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Das Modell ICON lässt sich sowohl für die Wettervorhersage als auch für Klimavorhersagen und langfristige Projektionen nutzen. Bislang wurden die verschiedenen Anwendungen aber getrennt voneinander weiterentwickelt. Eine Initiative, die beide näher zusammenbringen möchte, stellt nun erste Erfolge vor.
Die Klimamodellierung ging einst aus der numerischen Wettervorhersage hervor. Seither haben Meteorolog*innen und Klimaforscher*innen Modelle für Wetter und Klima weitgehend getrennt voneinander weiterentwickelt. Der Grund dafür sind die unterschiedlichen Bedürfnisse der beiden Anwendungen: Die Wettervorhersage benötigt eine hohe zeitliche und räumliche Auflösung, nutzt intensiv den aktuellen Zustand der Atmosphäre zum Start der Vorhersage und kann dafür auf Prozesse verzichten, die sich langfristig auswirken, wie beispielsweise der Wärmetransport im Ozean. Umgekehrt betrachtet die Klimaforschung Prozesse über lange Zeiträume und nutzt dafür insbesondere Informationen aus den trägeren Komponenten des Klimasystems wie dem Ozean. Dafür kommt sie mit einer gröberen räumlichen Auflösung aus.
Auch das Wettervorhersage- und Klimamodell ICON, das seit rund 20 Jahren gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M), dem Deutschen Wetterdienst (DWD) und weiteren Partnern entwickelt wird, lag bisher je nach Anwendung in unterschiedlichen Ausführungen – sogenannten Konfigurationen – vor. Sie basierten alle auf dem gleichen dynamischen Kern, welcher unter anderem das Modellgitter, die fundamentalen Gleichungen und die mathematischen Lösungsverfahren umfasst. Wettervorhersage und Klimamodellierung benutzten aber jeweils verschiedene Atmosphären- und Landkomponenten. Außerdem wurden für nicht explizit dargestellte Prozesse je nach Anwendung unterschiedliche Vereinfachungen (Parametrisierungen) gemacht.
Wetter und Klima in der Modellierung wieder zusammenbringen
Aktuelle Forschungsfragen wie die nach den regionalen Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels erfordern jedoch, die Lücke zwischen der Wettervorhersage und der Klimamodellierung allmählich zu schließen. Möglich wird dies durch moderne Supercomputer, mit denen sich längere Zeiträume mit hoher räumlicher Auflösung berechnen lassen.
Ein Team von Forschenden des MPI-M, des DWD und weiterer Partner hat sich dieser Aufgabe angenommen und bringt wieder zusammen, was zusammengehört: die ICON-Entwicklungen für Wettervorhersage und für Klimaanwendungen. „Unser Vorhaben hat stark davon profitiert, dass die Komponenten auf die gleiche Modellstruktur zurückgreifen“, sagt Wolfgang Müller, Gruppenleiter am MPI-M und Hauptautor der nun erschienenen Publikation, welche die ersten Erfolge des Projekts darstellt. Roland Potthast, Leiter der Abteilung für Meteorologische Analyse und Modellierung beim DWD, greift die gesellschaftliche Relevanz der Arbeiten auf: „Die Entwicklungen helfen uns, Wetter und Klima integriert anzugehen und gut abgestimmte Services von der hochaufgelösten Wettervorhersage bis zur saisonalen und dekadischen Klimavorhersage bereitzustellen.“
Erfolgreiche Zusammenführung verschiedener Komponenten
Der wichtigste Schritt war es, die zuvor für die Wettervorhersage genutzte Atmosphärenkomponente ICON-NWP und die für die Klimaforschung essentielle Ozeankomponente ICON-O zusammenzuführen. Zudem erstellten die Forschenden ein Konzept, wie sich die unterschiedlichen Parametrisierungen miteinander in Einklang bringen lassen. Ähnliches gilt für die Methoden der Datenassimilation – einem in der Wettervorhersage üblichen Verfahren zur Initialisierung beziehungsweise Anpassung der Modellzustände mithilfe von Beobachtungsdaten. Daraus ist einerseits eine Modellkonfiguration für die globalen Wettervorhersagen des DWD entstanden, in der neuerdings Atmosphäre und Ozean gekoppelt sind, und andererseits eine Konfiguration für Klimasimulationen (ICON XPP – eXtended Predictions and Projections), in die die Entwicklungen der numerischen Wettervorhersagen explizit eingehen. Diese Modelle sind sich ähnlicher, als alle bisherigen ICON-Konfigurationen für Wetter und Klima dies jemals waren. Somit lassen sich Wetter- und Klimaprozesse direkter und passgenauer in den Konfigurationen vergleichen.
Die gekoppelte Wetterkonfiguration wird aktuell getestet und könnte langfristig in das Portfolio der operationellen Vorhersagen aufgenommen werden. Mit ICON XPP sollen unter anderem die Simulationen für das Coupled Model Intercomparison Project erstellt werden, dessen siebte Phase (CMIP7) bereits angelaufen ist und voraussichtlich bis Anfang 2027 erste Ergebnisse liefern wird. Diese sollen in den nächsten Bericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) einfließen. Parallel wird ICON XPP dank der neuen Möglichkeiten für neuartige, hochaufgelöste Simulationen genutzt. So arbeiten die Wissenschaftler*innen derzeit an einer Modellauflösung, die für Wettervorhersagen zwar üblich ist, für Klimasimulationen über lange Zeiträume jedoch bislang noch nicht geeignet war. Damit lässt sich beispielsweise die Rolle kleinräumiger Ozeanwirbel für Wetter- und Klimaschwankungen erforschen.
Dr. Barbara Früh, Deutscher Wetterdienst: Barbara.Frueh@dwd.de
Dr. Peter Korn, Max-Planck-Institut für Meteorologie: peter.korn@mpimet.mpg.de
Dr. Wolfgang Müller, Max-Planck-Institut für Meteorologie: wolfgang.mueller@mpimet.mpg.de
Prof. Dr. Roland Potthast, Deutscher Wetterdienst: Roland.Potthast@dwd.de
Müller, W. A., et al. ICON: Towards vertically integrated model configurations for numerical weather prediction, climate predictions, and projections. Bulletin of the American Meteorological Society 106 (6) E1017–E1031, https://doi.org/10.1175/BAMS-D-24-0042.1, 2025.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geowissenschaften, Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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