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24.04.2025 14:28

Dinosaurierfressendes Riesenkrokodil Deinosuchus wegen Salzwassertoleranz erfolgreich

Christfried Dornis Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Seine Salzwassertoleranz machte es dem ausgestorbenen Riesenkrokodil Deinosuchus möglich, sich in ganz Nordamerika auszubreiten. Das hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Márton Rabi aus der Biogeologie der Universität Tübingen in einer detaillierten Abstammungsstudie herausgefunden.

    Das ausgestorbene Riesenkrokodil Deinosuchus war eines der erfolgreichsten Raubtiere in den Feucht- und Küstengebieten Nordamerikas und stellte selbst für große Dinosaurier eine Gefahr dar. Der Schlüssel zum Erfolg des „schrecklichen Krokodils“, wie der wissenschaftliche Name des Raubtiers übersetzt heißt, war seine Salzwassertoleranz und seine enorme Größe, die durch die hohe Produktivität der Küstenökosysteme begünstigt wurde. Das hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Márton Rabi aus der Biogeologie der Universität Tübingen in einer detaillierten Abstammungsstudie herausgefunden. Mit dieser Erkenntnis lässt sich das Rätsel lösen, wie Deinosuchus in der Kreidezeit vor 82 bis 75 Millionen Jahren zu einem der erfolgreichsten und größten Raubtiere Nordamerikas werden konnte. Die neue Studie wurde in der Fachzeitschrift Communications Biology veröffentlicht.

    Die Arten der Gattung Deinosuchus gehörten zu den größten jemals lebenden Krokodilen. Sie waren weit verbreitet in den Feucht- und Küstengebieten des Westatlantiks und auf beiden Seiten des ausgedehnten Flachmeers, das in der mittleren und späten Kreidezeit den nordamerikanischen Kontinent von Norden nach Süden durchzog. Dieser frühere Meeresarm wird auch als Western Interior Seaway bezeichnet. Die Existenz der Deinosuchus-Krokodile wurde mehr als zehn Millionen Jahre vor dem Erscheinen des bekannten Dinosauriers Tyrannosaurus rex – oder T-rex – nachgewiesen. „Dass die Deinosuchus-Krokodile Dinosaurier erbeuteten, hat man in der Vergangenheit unter anderem aus entsprechenden Bissspuren auf Knochen von frühen Verwandten des T-rex geschlossen“, berichtet Márton Rabi.

    Salzwassertoleranz als entscheidender Vorteil

    Bisher galten die Deinosuchus-Krokodile als mit den Süßwasser-Alligatoren und den Kaimanen verwandt. Wie sie sich trotz des Hindernisses, das der Western Interior Seaway darstellte, in Nordamerika weit verbreiten konnten, war unklar. Da der kreidezeitliche Meeresarm bereits vor den ersten Deinosuchus-Fossilien existierte, sei es unwahrscheinlich, dass die Populationen später getrennt wurden, berichtet Rabi.

    Um die Abstammung von Deinosuchus genauer zu bestimmen, erstellte das Forschungsteam einen umfassenden Familienstammbaum von Krokodilarten. Dafür erhoben die Forscherinnen und Forscher umfangreiche Daten von einer ganzen Reihe von bisher nicht detailliert untersuchten Schädeln und Skeletten ausgestorbener Arten und ließen auch genetische Informationen heute noch lebender Krokodilarten einfließen. „Unsere Analyse ergab sehr deutlich, dass die Deinosuchus-Arten nicht näher mit den Alligatoren und Kaimanen verwandt waren und auch nicht mit irgendeiner heute noch lebenden Krokodilart“, sagt Jules D. Walter, Doktorand und Erstautor der Studie. Die Deinosuchus-Krokodile entstammten einer Seitenlinie, die vom Hauptast des Familienbaums abzweigte, der zu den heute lebenden Arten wie den Echten Krokodilen, Alligatoren, Kaimanen und Gavialen weiterführte.

    „Mit der neuen Zuordnung im Familienstammbaum nehmen wir nun an, dass in der Gattung die Salzwassertoleranz der Vorfahren erhalten blieb“, sagt Walter. „Zwar lebten Deinosuchus-Krokodile nicht dauerhaft im Meer, sie könnten aber den Western Interior Seaway überquert und sich ausgebreitet haben.“ Zum Ende der Kreidezeit fiel der Meeresspiegel, der den nordamerikanischen Kontinent überspannende Meeresarm zog sich zurück. Aus dieser Zeit gebe es keine Fossilien von Deinosuchus mehr, möglicherweise seien die Arten damals mit dem Verlust der großen Feuchtgebiete ausgestorben.

    Verletzlicher Gigant: Riesenkrokodil war auf fruchtbaren Lebensraum angewiesen

    Das Forschungsteam nahm auch eine neue Abschätzung der Körperlänge von Deinosuchus riograndensis vor, die bisher zwischen acht und zwölf Metern lag. „Wir kommen auf bescheidenere Maße von etwa 7,7 Metern Gesamtlänge aber es gibt Hinweise auf unvollständig erhaltene größere Individuen“, berichtet Walter. „Wir haben kein vollständiges Skelett. Der Deinosuchus-Schädel hat eine vergleichsweise lange Schnauze, was unserer Meinung nach bisher zu einer übertriebenen Schätzung geführt hatte.“ In ihrer Analyse stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass sich Arten von Riesenkrokodilen in den vergangenen 120 Millionen Jahren mindestens zwölf Mal unabhängig voneinander in der Evolution entwickelten. „Rund sieben Meter lange Individuen lebender Krokodilarten, die beinahe die Schätzgröße für Deinosuchus riograndensis erreichten, gab es nicht nur in prähistorischen Zeiten, sondern mindestens bis ins 19. Jahrhundert“, sagt Rabi. Die Giganten seien immer entstanden, wenn der Lebensraum dies hergab: Es brauchte ausgedehnte, hochproduktive Feuchtgebiete oder Meeresökosysteme, um ausreichend große Beutetiere hervorzubringen. „Die einzigen Gründe dafür, dass es möglicherweise keine lebenden, wirklich riesigen Krokodile mehr gibt, sind Überjagung und Lebensraumzerstörung“, sagt Rabi.

    „Die paläontologische Forschung an der Universität Tübingen bringt immer wieder Ergebnisse hervor, die nicht nur neue Details zur Evolutionsgeschichte beitragen, sondern auch Bezüge zum heutigen Umwelt- und Artenschutz in sich bergen“, sagt Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, die Rektorin der Universität Tübingen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Márton Rabi
    Universität Tübingen
    Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
    Biogeologie
    Telefon +49 7071 29-78930
    marton.rabi[at]uni-tuebingen.de


    Originalpublikation:

    Jules D. Walter, Tobias Massonne, Ana Laura S. Paiva, Jeremy E. Martin, Massimo Delfino & Már-ton Rabi: Expanded phylogeny elucidates Deinosuchus relationships, crocodylian osmoregulation and body-size evolution. Communications Biology,
    https://doi.org/10.1038/s42003-025-07653-4


    Bilder

    Spätkreidezeitliche Begegnung in den südwestlichen Küstensümpfen der Western Interior Seaway: Links Deinosuchus riograndensis, rechts ein früher Alligatoroide
    Spätkreidezeitliche Begegnung in den südwestlichen Küstensümpfen der Western Interior Seaway: Links ...
    Márton Szabó
    Márton Szabó

    Dr. Márton Rabi (rechts) und Co-Autor Dr. Tobias Massonne mit zwei außergewöhnlich großen Schädeln von Krokodilen lebender Arten in der Zoologischen Sammlung der Universität Tübingen.
    Dr. Márton Rabi (rechts) und Co-Autor Dr. Tobias Massonne mit zwei außergewöhnlich großen Schädeln v ...
    Friedhelm Albrecht
    Friedhelm Albrecht/Universität Tübingen


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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