untersuchen sie die Wechselwirkungen und Resonanzen der Ermittlungen mit der Hamburger Stadtgesellschaft und werden daher auch die Zeit vor dem eigentlichen Mordfall in den Blick nehmen, um die Entstehung von Wahrnehmungs- und Handlungsmustern im Umgang mit rechter Gewalt untersuchen zu können. Damit ist das Spannungsfeld von Rassismus und systemischen Dynamiken in die Analyse eingeschlossen.
Die Forschenden erhalten vollumfängliche Akteneinsicht in die Unterlagen von Polizei, Staatsschutz und Justiz und werden im Rahmen von Interviews die Aussagen von Zeug*innen und professionellen Verfahrensbeteiligten in ihre wissenschaftlichen Aufarbeitung einbeziehen.
Keine Supercops, aber Fallanalytiker
„Die wissenschaftliche Aufarbeitung der NSU-Morde im Hamburger Kontext kann weder die polizeiliche noch die juristische Aufarbeitung und ebenso wenig die politische Aufarbeitung ersetzen“, so Constantin Goschler. „Wir sind also keine schneidige Untersuchungsausschussvorsitzende, Super-Cops oder hellseherische Profiler, die nun bislang unentdeckte Tatspuren und Hintermänner oder -frauen aufdecken können. In anderer Hinsicht sind wir aber durchaus Fallanalytiker: Unser Fall, den wir interdisziplinär zu lösen suchen, sind jedoch die polizeilichen Ermittlungen und die strafrechtliche Aufarbeitung in Hamburg, die selbst zu unserem Untersuchungsgegenstand werden. Diese sind ebenso im stadtgeschichtlichen Zusammenhang wie im Kontext der bundesweiten Auseinandersetzung mit den NSU-Morden zu interpretieren.“
Zur Person
Constantin Goschler ist Professor für Zeitgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum und forscht unter anderem zu geheimen Nachrichtendiensten, zum Verhältnis von Sicherheit und Öffentlichkeit sowie zum Umgang mit Gewaltfolgen. Er ist Mitautor einer grundlegenden Studie zum Bundesamt für Verfassungsschutz.
Prof. Dr. Constantin Goschler
Fakultät für Geschichtswissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 22540
E-Mail: constatin.goschler@ruhr-uni-bochum.de
Webseite: https://www.ruhr-uni-bochum.de/lehrstuhl-ng2/mitarbeiter/goschler.html
Das Projektteam: Wolfgang Seibel, Ivo Komljen, Elisabeth Faltinat, Maren Wegner, Charlotte Schmitt ...
© privat
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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