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27.02.2025 10:02

Verschwörungsglaube fördert Fremdenfeindlichkeit

Claudia Roth Abteilung Kommunikation
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH

    Studie belegt negative Auswirkungen auf Einstellungen zu Minderheitengruppen

    Verschwörungserzählungen wirken sich negativ auf das soziale Miteinander aus. Menschen, die konspirativen Darstellungen ausgesetzt sind, entwickeln nachweisbar negativere Einstellungen gegenüber bestimmten Minderheitengruppen wie zum Beispiel Muslimen, Chinesen oder Russen. Das zeigt eine neue Studie von Eylem Kanol, Gastforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), und Rebecca Endtricht von der Universität Hamburg.

    Für die Untersuchung führten Kanol und Endtricht ein Umfrageexperiment in Deutschland durch. Die Teilnehmenden wurden mit konspirativen Darstellungen von Gesundheits-, Wirtschafts- und Sicherheitskrisen konfrontiert, ohne dabei auf bestimmte Narrative oder Gruppen hinzuweisen. Anschließend sollten sie ihre Einstellungen gegenüber verschiedenen Gruppen bewerten. Höhere Werte stehen für stärkere negative Gefühle (siehe Grafik).

    Bei den Gruppen handelte es sich zum einen um Angehörige von Minderheiten in Deutschland wie Jüdinnen und Juden, Geflüchtete und Muslime und zum anderen um Staatsangehörige der Länder USA, China und Russland, da auch diese Nationen häufig Ziel von Verschwörungstheorien sind. Um den kausalen Effekt der konspirativen Darstellungen nachzuweisen, wurde zusätzlich eine Kontrollgruppe eingerichtet. Die Befragten in dieser Gruppe bewerteten die genannten sozialen Gruppen, ohne zuvor mit den Verschwörungsszenarien konfrontiert worden zu sein.

    Ohne Krisenszenario bewerteten die Befragten Muslime, Geflüchtete und Russinnen und Russen am negativsten, während Juden und US-Amerikaner*innen am positivsten eingeschätzt wurden. In Verbindung mit einer konspirativen Darstellung einer Krise verschlechterte sich die Bewertung in fast allen Szenarien deutlich. Die Studie ergab insbesondere, dass eine verschwörungsorientierte Darstellung von Kriegen die stärkste negative Auswirkung auf die Wahrnehmung verschiedener Gruppen hatte. Ebenso hatten konspirative Darstellungen von Wirtschaftskrisen eine starke negative Wirkung.

    Je weiter sich Personen von der politischen Mitte nach links oder rechts bewegen, desto anfälliger sind sie für feindliche Einstellungen, wenn sie mit verschwörungstheoretischen Erzählungen konfrontiert werden. Während rechtsgerichtete Personen besonders auf wirtschaftliche Szenarien reagieren, sind es bei Linken in erster Linie gesundheitliche Narrative, die einen starken Einfluss haben. Menschen, die sich in der politischen Mitte verorten, zeigen hingegen eine größere Widerstandsfähigkeit gegenüber konspirativen Erzählungen.

    „Verschwörungserzählungen verstärken in Zeiten von Unsicherheit und Krisen die Trennung zwischen ,uns‘ und ,denen‘ und fördern die Entstehung von Vorurteilen“, erklärt Eylem Kanol. „Angesichts aktueller Entwicklungen, wie dem Verzicht vieler Social-Media-Plattformen auf Faktenprüfungen und dem wachsenden Einfluss rechtsextremer Parteien, die oft auf Verschwörungstheorien Bezug nehmen, ist es wichtiger denn je, diese Auswirkungen zu erkennen und anzugehen.“

    Die Daten dieser Studie stammen aus einer repräsentativen Umfrage, die in Deutschland zwischen dem 18. März und dem 10. Juni 2021 im Rahmen des Forschungsclusters „Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung (MOTRA)“ in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kriminologie an der Universität Hamburg durchgeführt wurde. An der Studie nahmen mehr als 4.000 Personen in Deutschland teil.

    Die Studie erlaubt keine Aussagen über die langfristigen Auswirkungen der experimentellen Manipulation auf die Einstellungen der Menschen. Bisherige Forschungsergebnisse legen nahe, dass der Glaube an Verschwörungen über längere Zeit hinweg bestehen bleibt und potenziell anhaltende Feindseligkeit gegenüber Fremdgruppen fördern kann. Um dies empirisch zu belegen, sind jedoch weitere Studien erforderlich.

    Die Studie ist in der Zeitschrift PLoS ONE erschienen und frei verfügbar.

    Rebecca Endtricht, Eylem Kanol (2024): Conspiracy beliefs and negative attitudes towards outgroups in times of crises: Experimental evidence from Germany. In: PLoS ONE 19(11).

    Eylem Kanol ist Gastforscher am WZB, wo er bis Januar 2025 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Migration, Integration und Transnationalisierung tätig war. Seit Februar forscht er an der Freien Universität Berlin.

    Rebecca Endtricht ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Eylem Kanol, Gastforscher Abteilung Migration, Integration, Transnationalisierung
    eylem.kanol@wzb.eu

    Claudia Roth, Stellvertretende Leiterin Kommunikation
    Tel.: 030 25491 510
    claudia.roth@wzb.eu


    Originalpublikation:

    https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0312418


    Weitere Informationen:

    https://www.wzb.eu/files/image/sv/k/Grafik_PM_Verschwoerungstheorien_Kanol_DE_3....
    https://www.motra.info/


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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