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04.06.2025 17:33

Cholesterinsenker wirken nicht antidepressiv

Manuela Zingl GB Unternehmenskommunikation
Charité – Universitätsmedizin Berlin

    Fettsenker, sogenannte Statine, werden bei hohen Cholesterinwerten verschrieben, um vor Arterienverkalkung, Herzinfarkt und Schlaganfall zu schützen. Dass Statine außerdem antidepressiv wirken könnten, darauf weisen Ergebnisse kleinerer Studien hin. Dem gingen Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin nun in einer kontrollierten Studie nach. Sie konnten allerdings keine antidepressiven Zusatzeffekte durch Statine nachweisen. Die Forschenden empfehlen daher die Verordnung von Statinen als Cholesterinsenker gemäß den allgemeinen Leitlinien, nicht aber zur Behandlung von Depressionen. Die Studie ist jetzt im Fachmagazin JAMA Psychiatry* erschienen.

    Großangelegte Charité-Studie widerlegt Hinweise auf positiven Zusatzeffekt

    Cholesterinsenker sind die weltweit am häufigsten verordneten Medikamente. Sie senken die Produktion von Cholesterin in der Leber, wirken entzündungshemmend und vermindern so das Risiko für das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Hätten Statine tatsächlich einen antidepressiven Effekt, könnte man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, sagt Prof. Christian Otte, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité am Campus Benjamin Franklin und Leiter der Studie. „Depression und Adipositas, also Fettleibigkeit, gehören zu den häufigsten Erkrankungen auf der gesamten Welt. Und sie treten tatsächlich oft zusammen auf: Wer adipös ist, hat ein höheres Risiko für eine Depression – ist man depressiv, besteht wiederum ein höheres Risiko für Adipositas.“ Häufig sind die Cholesterinwerte bei adipösen Patient:innen erhöht, sodass zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen Statine verabreicht werden.

    Hochqualitative, kontrollierte Studie

    In einer großangelegten Studie ist das Forschungsteam um Christian Otte den Hinweisen auf eine mögliche antidepressive Wirkung von Statinen nachgegangen. An der Studie nahmen 161 Patient:innen teil, die an Depression und gleichzeitig an Adipositas erkrankt waren. Alle Teilnehmenden wurden während der zwölfwöchigen Studie mit einem Standard-Antidepressivum (Escitalopram) behandelt. Der einen Hälfte der Teilnehmenden wurde zusätzlich ein Cholesterinsenker (Simvastatin) verabreicht, der anderen Hälfte stattdessen ein Scheinmedikament. Wer dabei das Statin und wer das Placebo erhielt, wurde ausgelost und blieb bis zum Ende der Studie für Teilnehmende und Ärzte-Team unbekannt – eine randomisierte und doppelblinde Untersuchung also, die zu belastbaren Ergebnissen führt. „Das Vorgehen sollte uns zeigen, ob wir bei Teilnehmenden, die das Statin erhielten, einen stärkeren antidepressiven Effekt ausmachen können als in der Placebo-Gruppe“, erklärt Privatdozentin Dr. Woo Ri Chae, Wissenschaftlerin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Co-Erstautorin.

    Die Schwere der Depression der Patient:innen haben die Forschenden zu Beginn und zum Ende des Studienzeitraums mithilfe etablierter klinischer Interviews sowie anhand von Selbstauskunft-Fragebögen erfasst. Aus Blutproben der Teilnehmenden wurden zudem Blutfettwerte und der Wert für das sogenannte C-reaktive Protein (CRP) bestimmt, ein bekannter Anzeiger für Entzündungsprozesse im Körper. „Menschen mit Adipositas und/oder Depression weisen im Blut häufig leicht erhöhte Entzündungswerte auf. Diese können bei einem Teil der Betroffenen sogar für die Depression verantwortlich sein“, erklärt Christian Otte. „Und genau hier setzte unsere Hypothese für einen möglichen antidepressiven Effekt von Statinen an: Wenn sich durch die Statin-Gabe die Entzündungswerte bessern, könnte dies bei manchen Studienteilnehmenden womöglich mit einem antidepressiven Effekt einhergehen.“

    Klassische Antidepressiva bleiben Goldstandard

    Zu Beginn der Studie waren die Teilnehmenden moderat bis schwer depressiv. Über die zwölfwöchige Studienphase besserte sich die Depressionssymptomatik bei allen Patient:innen deutlich – jedoch ohne Unterschied zwischen der Statin- und der Placebo-Gruppe. „Durch die Gabe des Cholesterinsenkers besserten sich wie erwartet die Blutfettwerte, und auch der Entzündungsmarker CRP nahm deutlich ab“ sagt Woo Ri Chae. „Doch leider ging dies nicht einher mit einer zusätzlichen antidepressiven Wirkung.“ Christian Otte ergänzt: "Was die Behandlung von Depressionen angeht, haben Statine demnach keinen zusätzlichen Nutzen. Klassische Antidepressiva bleiben nach jetzigem Kenntnisstand der Goldstandard.“ Statine sollten gemäß der geltenden Leitlinien zum Schutz vor Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verordnet werden – und das selbstverständlich auch bei Patient:innen, die zusätzlich unter Depressionen leiden, empfehlen die Forschenden.

    In weiterführenden Studien wird das Team um Christian Otte die während der Forschungsarbeit gewonnenen Blutproben noch eingehender zellulär und molekular untersuchen, um mögliche individuelle Unterschiede und Zusammenhänge aufzudecken. Zudem arbeiten die Forschenden mit Hochdruck weiter an verbesserten Behandlungsstrategien für Patient:innen mit Depressionen, die zugleich an weiteren Erkrankungen leiden.

    *Otte C et al. Simvastatin as add-on treatment to escitalopram in patients with major depression and obesity: a randomized clinical trial. JAMA Psy. 2025 June 04. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2025.0801

    Über die Studie
    Die Arbeiten wurde im Rahmen des Programms Klinische Studien mit hoher Relevanz für die Patientenversorgung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Christian Otte
    Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
    Campus Benjamin Franklin
    Charité – Universitätsmedizin Berlin
    T: +49 30 450 517 501
    Email: christian.otte@charite.de


    Originalpublikation:

    *Otte C et al. Simvastatin as add-on treatment to escitalopram in patients with major depression and obesity: a randomized clinical trial. JAMA Psy. 2025 June 04. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2025.0801


    Weitere Informationen:

    https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/2834608
    https://psychiatrie.charite.de/metas/person/person/address_detail/univ_prof_dr_m...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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