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06.08.2025 08:42

Feministisches Netzwerk hilft Gorillaweibchen in neue Gruppen zu wechseln

Melanie Nyfeler Kommunikation
Universität Zürich

    Gorillaweibchen wenden im Sozialverhalten ähnliche Strategien wie Menschen an, wie Forschende der Universität Zürich zeigen: Wechseln sie in eine neue soziale Gruppe, suchen sie nach Weibchen, mit denen sie früher zusammengelebt haben – und meiden gleichzeitig Männchen aus ihrer Geburtsgruppe.

    Viele Tierarten verlassen früher oder später die Gruppe, in die sie hineingeboren wurden, um sich einer anderen Gemeinschaft anzuschliessen. Bei Gorillas können Individuen mehrfach ihre Gruppenzugehörigkeit wechseln. Dieser als Dispersion bezeichnete Vorgang spielt eine wichtige Rolle, um Inzucht zu vermeiden, die genetische Vielfalt zu verbessern und soziale Beziehungen zu pflegen. Wie aber wählen die Tiere ihre neue Gruppe aus?

    Forschende der Universität Zürich (UZH) haben diesen Vorgang nun untersucht. Sie stützen sich dabei auf Daten, die 20 Jahre lang vom Dian Fossey Gorilla Fund über mehrere Gruppen wild lebender Berggorillas in Ruanda gesammelt wurden.

    Weibchen meiden Männchen, mit denen sie aufgewachsen sind
    Die Studie zeigt, dass die Weibchen sich nicht zufällig einer Gemeinschaft anschliessen. Bei ihrer Wahl scheinen Merkmale wie Gruppengrösse oder Geschlechterverhältnis keine Rolle zu spielen – dafür aber frühere soziale Erfahrungen: Die Weibchen meiden Männchen, mit denen sie aufgewachsen sind, und suchen sich Weibchen, die sie bereits kennen.

    «Da weibliche Berggorillas nicht mit Sicherheit wissen, wer ihre Väter sind, können sie sich auf eine einfache Regel ‹Meide jede Gruppe mit Männchen, mit denen du aufgewachsen bist› verlassen», erklärt Victoire Martignac, Doktorandin am Institut für evolutionäre Anthropologie der UZH. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Männchen in ihrer Geburtsgruppe mit ihnen verwandt sind, ist höher als bei anderen männlichen Tieren.

    Da die Weibchen mehrfach ihre Gruppe wechseln, machen sie zwangsläufig mit vielen Männchen Bekanntschaft. Sie meiden jedoch nur jene aus ihrer Geburtsgruppe. «Das zeigt, dass es nicht nur darauf ankommt, wen die Gorillaweibchen kennen, sondern auch, wie sie das Männchen kennengelernt haben», sagt die Erstautorin.

    Investitionen in Beziehungen sind wichtig
    Noch wichtiger ist allerdings die Anwesenheit von anderen Weibchen, mit denen sie zuvor zusammengelebt haben. Diese Beziehungen scheinen auch nach jahrelanger Trennung noch wichtig zu sein. «Der Eintritt in eine neue Gruppe kann sich ziemlich beängstigend anfühlen, da das einzelne Individuum dann in der Regel am unteren Ende der sozialen Hierarchie steht. Wie bei den Menschen könnte eine vertraute Bekanntschaft dazu beitragen, diese Angst zu verringern, und als soziale Verbündete wirken», fügt Letztautorin Robin Morrison hinzu. Wenn sich ein Weibchen auf Empfehlung einer Freundin einer Gemeinschaft anschliesst, ist dies auch ein positives Zeichen für die Gruppe als Ganzes oder für das dominante Männchen, das diese anführt.

    Die Studie ergab zudem, dass jene Gorillaweibchen, die mindestens fünf Jahre lang zusammengelebt und sich in den letzten zwei Jahren getroffen haben, über den grössten Einfluss verfügen. «Investitionen in solche feministischen Beziehungen sind bei den Gorillas wichtig. Eine räumliche Trennung kann vorübergehend sein. Wenn die Weibchen sich später in einer anderen Konstellation wieder begegnen, kann dies den Neuanfang in der neuen Gruppe erheblich erleichtern», so Morrison.

    Evolutionärer Schlüssel für kooperative Gesellschaften
    Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig bei den Gorillas der soziale Austausch innerhalb verschiedener Gemeinschaften ist. Er ermöglicht nicht nur neue Bekanntschaften, sondern erleichtert auch die Aufrechterhaltung bereits bestehender Beziehungen. Indem die Individuen mehrfach die Zugehörigkeit wechseln, verschiedene Gruppen häufig interagieren und sich überlappende Gebiete teilen, weiten sich die Beziehungen der Menschenaffen über die Gruppengrenzen hinaus aus.

    «Ein ausgedehntes Beziehungsnetz, das über Grenzen der Gemeinschaft hinweg besteht, scheint eine evolutionäre Schlüsselrolle bei der Entwicklung grösserer und kooperativerer Gesellschaften gespielt zu haben», folgern die Forschenden. Denn starke Bindungen zwischen verschiedenen sozialen Gruppen sind auch ein Schlüsselaspekt menschlicher Gesellschaften.

    Finanzierung
    Die von Forschenden der Universität Zürich und dem Dian Fossey Gorilla Fund durchgeführte Studie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds und dem Dian Fossey Gorilla Fund finanziert.
    Literatur
    Victoire Martignac et al. Dispersed female networks: female gorillas’ inter-group relationships influence dispersal decisions. Proceedings of the Royal Society B. 4 August 2025. DOI: https://doi.org/10.1098/rspb.2025.0223


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Victoire Martignac
    Primate Social Evolution Group
    Institut für Evolutionäre Anthropologie
    Universität Zürich
    +447939471380
    victoirelauremarie.martignac@iea.uzh.ch


    Originalpublikation:

    Literatur
    Victoire Martignac et al. Dispersed female networks: female gorillas’ inter-group relationships influence dispersal decisions. Proceedings of the Royal Society B. 4 August 2025. DOI: https://doi.org/10.1098/rspb.2025.0223


    Weitere Informationen:

    https://www.news.uzh.ch/de/articles/media/2025/Feministisches-Netzwerk.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Tier / Land / Forst, Verkehr / Transport
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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