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Citrat ist essenziell für den Stoffwechsel und die Entwicklung von Nervenzellen. Ein Transportprotein für Citrat in den Membranen, genannt SLC13A5, spielt dabei eine zentrale Rolle und wurde in der Vergangenheit mit einer besonders schweren Form der epileptischen Enzephalopathie in Verbindung gebracht. Wissenschaftler:innen des CeMM haben die Funktion und Struktur des Membrantransporters SLC13A5 umfassend erforscht und konnten dabei die Mechanismen dieser Erkrankung aufdecken sowie die Grundlage für eine weiterführende Erforschung der Epilepsie – und anderer Krankheiten – schaffen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht (DOI 10.1126/sciadv.adx3011).
### ACHTUNG EMBARGO/SPERRFRIST BIS 27.06.2025, 20:00 h MEZ ###
Citrat, das negativ geladene Ion der Zitronensäure, ist ein elementarer Bestandteil im Stoffwechsel jeder Zelle. Im nach ihm benannten Citratzyklus – der „Drehscheibe“ des Stoffwechsels – werden organische Substanzen abgebaut und dabei chemische Energie gewonnen, aber auch verschiedenste Ausgangsstoffe für die Biosynthese von Fettsäuren und wichtigen Signalmolekülen produziert, die bei Entzündungen oder für die Zellentwicklung von Bedeutung sind.
Für Nervenzellen spielt Citrat eine besonders wichtige Rolle: Als sogenannter „Neuromodulator“ beeinflusst es deren Aktivität und ist daher im Liquor (der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) in relativ hohen Konzentrationen vorhanden. Entsprechend hoch ist auch die Zahl an SLC13A5-Membrantransportern in Neuronen, sie sorgen für die Einfuhr des Citrats in die Nervenzellen. Ist dieser Transporter nicht voll funktionsfähig, kann das zu der sogenannten SLC13A5-Citrattransporter-Defizienz führen, einer schweren Form der Epilepsie, die mit einer gestörten Gehirnentwicklung einhergeht (im Fachjargon auch entwicklungsbedingte epileptische Enzephalopathie (DEE) genannt). Sie ist auf Mutationen im SLC13A5 Gen zurückzuführen – doch welche Mutationen das sind, welchen Effekt sie auf die molekulare Wirkungsweise des Transporters haben und wie sie den Krankheitsverlauf beeinflussen, darüber war bisher relativ wenig bekannt.
Zehntausend Mutationen untersucht
Um diese Wissenslücke zu schließen, haben Wissenschaftler:innen am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein sogenanntes „deep mutational scanning“ (DMS) durchgeführt, bei dem der Effekt von knapp zehntausend verschiedenen genetischen Mutationen auf die Funktionsweise des SLC13A5 Transportproteins untersucht wurde. Die erhaltenen Daten wurden dann durch computergestützte Analysen zur Proteinstabilität ergänzt und 38 mutierte SLC13A5-Varianten ausgewählt, die experimentell ausgewertet wurden. So konnten verschiedene molekulare Mechanismen aufgedeckt werden, die mit der Ausprägung der Krankheit in Verbindung stehen. Dazu zählen unterschiedliche Produktionsmengen der Transporter in den Nervenzellen, ihre genaue Lokalisierung in der Zellmembran sowie die Messung der tatsächlichen Citrat-Transportrate.
„Mit diesen Ergebnissen konnten wir krankheitsverursachende Varianten des SLC13A5-Transporters identifizieren und charakterisieren“, erklärt Co-Erstautor Wen-An Wang und fasst damit die zentralen Erkenntnisse der Studie zusammen. „Zusätzlich haben wir durch computergestützte Analysen der mutierten Varianten die Stabilität der Proteine in verschiedenen Konformationen bewertet und einen evolutionären Erhaltungsscore für alle Varianten erstellt“, ergänzt Co-Erstautor Evandro Ferrada, der inzwischen an der Universität von Valparaíso in Chile tätig ist.
„Unsere Arbeit zeigt, wie entscheidend es ist, die Wirkung genetischer Varianten systematisch zu untersuchen. Gerade bei seltenen Erkrankungen wie der SLC13A5-Citrattransporter-Defizienz, einer spezifischen Form der Epilepsie, hilft uns dieser Ansatz, molekulare Krankheitsmechanismen aufzudecken“, betont Studienleiter Giulio Superti-Furga. „Zugleich lernen wir viel über die Bedeutung von Varianten, wie sie auch in der Allgemeinbevölkerung vorkommen – ein wichtiger Schritt hin zu einem umfassenderen Verständnis genetischer Vielfalt und ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit.“
Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler:innen wurden bei ihrer Arbeit von dem REsolution-Konsortium untersützt, dem Nachfolger von RESOLUTE, einem Großprojekt unter der Leitung von Giulio Superi-Furga am CeMM, bei dem die Gesamtheit aller SLC Transporter funktionell kartiert und dabei die „Logistik der Zelle“ entschlüsselt wurde. Patientendaten wurden von der TESS Research Foundation, die sich der Erforschung der SLC13A5-Citrattransporter-Defizienz verschrieben hat, zur Verfügung gestellt.
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Foto im Anhang: Co-Erstautorin Wen-An Wang (links, © CeMM) und Co-Erstautor Evandro Ferrada (rechts © CeMM) mit Studienleiter Giulio Superti-Furga (Mitte, © Franzi Kreis/CeMM).
Die Studie „Large-scale experimental assessment of variant effects on the structure and function of the citrate transporter SLC13A5“ erschien in der Zeitschrift Science Advances am 27. Juni 2025. DOI: 10.1126/sciadv.adx3011
AutorInnen: Wen-An Wang, Evandro Ferrada, Christoph Klimek, Tanja Osthushenrich, Aidan MacNamara, Tabea Wiedmer, Giulio Superti-Furga
Förderung: Die Studie wurde von dem Resolute Konsortium, das von der Europäischen Union und der EFPIA gefördert wird, gefördert und erhielt nach Abschluss des Konsortiums Förderungen von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
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Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter wissenschaftlicher Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen, sowie seltene Erkrankungen und Altern. Das Forschungsgebäude des Institutes befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien.
www.cemm.at
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Wolfgang Däuble
Media Relations Manager / Science Writer
Phone +43-1/40160-70092
wdaeuble@cemm.at
CeMM
Research Center for Molecular Medicine
of the Austrian Academy of Sciences
Lazarettgasse 14, AKH BT 25.3
1090 Vienna, Austria
www.cemm.at
DOI: 10.1126/sciadv.adx3011
Co-Erstautorin Wen-An Wang (links, © CeMM) und Co-Erstautor Evandro Ferrada (rechts © CeMM) mit Stud ...
Quelle: Franzi Kreis
Copyright: © Franzi Kreis/CeMM
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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