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Wissenschaft
Fachleute für 3D-Druck vom Fraunhofer IPA erforschen, wie das Lasersintern genutzt werden kann, um Kunststoffbauteile effizient und in hoher Qualität herzustellen. Damit soll der Produktentstehungsprozess in der Automobilindustrie deutlich schneller und zu geringeren Kosten ablaufen.
Auf dem Forschungscampus ARENA2036 in Stuttgart hat ein Team um Patrick Springer vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA kürzlich einen neuen 3D-Drucker in Betrieb genommen. Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Anlage nicht groß von vergleichbaren Modellen. Durch zwei kleine Fenster ist zu sehen, wie ein Laserstrahl flächig aufgebrachtes Kunststoffpulver an genau festgelegten Stellen verfestigt. Der Vorgang wiederholt sich Schicht für Schicht, bis das gewünschte Bauteil fertig ist. Lasersintern nennt sich dieser 3D-Druckprozess.
Dreifach modifizierter 3D-Druckprozess
Auf den zweiten Blick wird klar, wodurch sich der neue 3D-Drucker in der ARENA2036 von anderen unterscheidet. Da ist zunächst der Faserlaser, der das Kunststoffpulver aufschmilzt: »Er besitzt eine höhere Leistung und kann stärker fokussiert werden als die aktuell eingesetzten CO2-Laser«, erklärt Springer, der am Fraunhofer IPA das Forschungsteam Additive Prozesse für Thermoplaste leitet. »So kann die Anlage Bauteile mit exakten Abmessungen herstellen und das in kurzer Zeit.«
Dann ist da das Kunststoffpulver: »Wir verwenden ein Polypropylen-Pulver, das mit kleinen Glaspartikeln versetzt ist und dem fertigen Kunststoffbauteil mehr Steifigkeit verleiht. Es ist ein Material, das bislang noch nicht kommerziell erhältlich ist. Wir müssen den Druckprozess nun schrittweise so an das neue Material und seine Eigenschaften anpassen, damit er zuverlässig läuft und die gewünschten Geometrien produziert«, sagt Springer.
Und schließlich ist da noch der Sensor: »Er soll es uns erlauben, den Druckprozess quasi live zu beobachten«, erläutert Springer. »Er erfasst die Signale, die reflektiert werden, wenn der Laserstrahl auf das Pulver mit den Glaspartikeln trifft. Daraus können wir hoffentlich ableiten, ob der Prozess korrekt abläuft oder Fehler auftreten. Wir arbeiten hier eng mit dem Sensorhersteller und der Universität Stuttgart zusammen.«
In wenigen Monaten bis zum fertig entwickelten Bauteil
Der Faserlaser, das mit Glaspartikeln versetzte Polypropylen-Pulver und der Sensor – dieser Versuchsaufbau soll dazu beitragen, den Produktentstehungsprozess in der Automobilindustrie zu verkürzen und dessen Kosten zu senken. Bisher fertigt die Branche nur Musterbauteile und Prototypen additiv, also mit 3D-Druckern. Funktionale Kunststoffbauteile aus Polypropylen für Vorserienfahrzeuge werden hingegen im Spritzgussverfahren hergestellt, weil es bisher keine Alternative gibt, Bauteile in der gewünschten Qualität herzustellen.
Doch für alles, was mit Spritzguss produziert werden soll, müssen kostspielige Spezialwerkzeuge von Zulieferern beschafft werden. Bis die ersten Bauteile produziert und getestet worden sind, vergehen schnell drei bis sechs Monate. »Mit der Additiven Fertigung könnte es nur noch zwei bis drei Wochen dauern, bis die Bauteile verfügbar sind«, gibt Springer zu bedenken. »Die Entwickler können die eingesparte Zeit nutzen, um das Bauteil entweder weiter zu optimieren, oder es schneller auf den Markt zu bringen. Und für die Serie wird dann in größeren Stückzahlen wirtschaftlich mit einem Werkzeug produziert.«
Bauteile aus dem 3D-Drucker in Spritzguss-Qualität
Bis das möglich ist, wird allerdings noch mehr als ein Jahr verstreichen. Mark Becker, einer von Springers Kollegen, tastet sich derzeit an die optimalen Prozessparameter heran. Er beginnt mit einfachen Bauteilen, fertigt sie immer genauer und hochwertiger, bis sie die notwendige Qualität erreicht haben. Dann wagt er sich an das nächstkomplexere Bauteil heran. Dafür nutzt er den neuen industriellen 3D-Drucker in der ARENA2036, der einen vergleichsweise großen Bauraum besitzt und mit zwei Faserlasern ausgestattet ist. »Deshalb kann die Maschine auch große Teile in kurzer Zeit bauen. Die Entwicklung von geeigneten Prozessparametern zur Verarbeitung neuer Kunststoffe ist dafür besonders wichtig«, sagt Becker.
Parallel erprobt Becker zusammen mit den Projektpartnern, wie der Sensor zur Überwachung des Laserprozesses eingesetzt werden kann. Mit den Daten, die der Sensor erhebt, und den Maschinendaten, die der 3D-Drucker standardmäßig erfasst, soll ein KI-Modell trainiert werden. Je mehr Kunststoffbauteile Becker also fertigt, desto besser versteht die Künstliche Intelligenz, welches die optimalen Prozessparameter sind und wie sich Abweichungen auf die Produktqualität auswirken.
Digitalisierte Prozesskette für additiv gefertigte Kunststoffbauteile
Das alles geschieht im Rahmen des Forschungsprojekts »DigiAutoFab«, das bereits im Spätsommer 2023 angelaufen ist und noch bis 30. Juni 2026 läuft. Ziel ist eine vollständig digitalisierte Prozesskette für additiv gefertigte Kunststoffbauteile – von der Konstruktion über die Fertigungsvorbereitung und die Fertigung selbst, bis hin zu den nachgelagerten Prozessen. So soll nicht nur der Produktentstehungsprozess verkürzt werden. Künftig sollen mit dem Lasersintern auch Ersatzteile und Varianten von Großserienfahrzeugen bedarfsgerecht produziert werden. Die Ergebnisse aus dem Projekt sollen aber nicht nur der Automobilindustrie zugutekommen, sondern auch auf andere Branchen übertragbar sein.
Mark Becker | Telefon +49 711 970-1790 | mark.becker@ipa.fraunhofer.de | Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA | www.ipa.fraunhofer.de
Patrick Springer | Telefon +49 711 970-1996 | patrick.springer@ipa.fraunhofer.de | Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA | www.ipa.fraunhofer.de
Mit dem neuen 3D-Drucker in der ARENA2036 fertigt Mark Becker zunächst einfache Testbauteile und wag ...
Rainer Bez
Fraunhofer IPA
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter
Maschinenbau
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch
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