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Wissenschaft
Innovative Lehrkonzepte bereichern heute bereits die dermatologische Lehre
Die Digitalisierung hat längst alle Lebensbereiche durchdrungen – auch die Medizin. Es gibt allerdings noch immer eine Kluft zwischen den realen Verhältnissen und den digitalen Lehrinhalten in der Ausbildung angehender Ärztinnen und Ärzte. Medizinstudierende müssen „digitale Kompetenzen“ erwerben, mit den jetzt schon zur Verfügung stehenden Tools vertraut sein und zugleich auch die Grenzen und Risiken digitaler Medizin kennen.
Welche Strategien in der dermatologischen Lehre entwickelt werden, welche digitalen Hilfsmittel und Tools heute bereits eingesetzt werden und wo möglicherweise Limitierungen liegen, diskutieren Expertinnen und Experten der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e. V. (DDG) auf der Online-Pressekonferenz am 29. April 2025 zum Auftakt der DDG-Tagung (30.04. – 03.05.2025) in Berlin.
Nahezu alle Lebensbereiche sind durch Digitalisierung geprägt. Aber der Durchdringungsgrad ist unterschiedlich. „Die viel beschworene digitale Transformation im Gesundheitswesen gelingt nur, wenn die bislang noch vorhandenen Schwachstellen in der medizinischen Aus- und Weiterbildung behoben werden“, sagt Prof. Dr. med. Julia Welzel, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Augsburg, Medizincampus Süd und Präsidentin der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). „Alle Lehrenden müssen vermitteln, wie man bestehende digitale Angebote wahrnehmen und anwenden kann, um zukünftige Projekte mitzugestalten“, betont die DDG-Tagungspräsidentin. Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) erwähnt explizit auch digitale Kompetenzen. Wie diese Fähigkeiten konkret aussehen sollen, ist jedoch nicht festgelegt. Aufgabe des Lehrpersonals ist es also, für das jeweilige medizinische Fach das Spektrum und die Inhalte zu definieren.
Die Dermatologie ist hinsichtlich digitaler Anwendungen besonders gut aufgestellt. „Als ‚visuelles Fach‘ profitieren wir stark von den Innovationen der bildgebenden Verfahren beispielsweise bei der Diagnose von Hautkrebs mit modernen nichtinvasiven bildgebenden Methoden“, sagt Welzel.
In den dermatologischen Lehrveranstaltungen geht es heute bereits um Telemedizin („store and forward“-Techniken, Video-Konsultationen im Kollegenkreis oder als Sprechstunde mit Patientinnen und Patienten), die Anwendung Künstlicher Intelligenz z. B. in der Hautkrebsdiagnostik und das Arbeiten mit Avataren. Letztere sind aus der Gamingwelt bekannt und das „digitale Abbild“ einer Person, häufig als animierte Figur. In der medizinischen Lehre können diese Avatare als virtuelle Patientinnen/Patienten, Lehrende oder als virtuelle Kolleginnen/Kollegen eingesetzt werden. Dadurch ist interaktives Lernen möglich. Die Medizinstudierenden interagieren mit virtuellen Kranken, stellen Diagnosen und entwickeln Behandlungspläne.
Für Prof. Welzel ist wichtig, dass die Studierenden klinische Entscheidungs-Unterstützungssysteme kennenlernen, von digitaler Patientensteuerung mittels digitaler Patientenpfade erfahren und lernen, wie Large Language Models (wie z. B. ChatGPT) in die Patientenversorgung integriert werden können. „Es geht auch um einen kritischen Umgang, um Aspekte des Datenschutzes, Kenntnisse der Limitationen und das Vertrauen in KI“, ergänzt Welzel. Alle diese Aspekte werden in Zukunft ein selbstverständlicher Teil der ärztlichen Tätigkeit sein.
Am Beispiel von ChatGPT, das „natürliche Sprache“ versteht und kohärente und kontextuell passende Antworten auf eine Vielzahl von Prompts und Fragen generiert, lassen sich für Studierende die Vorteile für den medizinischen Arbeitsalltag gut verdeutlichen. ChatGPT kann aus unzähligen Dokumenten einer umfangreichen Krankengeschichte die relevanten Inhalte für die/den Behandelnden zusammenfassen. Diese steht dann wieder für die Interaktion mit dem Patienten oder der Patientin zur Verfügung. Die „Sprachkompetenz“ von ChatGPT ist zugleich eine Kommunikationskompetenz, die im besten Fall Verständnishürden überwindet, besser informiert und aufklärt und so die Adhärenz fördert. Ein Arzt/eine Ärztin kann ChatGPT zum Beispiel einsetzen, wenn er oder sie einem Kind mit Neurodermitis erklären soll, was es für eine Diagnose hat und wie man damit umgeht. ChatGPT erhält dann zum Beispiel als Prompt die Aufforderung: „Beschreibe die Diagnose so, dass sie eine Fünfjährige verstehen kann“. ChatGPT könnte dann aus diesen Inhalten sogar ein Bilderbuch erstellen.
Lernen durch Anschauen – dieses Prinzip ist in der Dermatologie von besonderer Bedeutung. Um die richtige Diagnose zu stellen, muss man dreidimensionale Strukturen erkennen und lernen, sie korrekt zu beschreiben. Fotos allein können das nicht vermitteln, da diese keinen Rückschluss auf die Haptik der Haut zulassen. Was in früheren Dekaden Wachsmodelle von Hauterkrankungen leisteten, können jetzt die 3D-Moulagen übernehmen. „Durch 3D-Technologien, also 3D-Scanning- und 3D-Visualisierungsverfahren, haben wir einen weiteren Baustein für die dermatologische Lehre gewonnen, der eine umfassende und intensive Form der Lernerfahrungen ermöglicht“, erklärt Welzel. Das Virtuelle Internationale Moulagen Archiv (VIMA) entwickelt zurzeit eine Plattform für diese 3D-Moulagen. Geplant ist für die Zukunft eine Druck-Pipeline, mit der die 3D-Modelle von der Plattform aus für Lehr- und Weiterbildungszwecke ausgedruckt werden können. Das VIMA präsentiert die 3D-Moulagen auf der DDG-Tagung (30.04.-03.05.2025, CityCube, Derma Lounge).
3D-Modelle können darüber hinaus in rein virtuelle Lernumgebungen eingebracht werden und Studierenden „real wirkende“ Behandlungssituationen zeigen. An der Medizinischen Fakultät der Uni Augsburg konnten Studierende mit VR-Brillen die klinische Versorgung eines Patienten mit anaphylaktischem Schock nach Wespenstich erleben. „So können Notfälle aus jeder Perspektive, auch aus der Sicht der Patientinnen und Patienten, erlebbar werden, die man sonst nicht oder sehr selten miterlebt. Durch den Perspektivwechsel kann die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Pflegenden trainiert und verbessert werden. Zudem kann das 3D-Video jederzeit für Rückfragen und Klärungen angehalten werden“, beschreibt Welzel. Die Möglichkeiten der 3D-Technologien sind beeindruckend. „Allerdings müssen alle neuen Lehrkonzepte dahingehend überprüft werden, ob sie den klassischen Lehrformaten überlegen sind“, merkt Welzel kritisch an. Realistische Simulationen führen nicht automatisch zu höherem Lernerfolg.
Die konkrete Ausgestaltung der Inhalte und Tools im Kontext „Medizin und Digitalisierung“ unterscheidet sich von Fakultät zu Fakultät. Auch für die Dermatologie gibt es eher Insellösungen. Aufgabe in der Zukunft muss auch sein, hier gemeinsame Lösungen für das Fach zu finden und in die Fläche zu bringen. Wie die parallel stattfindenden Bestrebungen nach longitudinalen Curricula innerhalb der jeweiligen Fakultäten hier berücksichtigt werden können, ist eine besondere Herausforderung, der sich die DDG mit ihrem Forum Akademische Lehre aktiv annimmt.
Literatur:
Schneller, A., Welzel, Hinske, LC, Schuh, S. 3D-Technologien in der dermatologischen Lehre. Aktuelle Dermatologie 2024; 50(08/09): 390-396. DOI: 10.1055/a-2333-8946
Terminhinweise:
Online-Pressekonferenz zum Auftakt der 53. DDG-Tagung
Termin: Di, 29. April 2025, 11 bis 12 Uhr
Einwahllink: https://zoom.us/meeting/register/aIprsPJ9TZWxP_MwRy7Gpg
Kenncode: 453384
Zum Programm der Pressekonferenz
Teilnahme an der Pressekonferenz:
Sie können unabhängig von einer Anmeldung zur DDG-Tagung an der Online-Pressekonferenz teilnehmen! Anmeldung zur Pressekonferenz per Mail an (d.arnold@derma.de), zusammen mit Tagungsregistrierung/ Anmeldung (Zur Registrierung) oder spontan am Tag der Pressekonferenz via Zoom-Link.
Wissenschaftliches Programm, Tagungsnews und weitere Informationen
Artificial intelligence (AI) and healthcare: the good, the bad, and the unknown [KN01]
Keynote-Sprecher: Dr. Harvey Castro
Termin: Mi, 30.04.25, 10:00 – 10:30 Uhr
Ort: Saal A6+A7, CityCube Berlin
Von Groß nach Klein für Groß und Klein - Künstliche Intelligenz in der dermatologischen Diagnostik [T05]
Vorsitz: Dr. Sandra Schuh, Dr. Paul Schmidle
Termin: Do, 1 .Mai 2025, 15:30 - 17:00 Uhr
Ort: Saal A3, CityCube Berlin
Programm: https://www.derma-tagungen.de/release/ddg2025/de-DE/session/118289
Digitale Technologien - heute und morgen [T06]
Vorsitz: Prof. Alexander Zink, Dr. Natalia Kirsten
Termin: Fr, 2. Mai 2025, 11:00 - 12:30 Uhr
Ort: Saal A4, CityCube Berlin
Programm: https://www.derma-tagungen.de/release/ddg2025/de-DE/session/118299
Ausstellung des Virtuellen Internationalen Moulagen Archivs
Ort: Derma Lounge, Ebene 2, CityCube
Datum und Kernzeiten:
Mi, 30.04.2025
09:00 Uhr - 11:00 Uhr
12:00 Uhr - 16:00 Uhr
Do, 01.05.2025
12:00 Uhr - 15:00 Uhr
Fr, 02.05.2025
08:00 Uhr – 11:00 Uhr
12:00 Uhr – 17:00 Uhr
Sa, 03.05.2025
12:00 Uhr - 15:00 Uhr
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Kontakt:
Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit:
Prof. Dr. med. Silke Hofmann
Ansprechpartnerin Pressestelle:
Dagmar Arnold
- Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit -
Robert-Koch-Platz 7
10115 Berlin
Tel.: +49 30 246 253-35
E-Mail: d.arnold@derma.de
http://www.derma-tagungen.de Tagungswebseite 2025
https://www.derma-tagungen.de/release/ddg2025/de-DE/page/ProgrammPK Programm der Pressekonferenz
https://www.derma-tagungen.de/programlanding/release/ddg2025/de-DE Wissenschaftliches Programm
https://www.derma-tagungen.de/release/ddg2025/de-DE/page/Registrieren Registrierung
http://www.derma.de Webseite der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Pressetermine
Deutsch
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