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Kommunen verfügen über wertvolle Daten, mit denen sie den Verkehr effizienter steuern, öffentliche Dienstleistungen verbessern oder Städte nachhaltiger gestalten könnten. Doch in der Praxis bleibt dieses Potenzial oft ungenutzt. Ein Forschungsteam des Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) und des Kompetenzzentrum Wasser Berlin (KWB) hat untersucht, warum datengetriebene Projekte in der Verwaltung oft nicht realisiert werden. Rechtliche Unsicherheiten sowie unklare Zuständigkeiten, Strukturen und Prozesse verhindern, dass digitale Innovationen aus der Planungsphase herauskommen. Um das zu ändern, haben die Forschenden den Data Governance Wegweiser entwickelt.
Das digitale Handbuch bietet erstmals eine praxisnahe Anleitung, um datengetriebene Projekte eigenständig zu planen, umzusetzen und langfristig in Verwaltungsabläufe zu integrieren. Es soll den Digitalisierungsstau in deutschen Städten und Gemeinden auflösen. Der Data Governance Wegweiser ist ab dem 05. Mai 2025 online verfügbar unter: https://www.hiig.de/data-governance-wegweiser
„Viele Smart-City-Projekte scheitern, bevor sie überhaupt richtig starten können“, erklärt Prof. Dr. Max von Grafenstein, Forschungsleiter am HIIG. „Eine der größten Herausforderungen ist, dass Verwaltungen nicht genau wissen, wie sie Daten rechtssicher nutzen können“, so der Rechtsexperte. Die gesetzlichen Vorgaben zur Datenerhebung und -verarbeitung sind oft unklar, was Kommunen wenig Orientierung bietet. Besonders betroffen ist die gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge – also jene grundlegenden Dienstleistungen, die der Staat oder die Kommunen bereitstellen, um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu sichern. „Dazu gehören unter anderem die Energieversorgung, der öffentliche Nahverkehr oder das Gesundheitswesen“, so von Grafenstein.
Ein weiteres Hindernis ist die fragmentierte Datenlandschaft. „Viele relevante Daten sind über verschiedene Institutionen und Unternehmen verstreut“, erklärt der Wissenschaftler. Datenschutzbestimmungen oder Geschäftsgeheimnisse erschweren den Datenaustausch zusätzlich. Um diese Daten zu nutzen und im Idealfall sogar zusammen zu führen, braucht es klare Strukturen innerhalb kommunaler Institutionen. „Hier fehlen aber oft klare Zuständigkeiten und standardisierte Prozesse für den Umgang mit Daten“, sagt von Grafenstein. Dies betrifft nicht nur Verwaltungen, sondern auch städtische Unternehmen, Verkehrsbetriebe und Versorger. „Daten allein machen noch keine Smart City – ohne funktionierende Prozesse bleibt ihr Potenzial ungenutzt“, fasst er zusammen.
Data Governance: Ein Werkzeug für Kommunen
Um Kommunen den strategischen Umgang mit Daten zu erleichtern, arbeiteten Rechtswissenschaftler*innen, Stadtplaner*innen und Designer*innen des HIIG und KWB zwei Jahre eng mit kommunalen Institutionen zusammen. „Wir haben nicht einfach am Schreibtisch Theorien entwickelt“, betont von Grafenstein. „Unser Ziel ist es, Verwaltungen konkrete Werkzeuge zu geben, damit digitale Innovationen wie autonome Nahverkehrssysteme, intelligente Energieversorgung oder digitale Bürgerdienste auch wirklich umgesetzt werden können.“
Denn bislang scheiterten viele digitale Projekte in Städten und Gemeinden nicht an der Technik, sondern an fehlenden Strukturen und Prozessen. Strategiepapiere externer Beratungen blieben oft wirkungslos, weil Verwaltungen keine Rahmenbedingungen hatten, um sie praktisch umzusetzen. Zudem fehlte es an einer langfristigen Strategie: Viele datengetriebene Vorhaben blieben isolierte Leuchtturmprojekte, ohne nachhaltige Integration in Verwaltungsabläufe. „Das bedeutet, dass gewonnene Erkenntnisse und neue Prozesse nicht langfristig verankert werden – sie bleiben punktuelle Einzelmaßnahmen und versanden nach Projektende“, erklärt Dr. Maurice Stenzel, Projektkoordinator am HIIG.
Der Data Governance Wegweiser schließt diese Lücke. Er hilft Kommunen, die entscheidenden Fragen zu klären und die notwendigen Prozesse aufzusetzen, um Daten erfolgreich und dauerhaft in Entscheidungsprozesse einzubinden. „Eine erfolgreiche Data Governance schafft den organisatorischen, rechtlichen und technischen Rahmen, damit Interessenkonflikte an Daten so aufgelöst werden können, dass sie für eine rechtssichere und effiziente Nutzung zur Verfügung stehen. Es geht nicht nur um Datenschutz, sondern auch um klare Zuständigkeiten, standardisierte Prozesse und Regeln für die Datenverarbeitung“, so Stenzel. „Verwaltungen müssen steuern können, wer auf welche Daten zugreift und unter welchen Bedingungen sie von Behörden, Unternehmen oder Bürger*innen genutzt werden dürfen.“
Praxistest in Berlin
Wie sich Data Governance in der Praxis umsetzen lässt, hat das Forschungsteam am Beispiel des Luftgütemanagements in Berlin getestet. In Zusammenarbeit mit der Berliner Stadtverwaltung, Umweltbehörden, Forschungseinrichtungen und der Zivilgesellschaft wurden neue Prozesse für die Erhebung, Analyse und Nutzung von Umweltdaten erprobt. „Uns war wichtig, dass der Data Governance Wegweiser tatsächlich funktioniert“, erklärt Maurice Stenzel. „Deshalb haben wir ihn von Anfang an mit Verwaltungsexpert*innen anhand konkreter Use Cases entwickelt und direkt vor Ort getestet. Damit haben wir sichergestellt, dass Kommunen ihn bundesweit für ihre eigenen datengetriebenen Projekte nutzen können.“
In der Stadt Haßfurt kommt das digitale Handbuch bereits erfolgreich bei der Erarbeitung der Digitalstrategie und der Konzeption der Datenkataloge zum Einsatz. Damit zeigt sich: Der Data Governance Wegweiser ist kein abstraktes Konzept, sondern ein praxisbewährtes Instrument, das Kommunen konkret dabei unterstützt, digitale Projekte strukturiert und nachhaltig umzusetzen. „Mit dem Data Governance Wegweiser bieten wir nun einen wichtigen Baustein zur Auflösung des Digitalisierungsstaus in deutschen Städten und Gemeinden,” fasst Jochen Rabe zusammen, der das Projekt als früherer Geschäftsführer des KWB (heute bei RSUP) gemeinsam mit Max von Grafenstein entwickelt hat.
Learning Calls
Wer mehr über die Anwendung des Data Governance Wegweisers erfahren möchte, hat im Mai die Gelegenheit, direkt mit dem Forschungsteam ins Gespräch zu kommen. In zwei Online-Veranstaltungen stellen die Wissenschaftler*innen die Einsatzmöglichkeiten des digitalen Handbuchs in verschiedenen Bereichen der Stadtverwaltung vor und laden zum Austausch über Chancen und Herausforderungen datenbasierter Stadtgestaltung ein. Eine Anmeldung ist über die jeweilige Veranstaltungsseite möglich.
Learning Call I: Mittwoch, den 14. Mai von 11:00 bis 12:00 Uhr
https://www.hiig.de/events/data-governance/
Learning Call II: Dienstag, den 20. Mai von 14:00 bis 15:00 Uhr
https://www.hiig.de/events/mit-data-governance-den-digitalisierungsstau-in-deuts...
Prof. Dr. Max von Grafenstein: max.grafenstein@hiig.de
Dr. Maurice Stenzel: maurice.stenzel@hiig.de
https://data-governance-wegweiser.super.site/ – Beta Version des Data Governance Wegweisers (unter Sperrfrist)
Data und Smart City Governance
Andreas Kind
Unsplash
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Informationstechnik, Umwelt / Ökologie, Verkehr / Transport, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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