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Glomerulonephritiden (GN) sind mit etwa einem Viertel die häufigste Ursache für ein Nierenversagen und somit auch für eine lebenslange Dialyse oder Nierentransplantation. Dabei sind diese meist autoimmunbedingten Nierenentzündungen oft behandelbar, wenn sie rechtzeitig erkannt und mit modernen Medikamenten therapiert werden. Um die Versorgung zu verbessern, liegt nun erstmals eine S3-Leitlinie mit strukturierten, evidenzbasierten Empfehlungen vor (1). Sie wurde unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) gemeinsam mit weiteren Fachgesellschaften * sowie Patientenvertreterinnen und -vertretern entwickelt.
Bei Glomerulonephritiden kommt es aus unterschiedlichen Gründen zu einer Entzündung der etwa eine Million Nierenkörperchen (Glomeruli) pro Niere. Diese sind dann nur noch eingeschränkt in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen, nämlich Schadstoffe aus dem Blut zu filtern und sie über den Urin auszuscheiden. Oft treten zunächst kaum Symptome auf, während sich bereits eine chronische Nierenkrankheit (CKD) entwickelt. Deshalb werden GN oft erst diagnostiziert, wenn die Nieren bereits irreversibel geschädigt sind. Hinzu kommt, dass zunächst auch nicht unbedingt an eine GN gedacht wird. „Die einzelnen Formen der GN sind für sich genommen selten“, sagt Professorin Dr. med. Julia Weinmann-Menke, Direktorin der I. Medizinischen Klinik (Nephrologie, Rheumatologie und Nierentransplantation) am Universitätsklinikum Mainz und Koordinatorin der Leitlinie. Sie ergänzt: „Aber in ihrer Summe sind die GN hochrelevant.“ Zu den Formen der GN zählen unter anderem: Immunglobulin-A-Nephropathie (IgAN), membranöse Glomerulonephritis (MGN), membranoproliferativen GNs, das Goodpasture Syndrom, Lupus-Nephritis und ANCA-assoziierte Vaskulitis.
Klare Standards für Diagnose und Nierenschutz
Die Leitlinie enthält erstmals klare, praxistaugliche Empfehlungen für Diagnostik und Therapie, die auf das deutsche Gesundheitssystem abgestimmt sind. Zunächst wird ein allgemeines diagnostisches Vorgehen bei glomerulären Erkrankungen sowie generelle Prinzipien zur Behandlung der CKD empfohlen. Dazu gehören die Abschätzung der Nierenfunktion anhand des Kreatininwerts im Blut, eine Urindiagnostik zur Proteinbestimmung und eine Ultraschalluntersuchung. Eine Nierenbiopsie gilt als Standard, kann in Einzelfällen aber durch klinische Befunde ersetzt werden. Die Diagnosesicherung erfolgt häufig im Zusammenspiel mit weiteren Laborwerten, etwa Antikörpern.
Im nächsten Schritt empfiehlt die Leitlinie eine Basistherapie zum Nierenschutz, die sogenannte CKD-Therapie. Dazu gehören beispielsweise RAS-Inhibition sowie SGLT2-Inhibitoren und gegebenenfalls entwässernde Pharmazeutika. Darauf basierend werden spezifische Behandlungsstrategien für die wichtigsten Unterformen vorgeschlagen.
Kinder und Jugendliche mit GN bilden einen besonderen Schwerpunkt
Die Leitlinie berücksichtigt im Besonderen auch die bei Kindern und Jugendlichen auftretenden Formen des nephrotischen Syndroms. Auf Biopsien wird hierbei möglichst verzichtet. Die Behandlung beginnt in der Regel mit Glukokortikoiden. Falls nötig, kommen auch steroidsparende Medikamente oder moderne Antikörpertherapien, wie beispielsweise Rituximab, in Betracht. Kinder, die an einem nephrotischen Syndrom erkranken, sollten frühzeitig von spezialisierten Kindernephrologinnen und -nephrologen behandelt werden.
Lebensstil, Prävention – und der Blick in die Zukunft
Neben Medikamenten betont die Leitlinie auch nicht-medikamentöse Maßnahmen wie eine salzarme Ernährung, Rauchverzicht, Bewegung sowie Impfungen gegen Pneumokokken, Influenza und Herpes Zoster für immungeschwächte Patientinnen und Patienten. Gleichzeitig mahnt die DGfN mehr Forschung an, denn in vielen Bereichen, insbesondere zu genetischen Varianten und Biomarkern, bleibt die Studienlage begrenzt. „Wir brauchen ein Deutsches Zentrum für Nierengesundheit (DZNG)”, fordert Dr. med. Nicole Helmbold, Generalsekretärin der DGfN. „So können wir die Forschung zu diesem Thema durch Vernetzung vorantreiben, Lebenserwartung und -qualität der betroffenen Menschen weiter verbessern und Kosten im Gesundheitswesen senken.“
S3-Leitlinie ist Meilenstein für die nephrologische Versorgung
„Eine GN kann man noch nicht für immer heilen. Man kann sie aber weitgehend zum Stillstand bringen“, sagt Weinmann-Menke. „Unser Ziel ist es, die Diagnostik und Therapie von GN auf hohem Niveau zu vereinheitlichen und damit die Prognose der Betroffenen zu verbessern. Denn die volkswirtschaftliche Bedeutung der GN ist groß. Die Veröffentlichung der S3-Leitlinie markiert deshalb einen Meilenstein für die nephrologische Versorgung in Deutschland und setzt neue Standards für die Diagnostik und Therapie von GN.“
Bei Abdruck Beleg erbeten.
* mitgewirkt an der Leitlinie haben: Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e. V., Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und klinische Immunologie e. V., Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V., Deutsche Gesellschaft für Immunologie e. V., Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V., Bundesverband Niere e. V., Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie, Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Quelle:
(1) S3-Leitlinie Diagnose und Therapie von Glomerulonephritiden: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/090-003
Die Leitlinie wurde mit Mitteln des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss unter dem Förderkennzeichen 01VSF21010 gefördert.
Weiterführende Informationen:
Patienteninformation zur S3-Leitlinie Diagnose und Therapie von Glomerulonephritiden: https://register.awmf.org/assets/guidelines/090-003p_S3_Diagnose_Therapie_Glomer...
Nützliche Links:
https://www.dgfn.eu/patienten.html
https://www.bundesverband-niere.de/
https://www.nierenstiftung.de/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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