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WSI-Experte in Landespressekonferenz
Tarifbindung in NRW rückläufig, aktuell noch bei 51 Prozent – andere Bundesländer tun deutlich mehr zur Stärkung der Tarifautonomie
Beschäftigte, die nicht nach Tarif bezahlt werden, verdienen in ganz Deutschland deutlich weniger als Arbeitnehmer*innen in Unternehmen mit Tariflöhnen. Im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) beträgt der Lohnabstand beispielsweise 20 Prozent.
Berücksichtigt man darüber hinaus die unterschiedlichen Betriebsgrößen und Branchenzugehörigkeiten von Betrieben mit und ohne Tarifvertrag, so liegt der „bereinigte“ Rückstand ohne Tarif immer noch bei 8,5 Prozent. Zudem ist mit Tarifvertrag die durchschnittliche Arbeitszeit spürbar kürzer: in NRW um rund 50 Minuten in der Woche als in Betrieben ohne Tarifbindung. In Nordrhein-Westfalen werden aktuell 51 Prozent der Beschäftigten nach Tarif bezahlt. Damit liegt das industriell geprägte Bundesland zwar knapp über dem Bundesdurchschnitt von 49 Prozent, die tarifliche Abdeckung ist aber seit Mitte der 1990er Jahre deutlich gesunken und auch in den vergangenen Jahren spürbar zurückgegangen. Im Vergleich der Bundesländer rangiert NRW nach den aktuellsten verfügbaren Daten lediglich an Position sechs (detaillierte Zahlen in den Abbildungen in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Das sind Ergebnisse, die Prof. Dr. Thorsten Schulten, Tarifexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, heute auf der Landespressekonferenz in Düsseldorf vorgestellt hat (weitere Infos und Zitate zur PK sind am Ende dieser PM verlinkt).*
-Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen-
Bei gesetzlichen Initiativen zur Sicherung und Stärkung der Tarifbindung ist NRW nach Analyse des Experten in den vergangenen Jahren hinter andere Bundesländer zurückgefallen, die umfassendere und wirksamere Gesetze zur Tariftreue in der öffentlichen Auftragsvergabe eingeführt haben (siehe auch Tabelle 1 in der pdf-Version). Mittlerweile werden in sechs Bundesländern (Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen) öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben, die bestimmte Tarifstandards einhalten. Weitere Bundesländer wie z.B. Brandenburg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen haben die Einführung umfassender Tariftreuevorgaben in ihren Landesvergabegesetzen angekündigt. Im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD wird außerdem für den Bund die Einführung eines Bundestariftreuegesetzes bekräftigt.
Nordrhein-Westfalen verfüge demgegenüber über ein nur sehr eingeschränktes Tariftreue- und Vergabegesetz, demzufolge die Tariftreuevorgaben im Wesentlichen lediglich für den Öffentlichen Nahverkehr gelten, so Schulten. Eine Ausdehnung auf andere Branchen wird von der aktuellen NRW-Landesregierung zwar seit längerem angekündigt. Bislang wurde der Öffentlichkeit jedoch noch keine konkrete Gesetzesinitiative vorgestellt. „Gerade Nordrhein-Westfalen braucht dringend ein umfassendes Tariftreuegesetz, das die bisherige Benachteiligung von Unternehmen mit Tarifvertrag bei öffentlichen Aufträgen aufhebt und faire Wettbewerbsbedingungen schafft“. sagt der Forscher, der das WSI-Tarifarchiv leitet.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 2023 mehr als 13 Milliarden Euro für öffentliche Aufträge und Konzessionen ausgegeben „Damit verfügt die öffentliche Hand in NRW über eine erhebliche Marktmacht, die sie zur Stärkung der Tarifbindung einsetzen kann“, so Schulten. Neben der öffentlichen Auftragsvergabe wäre es notwendig, auch die regionale Wirtschaftsförderung in den Blick zu nehmen und generell öffentliche Investitionen an die Einhaltung von Tarifstandards zu binden.
Ende vergangener Woche haben 124 Wissenschaftler*innen, darunter WSI-Experte Schulten, in einem Aufruf zur „Stärkung der Tarifbindung“ darüber hinaus zahlreiche konkrete Vorschläge für eine bessere Verbreitung von Tarifverträgen in Deutschland gemacht.**
Prof. Dr. Thorsten Schulten
Leiter WSI-Tarifarchiv
Tel.: 0211-7778-239
E-Mail: Thorsten-Schulten@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
*Die Daten zur Situation von Tarifautonomie und Tarifbindung in NRW werden heute in der Landespressekonferenz NRW vorgestellt. An der PK nehmen auch Anja Weber, Vorsitzende des DGB NRW, und Özlem Yarar, Vorstandsmitglied der Arbeitnehmerseite in der Handwerkskammer Düsseldorf, teil. Mehr Informationen und Zitate zur PK finden Sie beim DGB NRW: https://nrw.dgb.de/-/GL4t
**Der Wissenschaftler*innen-Aufruf: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-aufruf-zur-gesetzlichen-staer...
Die PM mit Abbildungen und Tabelle (pdf): https://www.boeckler.de/data/pm_wsi_2025_03_18.pdf
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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