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24.02.2025 11:00

Nicht alle Herzmuskelentzündungen sind gleich

Gunjan Sinha Kommunikation
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Herzmuskelentzündungen unterscheiden sich je nach Auslöser – seien es COVID-19, die mRNA-Impfung gegen COVID-19 oder andere Ursachen. Diese Ergebnisse ebnen den Weg für passgenauere Therapien, berichten Berliner Forschende gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen in „Nature Cardiovascular Research“.

    Die Immunsignaturen bei Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) unterscheiden sich je nach Ursache. Sie variieren je nachdem, ob sie durch Infektionen mit SARS-CoV-2 und durch mRNA-Impfstoffe ausgelöst wurden, im Vergleich zu Herzmuskelentzündungen ohne Zusammenhang mit COVID-19. Das zeigte eine Kollaboration unter der Leitung von Dr. Henrike Maatz, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe „Genetik und Genomik von Herz-Kreislauferkrankungen“ von Professor Norbert Hübner am Max Delbrück Center in Berlin. Die Studie ist in „Nature Cardiovascular Research“ erschienen.

    „Wir haben signifikante Unterschiede bei der Immunaktivierung gefunden“, sagt Maatz, Co-Erstautorin der Studie. „Dieses Wissen könnte dazu beitragen, neue und passgenauere Therapien zu entwickeln, die auf bestimmte Entzündungstypen zugeschnitten sind.“

    Die Pandemie bot eine einmalige Chance

    Myokarditis wird durch verschiedene Infektionen, Autoimmunerkrankungen, genetische und umweltbedingte Faktoren sowie in selten Fällen durch Impfungen verursacht. COVID-19 ist in erster Linie eine Atemwegserkrankung, aber es ist bekannt, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 auch das Herz schädigen kann. Bei Kindern und jungen Erwachsenen löst SARS-CoV-2 in seltenen Fällen ein multisystemisches Entzündungssyndrom aus. Die Myokarditis ist dabei das häufigste klinische Merkmal.

    Den Forschenden des Max Delbrück Center, des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin bot die Pandemie eine einmalige Gelegenheit: Sie konnten untersuchen, ob sich Herzmuskelentzündungen je nach Ursache auch auf zellulärer und molekularer Ebene voneinander unterscheiden.

    Hübners Arbeitsgruppe erforscht Herzerkrankungen bereits seit langem auf Einzelzellebene. Für die Studie kooperierten die Wissenschaftler*innen mit Professor Carsten Tschöpe, Kardiologe am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC), Leiter der BIH-Forschungsgruppe „Immunokardiologie“ und Forscher am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Sein Team hatte Patienten*innen mit Verdacht auf Herzmuskelentzündung Biopsien entnommen. „Wir haben am DHZC eine renommierte Ambulanz für Schwere Herzinsuffizienz und Kardiomyopathien. Die Ärzt*innen sind darauf spezialisiert ist, in Einzelfällen Endomyokard-Biopsien durchzuführen“, sagt Tschöpe.

    „Das von der Charité während der COVID-19-Krise initiierte Forschungsprogramm wurde in den Versorgungsplan integriert und ist Teil des vom DZHK geförderten PERSONIFY-Programms. Patient*innen mit Myokarditis werden in diesem Programm sehr spezifisch und gezielt untersucht. Das ermöglicht umfassende und fortschrittliche Ansätze für die klinische und wissenschaftliche Auswertung“, sagt Tschöpe. „Wir sind den Patientinnen und Patienten für ihr Vertrauen und ihren unschätzbar wertvollen Beitrag sehr dankbar. Gleiches gilt für die Leistung unseres auf Herzinsuffizienz spezialisierten Pflegepersonals. Die Pflegenden spielten eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung der Patient*innen, der sorgfältigen Datenverwaltung, der Handhabung von Gewebe und Blut und vor allem bei der Versorgung der Patient*innen.“

    Deutliche Unterschiede in der Immunaktivierung

    Das Herzgewebe aus den Biopsien nutzten die Forschenden des Max Delbrück Center, um die RNA in den Zellkernen (snRNA-seq) zu sequenzieren. So konnten sie die Genexpression analysieren, Transkriptionsprofile jeder einzelnen Zelle erstellen und mithilfe der Profile die verschiedenen Zelltypen des Herzens identifizieren. Sie haben die molekularen Veränderungen in jeder Zelle und die Häufigkeit der verschiedenen Zelltypen im Herzmuskelgewebe von drei verschiedenen Gruppen untersucht: Proben, die COVID-19-positiv waren, Fälle, die durch mRNA-Impfstoffe verursacht wurden, und nicht-COVID-induzierte Herzmuskelentzündungen, die auf Virusinfektionen vor der Pandemie zurückgeführt werden konnten.

    Einige Veränderungen in der Genexpression ähnelten sich zwar in allen drei Gruppen, stellten die Wissenschaftler*innen fest. Aber es gab erhebliche Unterschiede in der Genexpression der Immunzellen. Außerdem zeigten die Transkriptionsprofile, dass die Immunzellen je nach Ursache der Herzmuskelentzündung unterschiedlich häufig vorkamen.

    „Derartige Unterschiede waren überraschend“, sagt Dr. Eric Lindberg, Co-Erstautor der Studie und ehemaliger Postdoc im Forschungsteam von Hübner. Mittlerweile leitet er eine eigene Arbeitsgruppe am LMU-Klinikum in München. So beobachteten die Forschenden beispielsweise, dass nach der Impfung CD4-T-Zellen häufiger waren, während nach einer SARS-CoV-2-Infektion eher CD8-T-Zellen dominierten. In den Proben von Herzmuskelentzündung ohne COVID lag das Verhältnis von CD4- zu CD8-Zellen bei etwa 50:50. Die Genexpressionsdaten deuteten außerdem darauf hin, dass die CD8-T-Zellen in der COVID-19-Gruppe aggressiver erschienen als bei Myokarditis ohne COVID-Erkrankung. Die Forschenden fanden zudem in der Post-COVID-Myokarditis eine kleine Population von T-Zellen, die zuvor nur im Blut von schwerkranken COVID-19-Patient*innen beobachtet worden war.

    „Diese Ergebnisse deuten insgesamt auf eine stärkere Immunantwort bei COVID-19-Myokarditis im Vergleich zu Myokarditisformen hin, die wir vor der Pandemie kannten. Dagegen ist die Entzündung des Herzmuskels nach einer Impfung anscheinend weniger ausgeprägt“, sagt Professor Norbert Hübner vom Max Delbrück Center und der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er forscht außerdem am DZHK und ist korrespondierender Autor der Studie. „Die Stichprobengröße bei den Herzmuskelentzündungen nach einer Impfung war zwar klein. Aber die Ergebnisse passen zu denen anderer Studien zur Myokarditis nach einer Impfung.“

    Bedeutung für die Behandlung

    Zwischen Entzündungen unterscheiden zu können, die durch verschiedene Infektionen und Impfungen verursacht sind, ebnet den Weg für eine bessere Behandlung, erläutert Maatz. Sie wäre dann auf die jeweilige Entzündung zugeschnitten. Basierend auf dieser Forschung könnten auch neue Therapien entwickelt werden, um beispielsweise die Nebenwirkungen von Impfstoffen zu kontrollieren.

    Proben aus Herzbiopsien seien außerdem meist winzig, oft nicht größer als ein Stecknadelkopf. Es sei eine Herausforderung gewesen, die snRNA-seq-Technik mit so kleinen Gewebemengen zu ermöglichen, erinnert sich Maatz: „Aber der Detailreichtum und die Tiefenschärfe der gewonnenen Erkenntnisse zeigen, wie leistungsfähig diese Methode ist – in Zukunft möglicherweise auch bei der Diagnose.“

    Max Delbrück Center

    Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center) gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscher*innen aus rund 70 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organ-übergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patient*innen zugutekommen. Das Max Delbrück Center fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am Max Delbrück Center arbeiten 1800 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete Max Delbrück Center zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Norbert Hübner
    Leiter der Arbeitsgruppe „Genetik und Genomik von Herz-Kreislauferkrankungen“
    Max Delbrück Center
    nhuebner@mdc-berlin.de

    Dr. Henrike Maatz
    Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe „Genetik und Genomik von Herz-Kreislauferkrankungen“
    Max Delbrück Center
    h.maatz@mdc-berlin.de

    Prof. Carsten Tschöpe
    Deutsches Herzzentrum der Charité (DHZC)
    Clinic for cardiology, angiology and intensive care | Campus Virchow-Klinikum
    Head of the BIH research group for “Immunocardiology”
    carsten.tschoepe@dhzc-charite.de


    Originalpublikation:

    Henrike Maatz, Eric L. Lindberg, et al. (2024): „The cellular and molecular cardiac tissue responses in human inflammatory cardiomyopathies following SARS-CoV-2 infection and COVID-19 vaccination.“ Nature Cardiovascular Research, DOI: 10.1038/s44161-025-00612-6


    Weitere Informationen:

    https://www.mdc-berlin.de/de/huebner-Arbeitsgruppe Hübner
    https://www.bihealth.org/de/forschung/arbeitsgruppe/ag-tschoepe-immunokardiologi... Tschöpe
    https://www.lmu-klinikum.de/kardiologie/forschung-und-lehre/grundlagenforschung/... Reichart / Lindberg
    https://www.dhzc.charite.de/kliniken/cvk-kardiologie/- Deutsches Herzzentrum der Charité


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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