idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
25.02.2025 11:22

Ramadan: Herausforderung für Menschen mit chronischen Krankheiten

Michaela Richter Pressestelle
Deutsche Diabetes Gesellschaft

    Für die über 5 Millionen in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslime beginnt am 28. Februar der religiöse Fastenmonat Ramadan. Rund 180.000 von ihnen leben mit der Diagnose Typ-2-Diabetes.1/2 Doch das Fasten birgt gesundheitliche Risiken für Betroffene. Das veränderte Essverhalten zwischen Sonnenuntergang und -aufgang kann den Blutzuckerspiegel stark beeinflussen - besonders auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes. Experten der AG Diabetes & Migration der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) geben Tipps, welche Maßnahmen Musliminnen und Muslime mit Diabetes unbedingt treffen sollten – und wann sie auf das Fasten besser verzichten.

    Musliminnen und Muslime mit Diabetes sind laut islamischer Regelung nicht zum Fasten verpflichtet. „Trotzdem entscheiden sich viele dafür – was aus religiösen und sozialen Gründen verständlich ist“, erklärt Professor Dr. Ina Danquah, Vorsitzende der AG Diabetes & Migration der DDG, Direktorin am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn und Leiterin der Forschungsgruppe Klimawandel, Ernährung und Gesundheit am Heidelberger Institut für Global Health (HIGH). Eine Studie ergab, dass 94,2 Prozent aller Muslime mit einem Typ-2-Diabetes für mindestens 15 Tage fasten.3 „Doch für manche Menschen mit Diabetes kann das Fasten erhebliche gesundheitliche Risiken bergen“, so Danquah. Besonders Menschen mit Typ-1-Diabetes, Schwangere mit Schwangerschaftsdiabetes oder Menschen mit schweren diabetischen Folgeerkrankungen wie Nieren- oder Herzproblemen gehören zu den Hochrisikogruppen. Sie sollten das Fasten vermeiden oder ärztlich eng begleitet werden.

    Typ-1-Diabetes: Risiko für Unterzuckerungen steigt stark

    Menschen mit Typ-1-Diabetes wird vom Fasten eher abgeraten. „Das Risiko für schwere Unterzuckerungen ist während des Ramadans fast fünfmal so hoch wie im restlichen Jahr“, warnt Dr. med. Alain Barakat, stellvertretender Vorsitzender der AG Diabetes & Migration und Diabetologe im Diabetes Zentrum Duisburg-Mitte. Besonders problematisch ist die lange Essenspause: Der Körper kann den Blutzuckerspiegel nicht selbst regulieren, was zu gefährlichen Schwankungen führen kann. „Wer dennoch fasten möchte, sollte dies nur unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle und mit kontinuierlichem Glukosemonitoring tun“, rät Barakat. Denn Studien zeigen, dass Patientinnen und Patienten mit einer Insulinpumpe ein geringeres Risiko für schwere Unterzuckerungen haben.4

    Typ-2-Diabetes: Individuelle Einschätzung nötig

    Menschen mit Typ-2-Diabetes können fasten, sofern ihr gesundheitliches Risiko niedrig ist und sie ihren Stoffwechsel genau im Blick haben. „Dennoch steigt das Risiko für Über- und Unterzuckerungen deutlich an“, erklärt Danquah. „Besonders nach dem Iftar, dem Fastenbrechen, kann der Blutzucker stark ansteigen, wenn viele süße oder fettige Speisen konsumiert werden.“ Um dies zu vermeiden, sollten Fastende möglichst wenige Kohlenhydrate zu sich nehmen und auf ausgewogene Mahlzeiten mit Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Gemüse und magerem Eiweiß achten. Brot, Kartoffeln und Reis sowie süße Baklava oder gesüßte Getränke sollten in geringen Mengen konsumiert werden. So wäre auch eine medikamentöse Anpassung einfacher.

    Dann besteht ein sehr hohes/hohes Risiko für Komplikationen durch das Fasten:
    - Therapie mit Insulin, SGLT2-Inhibitoren, Metformin oder GLP-1 Agonisten
    - Schwere Hypoglykämien innerhalb der zurückliegenden drei Monate vor dem Ramadan
    - Aktuelle Erkrankungen
    - Schwangerschaft
    - Nierenprobleme/Dialyse
    - Typ-1-Diabetes
    - Besonders intensive körperliche Arbeit
    - Hohes Alter mit schlechtem Gesundheitszustand

    Wichtige Hinweise bei Fasten mit Diabetes

    - Rechtzeitig mit dem Arzt sprechen: Bestenfalls 4 bis 6 Wochen vor dem Ramadan sollte die Diabetes-Therapie überprüft und angepasst werden.
    - Blutzucker regelmäßig messen: Die Kontrolle ist den ganzen Tag über erlaubt und hilft, Unter- und Überzuckerungen zu vermeiden.
    - Bei Unter- und Überzuckerung sofort handeln: Sinkt der Blutzucker unter 70 mg/dl oder treten Symptome wie Zittern oder Schwindel auf, sollte das Fasten sofort unterbrochen werden. Gleiches gilt bei häufigem Wasserlassen, Müdigkeit, Verwirrtheit, Übelkeit und einem Blutzuckeranstieg auf über 300 mg/dl.
    - Flüssigkeitshaushalt beachten: Besonders in warmen Regionen ist das Risiko für Dehydrierung hoch. Viel Wasser oder ungesüßter Tee nach Sonnenuntergang helfen, den Flüssigkeitsbedarf zu decken.
    - Mahlzeiten bewusst gestalten: Sahur (die Mahlzeit vor Sonnenaufgang) sollte lang sättigende, ballaststoffreiche Lebensmittel wie Haferflocken oder Vollkornprodukte enthalten. Beim Iftar sollten fett- und zuckerreiche Speisen vermieden werden.
    „Niemand mit Diabetes sollte sich gezwungen fühlen zu fasten“, betont Barakat. „Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht fasten kann oder möchte, kann seine Glaubenspflicht auch durch das Spenden von Essen oder Geld erfüllen.“

    Mit der umfassenden Leitlinie „Diabetes and Ramadan“ stellt die International Diabetes Federation (IDF) medizinischem Personal praktische Handlungsempfehlungen und Hintergrundinformationen bereit, um ihre Patientinnen und Patienten in der Fastenzeit zu betreuen.5 Auf der Homepage von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe können sich Betroffene ausführlich zum Fasten mit Diabetes informieren: https://www.diabetesde.org/ramadan-fasten

    Literatur

    1 Heidemann C, Scheidt-Nave C (2017) Prevalence, incidence and mortality of diabetes mellitus in adults in Germany – a review in the framework of the Diabetes Surveillance. J Health Monit 2(3):98–121

    2 Lehner CT, Eberl M, Donnachie E, Tanaka LF, Schauberger G, Schederecker F, Himmler S, Sundmacher L, Klug SJ (2024) Incidence trend of type 2 diabetes from 2012 to 2021 in Germany: an analysis of health claims data of 11 million statutorily insured people. Diabetologia 67:1040-1050.

    3 Multi-country retrospective observational study of the management and outcomes of patients with Type 2 diabetes during Ramadan in 2010 (CREED), Diabet Med 2015 Jun;32(6):819-28. doi: 10.1111/dme.12685. Epub 2015 Apr 10. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25581456/

    4 Huai Heng Loh et al., Safety of Ramadan fasting in young patients with type 1 diabetes: A systematic review and meta-analysis, J Diabetes Investig 2019; 10: 1490–1501 doi: 10.1111/jdi.13054

    5 IDF-Guidelines zu Diabetes und Fasten: https://idf.org/e-library/guidelines/87-diabetes-and-ramadan-practical-25

    Weitere Informationen:

    Diabinfo: Fasten mit insulinpflichtigem Diabetes: https://www.diabinfo.de/nachrichten/article/fasten-mit-insulinpflichtigem-diabet...

    International Diabetes Federation: https://idf.org/about-diabetes/diabetes-management/diabetes-and-fasting/


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).