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HSBI-Studentin Carina Thomas vom Fachbereich Gestaltung hat ein Comic-Sachbuch zum Thema „Introversion“ herausgebracht. In „Sag doch mal was“ skizziert sie mit eigenen Illustrationen und Texten, wie es ist, als introvertiertes Kind aufzuwachsen. Das Buch, das gleichzeitig ihre Bachelorarbeit ist, wurde jetzt vom CalmeMara Verlag veröffentlicht.
Bielefeld (hsbi). Ein kleines blondes Mädchen mit Brille auf einer Geburtstagsparty. Glücklich sitzt sie da und hört den Gesprächen zu. Plötzlich wird sie von einer lauten Stimme aus ihren Gedanken gerissen: „Sag doch mal was!“ Diese Szene beschreibt eine von HSBI-Studentin Carina Thomas gezeichnete Situation in ihrem Comic-Sachbuch mit eben jenem Titel „Sag doch mal was!“
Thomas studiert im Master Gestaltung an der Hochschule Bielefeld (HSBI). Das Buch war ihre Bachelorarbeit und wurde nun vom Bielefelder CalmeMara Verlag herausgegeben. Die junge Kommunikationsdesignerin verarbeitet darin, wie es war, als introvertiertes Kind aufzuwachsen. Ihr Anliegen: Sie möchte jungen Menschen mit auf den Weg geben, dass Introversion eine Stärke und keine Schwäche ist.
„Extrovertierte Menschen sind wie Windräder, introvertierte Menschen wie Akkus“
Das Buch wendet sich an Kinder ab zehn Jahren. Carina Thomas sagt, „es ist ein Buch für mein jüngeres Ich, das dieses Buch sehr gebraucht hätte!“ Lange hatte sie sich gefragt, warum sie so still ist. Schon seit ihrer Kindheit gehörte sie eher zu den stillen Kindern. Auch während ihrer Ausbildung zur Mediengestalterin wurde die Studentin mit Sätzen konfrontiert wie „Für ein Gestaltungsstudium brauchst du aber noch mehr Durchsetzungsvermögen!“. Carina Thomas: „Nach vier Jahren Bachelorstudium und jetzt im Master kann ich sagen: Mittlerweile kann ich mich durchsetzen – aber nicht so, wie meine Chefin sich das damals wahrscheinlich vorgestellt hat.“ An der HSBI hat sie gelernt, dass es okay ist, anders zu sein. „Es ist sogar nicht nur okay, Andersartigkeit wird hier sogar gefeiert. Und nur, weil man ruhig ist, heißt das nicht, dass man nicht für seine eigenen Bedürfnisse und Träume einstehen kann.“
In ihrem Buch arbeitet Carina Thomas überwiegend mit fröhlichen Farben wie Lila, Pink, Türkis, einem hellen Blau und Gelb. Zwischendurch schleichen sich allerdings dunklere Seiten ein. Seiten, auf denen Thomas die Herausforderungen und Ängste introvertierter Personen beschreibt. Ihre freundlichen und weichen Zeichnungen ergänzt die 30-jährige Studentin mit Texten zum Thema. Sie beschreibt genau, was es bedeutet, introvertiert oder eben extrovertiert zu sein. „Extrovertierte Menschen sind wie Windräder. Sie starten morgens mit wenig Energie und brauchen den Wind von äußeren Ereignissen, um Energie zu erzeugen“, so Thomas. „Bei introvertierten Personen ist es das Gegenteil. Sie stehen morgens mit 100 Prozent Energie auf und verlieren über den Tag immer mehr. Sie sind wie Akkus: Wenn der Akku leer ist, muss er erst wieder aufgeladen werden.“
Soziale Medien vermitteln oft extrovertierte Rollenvorbilder
Für ihre Recherche fand die 30-Jährige unter anderem Antworten in der Neurobiologie: Das Gehirn von Introvertierten reagiert stärker auf sensorische Reize. Es ist sensibler für alles, was in seiner Umgebung passiert. Woran das liegt? An der Amygdala. „Die Amygdala ist ein Teil unseres Gehirns, mitten im Zentrum“, so Thomas. „Dort prüft und verarbeitet sie alle Reize, die von außen in unsere Wahrnehmung dringen. Bei Introvertierten ist eine besonders aufmerksame Amygdala am Werk.“ Durch diese Reize wird Dopamin ausgeschüttet und an den Sympathikus gesendet, der ein Teil unseres Nervensystems ist. Der Sympathikus sorgt dann dafür, dass unser Körper aktiver wird. Für introvertierte Menschen kann das Stress und über eine längere zeitliche Distanz Energieverlust bedeuten.
In Sozialen Medien werden häufig extrovertierte Menschen als Vorbilder präsentiert, Extrovertiertheit wird als Voraussetzung für Erfolg propagiert. Wenn man 100 Menschen fragen würde, welchen Teil ihrer Persönlichkeit sie gerne ändern würden, würde jemand von sich behaupten, dass er oder sie gerne introvertierter wäre? „Nein“, sagt Carina Thomas. „Introvertiertheit wird leider immer noch als Schwäche wahrgenommen.“ Gleichzeitig hört die Studentin von ihren Mitmenschen häufig Sätze wie: „Ich würde gerne besser mit mir allein sein können“ oder „Ich wünschte, ich würde länger nachdenken, bevor etwas sage“. Und das sind im Grunde introvertierte Eigenschaften, die gesellschaftlich geschätzt werden. „Ich hoffe, dass ich durch meine Arbeit erklären kann, dass Introversion eben nicht bloß bedeutet, dass Menschen still und schüchtern sind. Sie sind einfühlsam, können sich lange auf eine Sache konzentrieren und sind oft gute Konzepter:innen, weil sie sehr viel nachdenken, bevor sie Entscheidungen treffen.“
Und was ist eine ihrer Lieblingsseiten im Buch? Die Seite, auf denen sie prominente Personen oder Figuren gezeichnet hat, die auch introvertiert sind, darunter Frida Kahlo, J.R.R. Tolkien oder auch Angela Merkel. „Hättet Ihr gewusst, dass Lady Gaga auch introvertiert ist?“ fragt Carina Thomas. Vorbilder aus Film und Literatur können Kindern helfen, sich selbst zu akzeptieren. Introvertierte Figuren wie Chihiro aus „Chihiros Reise“ oder Elphaba aus „Wicked“ zeigen, dass auch leise und zurückhaltende Persönlichkeiten Großes bewirken können.
Was ist Introversion? Antworten liefern Psychologie, Soziologie und Neurobiologie
Als Kind hatte Carina Thomas eine prägende Unterhaltung mit einer Leiterin auf einer Freizeit. Sie meinte, sie würde so traurig wirken. „Ich habe einfach nichts zu sagen“, war damals Thomas‘ Antwort. Daraufhin hat die Leiterin sie gefragt, ob sie Tagebuch schreibe. Als sie nickte, meinte die Leiterin zu ihr: „Aber dann hast du doch ‘was zu sagen!“ Diese Worte haben der heutigen Studentin damals gezeigt, dass ihre Gedanken relevant sind, auch wenn sie vielleicht nicht ausgesprochen werden. Eltern können und sollten das unterstützen, indem sie ihren Kindern zeigen, dass Schreiben, Tanzen oder Malen ebenfalls wertvolle Ausdrucksformen sind.
Heute kommt die Studentin mit dem Druck der Gesellschaft meist gut zurecht. „Natürlich gibt es auch Tage, an denen es mich frustriert, wenn mein sozialer Akku so schnell leer ist. Aber ich versuche, mich nicht dafür zu verurteilen.“ Besonders positiv findet sie die gesellschaftliche Entwicklung, dass Vielfalt höher geschätzt wird als früher, auch in Bezug auf Persönlichkeitstypen. „Unsere Gesellschaft kann davon profitieren, wenn extrovertierte und introvertierte Menschen zusammenarbeiten und lernen, einander besser zu verstehen. Ich glaube, es braucht diese Balance für eine wirklich starke Gemeinschaft.“
Inspiriert hat Carina Thomas das Buch „Heimat“ von Nora Krug, eine deutsche Illustratorin und Autorin, die mit ihren familienbiografischen Graphic Novels in den USA großen Erfolg hat. Auch die Bücher der Illustratorin Lucia Zamolo sind Vorbild für Thomas‘ Arbeit, weil sie zeigen, wie persönliche Geschichten und illustrierte Fakten zusammen wirken können. Ihre Leitfrage lautete „Warum sage ich nichts?“ Nach Antworten hat sie in der Psychologie, Soziologie und Neurobiologie gesucht, immer mit dem Ziel, erst einmal überhaupt herauszufinden, was Introversion eigentlich ist und was sie ausmacht. Nebenbei hat sie Schilderungen aus ihren Tagebüchern ausgegraben, die typisch für viele Introvertierte sind. Daraus sind kleine Skizzen und humorvolle Bilder entstanden, die die Fakten untermauern. Carina Thomas: „Das Buch ist deshalb auch ein sehr persönliches Werk.“
https://www.hsbi.de/presse/pressemitteilungen/introversion-als-staerke-hsbi-stud... Pressemitteilung auf www.hsbi.de
Introvertierte Menschen sind wie Akkus, die sich entladen. Extrovertierte sind wie Windräder, die du ...
S. Adelstein/HSBI
Carina Thomas studiert Gestaltung im Master. Das Buch „Sag doch mal was“ war ihre Bachelorarbeit. Es ...
S. Adelstein/HSBI
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Kunst / Design, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
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