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Wissenschaft
Eva Szepesi und ihre Tochter Anita Schwarz im Interkulturellen Zentrum
Ausgerechnet diejenigen, die am meisten gelitten haben, die alles verloren haben, ausgerechnet diese Menschen haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Schmerz wachzuhalten, immer wieder zu berichten und uns zu mahnen, damit die Schoah niemals wieder geschehen kann. Eine dieser wenigen ist Eva Szepesi. Gemeinsam mit ihrer Tochter Anita Schwarz rüttelte sie im Interkulturellen Zentrum Heidelberg an unserer Welt, die doch so weit entfernt von damals scheint und erinnert: „Auschwitz begann nicht mit Schüssen, Auschwitz begann mit Worten, Schweigen, Wegschauen.“
1932 als Eva Diamant in einem Vorort von Budapest geboren, blickt sie auf eine glückliche Kindheit zurück – bis 1938 die ersten antijüdischen Gesetze ihr Leben veränderten. Für die kleine Eva bedeutete das vor allem, dass sie nicht mehr Schlittschuhlaufen oder ins Schwimmbad durfte, dass der Chor verboten wurde, in dem sie so gerne sang, und dass die Familie ihre Haustiere abgeben musste. Besonders schmerzhaft blieb ihr eine Szene an der Wasserpumpe vor dem Elternhaus im Gedächtnis als ihre Freunde Blut von einem rohen Stück Fleisch wuschen: „Ja, schau' ruhig her! Genau so wie von diesem Stück Fleisch wird bald auch das Blut von deinem Vater fließen! Komm doch her! Trau dich nur!“ Die Ausgrenzung und der Hass ihrer ehemaligen Freunde bedeuteten für Eva das Ende der Kindheit.
Mit der Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht 1944 verschärfte sich die Lage dramatisch. Ihr Vater wurde zum Arbeitsdienst eingezogen, Verwandte deportiert, und Eva musste mit ihrer Tante fliehen. Nach der Festnahme durch Soldaten folgten Sammellager und schließlich die Deportation nach Auschwitz. Rasiert, tätowiert und zur Zwangsarbeit gezwungen, klammerte sich Diamant an die Hoffnung, Mutter und Bruder würden irgendwo auf sie warten. Erst viele Jahre später erfuhr sie, dass beide längst ermordet worden waren.
Ihre körperliche Schwäche rettete ihr das Leben: Zu schwach für den Todesmarsch, blieb sie mit etwa 400 anderen Kindern im Lager zurück, als die Rote Armee am 27. Januar 1945 Auschwitz befreite. „Plötzlich ein russischer Soldat mit einer Kappe über mich beugte. Er hat mich gerettet. Da habe ich versucht, zu leben“, erinnert sie sich an den Moment der Befreiung.
Erst Jahrzehnte später fand Eva die Kraft, über ihr Erlebtes zu sprechen und ihrer Familie und der Öffentlichkeit einen Zugang zu ihrem Schmerz zu ermöglichen. Die Erinnerungen an ihre Familie, an die verlorene Kindheit und das Überleben im Lager begleiten sie bis heute – und machen ihre Geschichte zu einem eindringlichen Zeugnis gegen das Vergessen. „Oft frage ich mich, wieso ist denn mein kleiner Bruder ermordet, wenn ich leben darf. Aber jetzt ist das meine Aufgabe. Ich spreche für meine Mutter und meinen Bruder, für die vielen unschuldigen Menschen, die umgebracht worden sind. Und das ist meine Botschaft, die ich erzähle, da es die anderen nicht mehr können.“
David Lüllemann, HfJS Heidelberg, moderierte das Gespräch.
Organisiert war die Veranstaltung von der HfJS Heidelberg & dem Interkulturellen Zentrums Heidelberg, mit großzügiger Unterstützung von den Zeugen der Zeitzeugen e. V. und dem Freundeskreis der Hochschule e. V.
Rektor Dr. Andreas Brämer, Eva Szepesi, Anita Schwarz, David Lüllemann
Quelle: HfJS Heidelberg
Copyright: HfJS Heidelberg
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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