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Wissenschaft
Als das Heizungsgesetz im September 2023 verabschiedet wurde, hatten die Ampel-Parteien einige Monate harter Auseinandersetzungen hinter sich. Der Plan, rasch von Gas und Öl auf erneuerbare Energien umzusteigen, hatte einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. In einer kurzen Studie in der Zeitschrift „Energy Research & Social Science“ untersuchen Forschende des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit in Potsdam, der Bauhaus-Universität Weimar und der Universität Hamburg die Strategien dahinter und erklären, was wir daraus lernen können.
„Angesichts des langsamen Tempos der Transformation zur Nachhaltigkeit und der zunehmenden Konflikte müssen wir die Rolle etablierter und rechtspopulistischer Akteure besser verstehen. Wir argumentieren in unserer Studie, dass das Konzept der klimapolitischen Obstruktion – also der Verhinderung ambitionierter Klimapolitik – hilfreich ist, um den Widerstand gegen das Gesetz zu verstehen. Bei unserer Analyse haben wir fünf Diskursstränge identifiziert, mit denen die Gegner des Gesetzes dieses verhindern wollten“, erläutert Erstautor Tobias Haas vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS). Die Forschenden werteten Dokumente aus Ministerien und Parlamenten, Medienbeiträge sowie Stellungnahmen von Politikerinnen und Politikern verschiedener Parteien aus.
Emotionale Debatte
In ihrer Studie beschreiben sie fünf Diskursstränge:
Mehrere Politiker und Medienvertreter äußerten den Kritikpunkt, dass das Gebäudeenergiegesetz eine Form der Enteignung darstelle: Es gefährde das Recht der Menschen auf freie Verfügung über ihr Immobilieneigentum. In einem Beitrag des Magazins „Focus“ war die Rede von einer „Enteignung durch die Hintertür“, die rechtsextreme AfD argumentierte in ihrer Kampagne „Heizhammer stoppen!“ ähnlich.
Der zweite Kritikpunkt unterstellt eine Art Entrechtung der Bürgerinnen und Bürger. Dieses Argument basiert auf der Annahme, dass die Menschen selbst am besten wissen, was für sie gut ist, und dass das Gesetz eine bevormundende Form der Regulierung darstellt. So veröffentlichte die CSU in einer Social-Media-Kampagne unter dem Motto „Nein zu staatlicher Heizungsspionage“ eine Foto-Montage von Minister Habeck, der durchs Fenster in ein Wohnzimmer späht. Der thüringische CDU-Landesvorsitzende Moritz Voigt warf Habeck sogar vor, eine „Energie-Stasi“ aufbauen zu wollen. Es fällt auf, dass sich der Ton und die Narrative der CDU/CSU kaum von denen der AfD unterscheiden. Die Vorwürfe basieren auf einem libertären Freiheitsverständnis, das den Einzelnen vor staatlicher Bevormundung schützen will.
Drittens wurde vor allem von der extremen Rechten behauptet, die Grünen wollten eine ideologisch motivierte Heizungspolitik betreiben und damit den Wohlstand Deutschlands gefährden. Ein häufig geäußertes Argument war die Forderung nach technologischer Offenheit, die auch darauf abzielte, die Priorisierung von Klimaschutzansätzen zu verhindern.
Der vierte Diskursstrang sieht eine grüne Ämterpatronage am Werk. So schrieb die AfD: „Die Hauptverantwortlichen schieben einander die lukrativsten Posten zu und bestärken sich gegenseitig in ihrem ideologischen Wahn.“ Über Jahre hinweg aufgebaute Netzwerke werden als Verteilung lukrativer Posten im Bekanntenkreis umgedeutet – ein Narrativ, das durch die „Trauzeugen-Affäre“ genährt wurde. Dahinter steht die Annahme, dass eine „grüne Elite“ das „gemeine Volk“ verachtet und nur auf eigene Bereicherung aus ist.
Im fünften Diskursstrang laufen die Elemente der vier Stränge in der Forderung zusammen, beim Klimaschutz alle Menschen mitzunehmen. Kritikerinnen und Kritiker des Gesetzes argumentierten, dass das Gesetz auf breiten Widerstand stoße und die Gefahr einer grundlegenden Delegitimierung der Klimapolitik berge.
Fokus auf Chancen und Fairness
„Ein gemeinsamer Nenner der Kritik ist, dass sie einer klassischen populistischen Logik folgt: Sie konstruiert eine Dichotomie zwischen dem Willen des Volkes und einer Elite, die diesen Willen aus eigennützigen oder klimapolitischen Motiven missachtet“, sagt Ko-Autorin Franziska Mey (RIFS). Diese Polarisierung sei auch bei anderen Transformationskonflikten zu beobachten. Politik und Medien sollten sich auf populistische Taktiken und Fehlinformationen, die oft den Diskurs verzerren und Gesetzesvorschläge schwächen, vorbereiten.
Generell, so das Fazit der Autorinnen und Autoren, sei eine effektive Kommunikation entscheidend: Befürworter eines Vorschlags sollten die Chancen klar kommunizieren. Um Vertrauen in der Bevölkerung aufzubauen, müssten sie Lösungen für einen sozial gerechten Übergang entwickeln. „Die Beseitigung sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten wie der Energiearmut ist unerlässlich, um Widerstand zu verhindern, der häufig auf real existierenden und manchmal auf gefühlten Ungerechtigkeiten beruht, und um einen fairen Übergang zu fördern“, so Tobias Haas.
Weitere Forschung zur Nachhaltigkeitstransformation sei notwendig, um die Verzögerungen bei der Umsetzung von Klimapolitik besser zu verstehen. Kritisch untersucht werden müssten die verschiedenen Arten klimapolitischer Obstruktion und die Rolle etablierter Akteure und Netzwerke.
Dr. Tobias Haas
tobias.haas@rifs-potsdam.de
Haas, T., Sander, H., Fünfgeld, A., & Mey, F. (2025). Climate obstruction at work: Right-wing populism and the German heating law. Energy research and social science, 123: 104034. https://doi.org/10.1016/j.erss.2025.104034.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Energie, Politik, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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