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"Forschungsoffensive", Teil 7: Bei der Versorgung von ehemaligen Nazi- und KZ-Opfern in deutschen Alten- und Pflegeheimen gibt es besondere Anforderungen, wie eine Arbeitsgruppe des Instituts für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke zeigt
Mit zunehmendem Alter wächst die Pflegebedürftigkeit. Das gilt auch für die Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung. Doch die konventionellen Pflege- und Betreuungsangebote tragen der besonderen Situation dieser Menschen kaum Rechnung. Viele NS-Opfer leiden gerade im Alter an den Folgen ihrer traumatischen Erlebnisse. Die meisten haben in Deutschland keine Familienangehörigen mehr. Wie hilfsbedürftige NS-Opfer in Deutschland leben, und welche spezifischen Pflegebedürfnisse sie haben, untersucht eine Forschungsgruppe am Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke.
"Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der besonderen Pflegebedürftigkeit von NS-Verfolgten ist noch relativ jung", sagt Dr. Wilfried Schnepp, der Leiter der Forschungsgruppe. Auf Anregung des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte haben die Wittener vor zwei Jahren damit begonnen, vorhandene Studien auszuwerten und eigene Interviews zu führen. Dabei sollte ein möglichst breites Spektrum von ehemaligen Verfolgten in den Blick genommen werden - von Juden, Sinti und Roma über Homosexuelle und Antifaschisten bis zu Zwangssterilisierten und Zeugen Jehovas. "Bei der Kontaktaufnahme mit den verschiedenen Gruppen haben wir sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht", berichtet Wilfried Schnepp. "Besonders freundlich und offen begegnete man uns in jüdischen Altenheimen."
Von ihren Bewohnern, so ergaben die Interviews, werden die jüdischen Altenheime als sichere Zufluchtsorte empfunden, in denen sie ihre Religion ausüben und ihre Traditionen pflegen können. Andere Altenheime, wo sie möglicherweise mit Tätern zusammenleben müssten, wären für sie inakzeptabel. "In jedem jüdischen Altenheim sind wir auch auf Menschen gestoßen, die aus Israel zurückgekehrt sind", sagt Wilfried Schnepp. Einige wollen in dem Land ihren Lebensabend verbringen, aus dem sie stammen. Andere sind wieder nach Deutschland gekommen, weil sie hier finanzielle Unterstützung erhalten.
Unter den NS-Opfern haben besonders die Überlebenden der Konzentrationslager traumatische Erlebnisse durchlitten. Vor allem im Alter und in Situationen der Hilfs- und Pflegebedürftigkeit kann es zu Retraumatisierungen kommen. Auslöser sind zum Beispiel eine bestimmte Musik oder laute Schritte auf dem Gang. "Man sollte traumatisierten Verfolgten auch keine Duschen anbieten", betont der Pflegewissenschaftler Wilfried Schnepp. Duschen könnten mit Gas assoziiert werden. Nach den Erfahrungen der Wittener Forschungsgruppe gehen die Pflegenden in jüdischen Altenheimen sehr einfühlsam und kompetent mit dem Problem der Retraumatisierungen um.
Die Situation der jüdischen Opfer hat bisher einen Schwerpunkt der Wittener Forschungen ausgemacht, was auch daran liegt, dass sich andere Gruppen viel weniger zugänglich zeigten. Einige Gespräche mit Sinti und Roma deuten darauf hin, dass offizielle Angebote der Altenpflege von den Betroffenen und ihren Familien nicht angenommen würden. In Interviews mit alt gewordenen Antifaschisten fiel vor allem auf, dass diese auch als Hochbetagte regelmäßig Kontakt untereinander haben. Von homosexuellen Männern, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung waren, wissen die Wissenschaftler lediglich, dass einige isoliert in normalen Altenheimen leben. Zu zwangssterilisierten Menschen und Zeugen Jehovas aus der NS-Zeit konnte noch kein Kontakt hergestellt werden. Neben einer Fortführung der bisherigen Arbeit soll in Witten unter dem Aspekt möglicher Betreuungsangebote bald auch erforscht werden, welchen Einfluss das Schicksal der NS-Verfolgten auf deren Nachkommen hat.
Weitere Infos: Dr. Wilfried Schnepp, Tel.: 02302/669-338, -358 (Sekretariat) Mail: schnepp@uni-wh.de
Dr. Wilfried Schnepp, Leiter der Wittener Forschungsgruppe
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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