idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.05.2025 11:54

Berührungsloses Patientenmonitoring – EKG per Radar

Britta Widmann Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    In vielen ländlichen Regionen ist die medizinische Unterversorgung bereits Realität, ländliche Gebiete leiden besonders unter einer fehlenden hochwertigen Diagnostik. Forschende am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM wollen mit dem Einsatz von Radartechnik gegensteuern: Gemeinsam mit Partnern entwickeln sie ein mobiles Low-Power-Radarsystem für das berührungslose Patientenmonitoring. Die betreuenden Ärztinnen und Ärzte erhalten die gemessenen Vitaldaten, wie Herz- und Atemfrequenz, ohne dass ein Sensor am Körper getragen werden muss.

    Beim klassischen EKG wird der Herzschlag mithilfe von Elektroden an Patientinnen und Patienten ermittelt, die über Kabel mit dem Messgerät verbunden sind. Bei einigen Patientengruppen, z. B. bei Patienten mit schweren Verbrennungen oder Verletzungen, mit bestimmten Hautallergien, ansteckenden Krankheiten wie COVID oder bei einigen Formen psychischer Erkrankungen, ist es jedoch schwierig, Elektroden und Kabel an den Körper anzuschließen und die Vitalparameter mit dem klassischen EKG zu messen. Diese Untersuchungsmethode kann künftig mit einem Hochfrequenz-Radarsensorsystem kontaktlos erfolgen. Dank dieser nicht-invasiven Messtechnik ist das medizinische Personal in der Lage, die Vitalparameter der Betroffenen kontinuierlich und kontaktlos aus der Distanz zu überwachen und bei Auffälligkeiten und Abweichungen schnell zu reagieren. Das Messverfahren erleichtert die Arbeit des Pflegepersonals. Die Erkrankten wiederum profitieren von einem erhöhten Komfort, da keine Elektroden und Kabel am Körper angebracht und auch keine zusätzlichen elektronischen Geräte getragen werden müssen. Forschende am Fraunhofer IZM in Cottbus und Berlin entwickeln das innovative Hochfrequenz-Radarsensorsystem mit geringem Stromverbrauch in enger Zusammenarbeit mit der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, dem Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH), dem Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik und der Thiem-Research GmbH. Ziel der Projektpartner ist es, Herausforderungen der medizinischen Versorgung insbesondere in ländlichen Regionen mit der neuartigen Untersuchungsmethode zu begegnen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF fördert das Vorhaben im Rahmen des Innovationscampus Elektronik und Mikrosensorik (iCampus) Cottbus.

    Vitaldaten werden durch die Matratze hindurch erfasst

    Durch Kleidung, Bettdecken und sogar durch Matratzen hindurch erfasst der neue Radarsensor Vitalparameter wie Herz- und Atemfrequenz der Patientinnen und Patienten und überträgt die Daten an die Monitoring-Geräte. »Das Radarsensorsystem erzeugt mithilfe der Radarchips und Antennen elektromagnetische Wellen, die vom Körper reflektiert werden. Die reflektierten Wellen werden durch die rhythmische Bewegung der Brustwand aufgrund der Atem- und Herzaktivität moduliert. Dies kann mithilfe des Radarsensors gemessen und ausgewertet werden, um die Vitalparameter zu extrahieren«, erläutert Prof. Dr. Ivan Ndip, Leiter der Abteilung RF & Smart Sensor Systems am Fraunhofer IZM, die Funktionsweise des innovativen Hochfrequenz-Radarsensorsystems. Daraus lassen sich medizinische Aspekte des Atmungs- und Herz-Kreislauf-Systems, wie etwa Belastungszustände oder bestimmte Herzrhythmusstörungen, bestimmen. Somit können viele Krankheiten, die mit Anomalien des Atmungs- und Herz-Kreislauf-Systems einhergehen, früher erkannt werden. Einmal installiert, ist das Medizin-Radar imstande, kleinste Bewegungen der Körperoberfläche – hervorgerufen durch Atmung und Herzschlag – zu erfassen. Die Einsatzbereiche sind vielfältig: Sie reichen etwa von der Überwachung von Säuglingen, Brandopfern und Menschen mit Schlafstörungen, über medizinisch Bedürftige in Pflegeheimen bis hin zu Autofahrern und -insassen, insbesondere Kindern.

    Im Rahmen einer klinischen Prüfung wurde das Radarsensorsystem in ein Kunststoffgehäuse eingebaut und unter einem Krankenhausbett angebracht. Bei der Entwicklung des Radarsensorsystems haben die Wissenschaftler des Fraunhofer IZM die Auswirkungen des Gehäuses und der realen Umgebung, in der das Radarsensorsystem eingesetzt wird, berücksichtigt, um Fehlfunktionen im Betrieb zu vermeiden. Insbesondere wurden die Auswirkungen des Kunststoffgehäuses und des Krankenhausbetts beim Antennendesign berücksichtigt. Durch Designanpassungen des Hochfrequenz- Frontend-Boards und der Antennen soll sich die Reichweite des Radarsensorsystems erweitern lassen, sodass es künftig flexibel im Raum platzierbar ist und beispielsweise auch an Wänden und Decken befestigt werden kann. »Ziel ist es, in Zukunft Messungen mit größerer Distanz zum Patienten und das gleichzeitige Monitoring mehrerer Patienten zu ermöglichen«, sagt Uwe Maaß, Teamkollege von Prof. Ndip.

    Systematische Entwicklung und umfassende Optimierung der Antenne und des Radar-Frontend-Boards ermöglichen eine zuverlässige Funktionalität des Medizin-Radar-Sensorsystems

    Die zuverlässige berührungslose Messung von Vitalparametern mittels Radar ist eine große Herausforderung, vor allem da das von Mikrobewegungen der Brustwand reflektierte Signal sehr schwach ist. Darüber hinaus erschweren reflektierte Signale von Personen oder Gegenstände in der Nähe des Patienten, Systemrauschen und Bewegungen anderer Körperteile des Patienten eine zuverlässige Erfassung der Vitalparameter. Die Überwindung dieser Herausforderung erfordert innovative Hardware-Designlösungen, die ein hohes Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) gewährleisten, sowie leistungsfähige Signalverarbeitungsalgorithmen.

    Die Forschenden des Fraunhofer IZM haben die 61 GHz Radarantennen und das Radar-Frontend-Board zur Integration von Radarchips, Antennen und weiteren System-komponenten entwickelt und umfassend optimiert, um ein hohes SNR zu gewährleisten. Darüber hinaus wurden die Auswirkungen von Fertigungstoleranzen auf die System-Performance bei der Entwicklung der Radarantenne und des Radar-Frontend-Boards systematisch berücksichtigt und analysiert, um eine zuverlässige und robuste Funktionalität des Radarsensorsystems zu gewährleisten. Dank einer speziellen Auslegung der Antennen ist es den Experten gelungen, die elektromagnetischen Wellen zielgerichtet auf einen schmalen Streifen des Oberkörpers zu fokussieren.

    Der Prototyp des Medizin-Radars wird seit September 2023 durch die Thiem-Research GmbH (TRS), einer Tochtergesellschaft der Medizinischen Hochschule Lausitz – Carl-Thiem in Cottbus, klinisch getestet. In der klinischen Prüfung untersuchten die Projektpartner, wie zuverlässig das System die Vitalparameter misst und wie die Messwerte mit dem Referenz-EKG korrelieren. »Erste Messungen mit Probanden in Rücken-, Seiten- und Bauchlage sind erfolgreich verlaufen«, resümiert Prof. Ndip. In der zweiten Phase des BMBF-Projekts gelang es den Experten, das Design zu einem mehrkanaligen Radarsensorsystem zu erweitern, dass das Potenzial zur gleichzeitigen berührungslosen Erfassung der Vitalparameter mehrerer Personen hat.


    Weitere Informationen:

    https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2025/mai-2025/beruehrung...


    Bilder

    Der neue Radarsensor erfasst die Aktivität von Herzschlag und Atmung der Patientinnen und Patienten und überträgt die Daten an die Monitoring-Geräte.
    Der neue Radarsensor erfasst die Aktivität von Herzschlag und Atmung der Patientinnen und Patienten ...

    © Fraunhofer IZM


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Maschinenbau, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).