idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
26.06.2025 11:00

Membran oder Stoffwechsel, was war zuerst da?

LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    LMU-Forschende zeigen einen möglichen Mechanismus für Stoffwechselprozesse ohne Zellmembranen in wassergefüllten Poren.

    Betrachtet man das heutige Leben, ist es schwer vorstellbar, wie sich die komplexen biologischen Abläufe und Strukturen aus einfachen Bausteinen entwickelt haben können. Alle zellulären Prozesse und Reaktionen scheinen eng miteinander verflochten zu sein und finden innerhalb einer Zellmembran statt. Es gibt keinen bekannten Organismus, der von diesem Muster abweicht. Wie aber ist es entstanden?

    Wie kann sich eine Zellmembran ohne Stoffwechsel bilden? Oder andersherum: Wie ist ein Stoffwechsel ohne Zellmembran möglich? Dieses klassische Henne-Ei-Problem wird in einer kürzlich im Fachmagazin Nature Physics veröffentlichten Studie von Forschenden aus dem Team von LMU-Professor Dieter Braun behandelt.

    Zellen ohne Membran

    In ihrem Artikel zeigen sie, dass ein einfacher Wärmefluss durch dünne, wassergefüllte Poren eine Vielzahl von Molekülen mit unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften anhäufen kann. Dadurch können diese Moleküle auf engem Raum miteinander interagieren und reagieren, selbst wenn keine Zellmembran vorhanden ist. In dieser sehr einfachen Protozelle gibt es einen thermischen Gradienten, der die Funktionen einer Zellmembran übernimmt, aber noch keine physische Grenze zwischen der Reaktion und dem verdünnten Wasser.

    „Unsere Untersuchungen zeigen, dass dieser einfache physikalische Mechanismus, der auf der frühen Erde sehr verbreitet gewesen ist, viele Funktionen übernehmen kann, für die normalerweise eine Zellmembran erforderlich wäre“, sagt der Leiter der Studie, Dieter Braun. Die Ergebnisse legen nahe, dass erhitzte Gesteinsporen die natürliche Umgebung für die Entstehung biologischer Zellen gewesen sein könnten.

    Ursprung des Lebens im Labor simuliert

    Wenn ein Temperaturgradient über eine dünne, wassergefüllte Pore gelegt wird, sammeln sich die meisten verdünnten Moleküle am Boden der Pore, auf der kalten Seite. Diese Umgebung hat das Team im Labor in speziell angefertigten Kammern simuliert. Sie bestehen aus einer dünnen Wasserschicht, die zwischen optisch transparenten Platten eingebettet ist.

    Für das Experiment testeten die Forschenden, unter welchen Umständen ein grün fluoreszierendes sogenanntes Superfolder-Protein (sfGFP) produziert wird. Das Gemisch in den Kammern enthielt über 100 verschiedene Komponenten, von Aminosäuren und Nukleotiden – den Bausteinen von Proteinen und RNA – bis hin zu Ribosomen und Polymerasen – hochspezialisierte molekulare Maschinen, die in allen lebenden Organismen vorkommen.

    „Bei zu starker Verdünnung wird die Reaktion inaktiv und kann das Markerprotein nicht produzieren“, so Braun. Nach der Inkubation in einer „Wärmekammer“ akkumulieren sich die Komponenten jedoch in ausreichender Menge, sodass die Reaktion in Gang kommt und sfGFP synthetisiert wird.

    Neue Möglichkeiten für die Biotechnologie

    „Während das Versuchsdesign derzeit durch die physikalischen Parameter der Kammer und den erreichbaren Temperaturunterschied eingeschränkt ist, wäre dies auf der frühen Erde kein Problem gewesen, wo die reichlich vorhandenen wassergefüllten Poren in allen Formen und Größen eine große Vielfalt an präbiotischen Reaktionsbedingungen geboten hätten“, sagt Alexander Floroni, Erstautor der Studie.

    Die Ergebnisse werfen einen neuen Blick auf die Möglichkeit eines Stoffwechsels vor der Verkapselung in Membranen und die Entstehung zellulären Lebens. Darüber hinaus bieten sie der Biotechnologie neue Ansätze für die Herstellung synthetischer Lebewesen im Labor. „Bisher war die Schaffung einer künstlichen Zelle, die sich selbst durch die Membran hindurch ernährt und sich durch Zellteilung vermehrt, ein großes Hindernis“, erklärt Braun. „Unsere Forschung zeigt, wie wir diese Hürde in Zukunft umgehen könnten.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Dieter Braun
    Fakultät für Physik
    Ludwig-Maximilians-Universität München
    Tel.: +49 89 2180 2317
    E-Mail: Dieter.Braun@physik.uni-muenchen.de


    Originalpublikation:

    Alexander Floroni, Noël Yeh Martín, Thomas Matreux, Laura I. Weise, Sheref S. Mansy, Hannes Mutschler, Christof B. Mast & Dieter Braun: Membraneless protocell confined by a heat flow. Nature Physics, 2025
    https://www.nature.com/articles/s41567-025-02935-4
    10.1038/s41567-025-02935-4


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie, Geowissenschaften, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).