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18.03.2025 16:09

Mit dem Roboter auf Vermessungsaktion im Permafrost

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Ein Forschungsteam der Universität Würzburg hat mit einer neuen Technologie einen Permafrost-Tunnel an der Zugspitze vermessen. Das System ermöglicht hochpräzise 3D-Aufnahmen auch in schwer zugänglichen Umgebungen.

    Seit dem Jahr 1926 durchzieht ein Tunnel den oberen Bereich der Zugspitze. Gebohrt, damit Skifahrer von der österreichischen Seilbahn zum Skigebiet auf der deutschen Seite des Gipfels gehen konnten, endet der Tunnel heute im Keller des Schneefernerhauses. Früher war dort ein Hotel untergebracht; mittlerweile ist das Gebäude eine weltweit einmalige Umweltforschungsstation. Und seit Januar 2024 ist die Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) eine von mehreren Institutionen, die das Schneefernerhaus für ihre Forschung nutzen.

    Jetzt liegt ein erstes Forschungsergebnis vor, das ein Team der JMU in dieser Region erzielt hat: Die Arbeitsgruppe Robotik unter der Leitung von Professor Andreas Nüchter hat erfolgreich ein sogenanntes „sphärisches Mobile Mapping System“ zur 3D-Kartierung des alpinen Permafrost-Tunnels an der Zugspitze getestet. Nüchter leitet am Institut für Informatik den Lehrstuhl für Informatik XVII mit einem Schwerpunkt im Bereich Robotik.

    Eine Technik mit vielen Einsatzgebieten

    „Moderne 3D-Kartierung ist für zahlreiche Anwendungen wie autonomes Fahren, Bauwerksinspektionen, Raumfahrt oder Umweltkartierungen von zentraler Bedeutung“, schildert Andreas Nüchter den Hintergrund des Projekts. Dabei kommen in der Regel Techniken wie rucksackmontierte LiDAR-Scanner oder Drohnen zum Einsatz. Auch Forschende vom Lehrstuhl für Fernerkundung am Earth Observation Research Cluster der JMU haben mit dieser Technik auf der Zugspitze bereits diverse Vermessungen durchgeführt.

    Das Einsatzgebiet dieser Technik ist allerdings limitiert: „Während rucksackmontierte LiDAR-Scanner oder Drohnen hervorragend für strukturierte Umgebungen geeignet sind, stoßen sie in schwer zugänglichen Bereichen wie Höhlen oder Tunneln an ihre Grenzen”, erklärt Nüchter. Sphärische Mobile Mapping Systeme, wie sie von Nüchters Mitarbeitern entwickelt werden, versprechen hier eine vielversprechende Lösung.

    Bei diesen Systemen handelt es sich um eine Art Bowling-Kugel mit einer besonders geschützten Sensorik in ihrem Inneren. Das macht sie widerstandsfähig gegenüber widrigen Bedingungen. Gleichzeitig ermöglicht ihre rollende Bewegung eine Erfassung der Umgebung in allen Richtungen, was zu einer optimalen Abdeckung führt.

    Erprobung in einem realen alpinen Szenario

    Die Arbeitsgruppe von Andreas Nüchter konnte in früheren Arbeiten bereits zeigen, dass sich sphärische Mobile Mapping Systeme für die 3D-Kartierung strukturierter Innenräume eignen. In dem aktuellen Experiment wurde diese Technologie nun in einem realen alpinen Szenario getestet. Verglichen wurden die dabei gewonnenen Daten mit den Informationen eines rucksackmontierten LiDAR-Systems, die das Team vom Lehrstuhl für Fernerkundung aufgenommen hatte.

    „Die Zusammenarbeit mit der Informatik und neuartigen Lidar Systemen ist für unser Forschungsfeld hoch interessant, da wir dadurch Informationen über die Umwelt gewinnen, die wir mit unserem System nicht hätten aufnehmen können“, erläutert Professor Tobias Ullmann vom Lehrstuhl für Fernerkundung.

    Trotz ihrer Vorteile stellen sphärische Systeme besondere Herausforderungen dar. „Die schnelle Rotation kann zu Verzerrungen in den erfassten Daten führen, und Trägheitsmessungen werden unzuverlässiger”, erklärt Nüchter. Während die meisten Forschungsprojekte sich auf die Fortbewegung dieser Roboter konzentrieren, befasst sich das Forschungsteam von Andreas Nüchter deshalb gezielt mit den Herausforderungen der 3D-Kartierung und der Schätzung mit Beschleunigungssensoren.

    Interessant für den Einsatz im Weltall

    Die jetzt erzielten Forschungsergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für die Erforschung unbekannter und potenziell gefährlicher Umgebungen, sei es auf der Erde oder im Weltall. Bereits Anfang 2024 hat die japanische Raumfahrtagentur JAXA einen sphärischen Roboter erfolgreich auf den Mond geschickt, um seine Bewegungsfähigkeit zu testen. Diese Entwicklungen könnten in Zukunft den Weg für autonome Erkundungen von verlassenen Bergwerken, Höhlen oder gar Exoplaneten ebnen. „Auch für die Untersuchungen von Steinschlag, Abtauen des Permafrosts und daraus resultierende Rutschungen sind derartige neuartigen Anwendungsfelder hoch relevant“, bestätigt Dr. Sarah Schönbrodt-Stitt aus der Fernerkundung.

    Mit der erfolgreichen Demonstration im alpinen Permafrost-Tunnel der Zugspitze wurde ein bedeutender Meilenstein erreicht, so die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Forschung lege den Grundstein für den weiteren Einsatz dieser innovativen Technologie in extremen Umgebungen und stelle einen wichtigen Schritt in der Entwicklung mobiler 3D-Kartierungslösungen dar.

    „In Zukunft soll die Messkugel noch Temperaturinformationen sammeln und so die Oberflächenbeschaffenheit analysieren“, sagt Andreas Nüchter. Damit könne sie Forschenden aus der Geographie hoch relevante Informationen liefern. „Der Permafrost-Tunnel an der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus führt durch das gefrorene Zugspitzmassiv“, erklärt Tobias Ullmann. „Ähnliche Begebenheiten erwarten Forscher in Lavahöhlen auf dem Mond“, fügt Andreas Nüchter hinzu.

    Viel Potenzial für weitere Projekte – beispielsweise in der Arktis

    Pläne für weitere gemeinsame Projekte der Informatik und der Fernerkundung gibt es schon jetzt. Beispielsweise sieht Dr. Mirjana Bevanda in der Entwicklung derartiger Lidar-Systeme für arktische Forschung großes Potential. „Die Umweltbedingungen auf der Zugspitze ähneln teilweise denen in der Arktis, wobei die Infrastruktur auf der Arktis weniger ausgebaut ist und viele Forschungsprojekte genau solche Umweltinformationen benötigen würden“, erläutert die Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Fernerkundung.

    Auch für Andreas Nüchter sind die Anwendungen auf der Zugspitze nur der Anfang des Einsatzes in realen Bedingungen. Er sieht der weiteren Zusammenarbeit für die Anwendung seiner Technologie in noch herausfordernden Bedingungen mit Freude entgegen. „Die von uns entwickelten Roboter in den sich verändernden Gletschern auf Spitzbergen einzusetzen, um deren Dynamik zu kartieren, würde auch für Fragen zum Klimawandel hoch interessant sein“, sagt der Informatiker.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Andreas Nüchter, Lehrstuhl für Informatik XVII (Robotik), T: +49 931 31-88790, andreas.nuechter@uni-wuerzburg.de


    Weitere Informationen:

    Das Ergebnis der Vermessungsaktion – eine 3D-Punktwolke des Tunnels – ist hier in einem kurzen Video zu sehen.


    Bilder

    So sieht es aus, das Sphärische Mobile Mapping System, das Andreas Nüchters Mitarbeiter entwickelt haben.
    So sieht es aus, das Sphärische Mobile Mapping System, das Andreas Nüchters Mitarbeiter entwickelt h ...
    Universität Würzburg
    Universität Würzburg

    Fabian Arzberger und Andreas Nüchter beim 3D-Scannen mit der Kugel.
    Fabian Arzberger und Andreas Nüchter beim 3D-Scannen mit der Kugel.
    Universität Würzburg
    Universität Würzburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geowissenschaften, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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