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Wissenschaft
Ein erstaunlicher Weltrekord gelang an der ETH Zürich, mit Unterstützung der TU Wien: Glaspartikel offenbaren ihre Quanteneigenschaften – und das, ohne sie, wie bisher üblich, extrem abzukühlen.
Wo sind die Grenzen der Quantenphysik? Das ist eine Frage, an der seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt geforscht wird. Möchte man die Eigenschaften der Quantenwelt technisch nutzbar machen, dann muss man verstehen, ob auch Objekte, die deutlich größer sind als Atome und Moleküle, Quantenphänomene zeigen können.
Man kann beispielsweise kleine Glaskügelchen untersuchen, mit einem Durchmesser von hundert Nanometern – immer noch über tausendmal kleiner als ein Sandkorn, aber für Quanten-Verhältnisse riesengroß. Seit Jahren versucht man zu zeigen, inwieweit solche Kügelchen noch Quanten-Eigenschaften zeigen. Einer Forschungsgruppe der ETH Zürich gelang nun mit theoretischer Unterstützung der TU Wien ein Durchbruch: Man konnte zeigen, dass sich Rotations-Schwingungen solcher Teilchen quantenphysikalisch verhalten, und zwar nicht nur, wenn man sie mit aufwändigen Kühlverfahren an den absoluten Temperatur-Nullpunkt annähert, sondern sogar bei Raumtemperatur.
Schwingungsquanten: Nur bestimmte Wackelbewegungen sind erlaubt
„Ein mikroskopisch kleines Teilchen wird immer ein bisschen wackeln“, sagt Carlos Gonzalez-Ballestero vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Dieses Wackeln hängt von der Temperatur ab, und davon, wie das Teilchen von seiner Umgebung beeinflusst wird.“
Im Alltag gehen wir davon aus, dass beliebige Wackelbewegungen möglich sind. Das Pendel einer Pendeluhr etwa kann man beliebig stark auslenken, man kann es etwas stärker oder etwas schwächer in Schwingung versetzen – ganz nach Belieben. In der Quantenwelt hingegen ist das anders: Wenn man Schwingungen mit sehr geringer Energie betrachtet, dann stellt man fest, dass es ganz bestimmte „Schwingungsquanten“ gibt.
Es gibt eine minimale Schwingung, sie bezeichnet man als „Grundzustand“, eine nächsthöhere Schwingung, die ein bisschen mehr Energie trägt (den „ersten angeregten Zustand“) und so weiter. Es gibt keinen Zustand dazwischen, aber das Teilchen kann sich in einer quantenphysikalischen Kombination verschiedener Schwingungszustände befinden – das ist eines der zentralen Grundkonzepte der Quantenphysik.
„Es ist sehr schwer, ein Nano-Teilchen in einen solchen Zustand zu versetzen, bei dem seine Quanteneigenschaften zu Tage treten“, sagt Carlos Gonzalez-Ballestero. „Man muss das Teilchen schweben lassen, um es von jeder Störung möglichst gut abzukoppeln. Und normalerweise muss man auch für extrem tiefe Temperaturen sorgen, nahe am absoluten Nullpunkt von minus 273.15 Grad Celsius.“
Die Rotation friert ein, das Teilchen bleibt heiß
ETH Zürich und TU Wien entwickelten nun eine Technik, mit der man einen ganz bestimmten Aspekt des Nano-Teilchens in einen quantenphysikalischen Bereich bringt, obwohl das Teilchen selbst in einem heißen, ungeordneten Zustand ist.
„Wir verwenden ein Nano-Teilchen, das nicht perfekt rund ist, sondern ein bisschen elliptisch“, erklärt Carlos Gonzalez-Ballestero. „Wenn man ein solches Teilchen in einem elektromagnetischen Feld festhält, dann versetzt man es in eine Art Rotationsschwingung. Unsere Frage war nun: Können wir die Quanteneigenschaften dieser Rotationsschwingung sehen? Können wir dieser Rotationsbewegung Energie entziehen, bis sie sich hauptsächlich im Quanten-Grundzustand befindet?“
Dafür verwendete man Laserstrahlen und Spiegelsysteme. „Der Laser kann dem Nano-Teilchen entweder Energie zuführen oder Energie wegnehmen“, erklärt Carlos Gonzalez-Ballestero. „Indem man die Spiegel auf geeignete Weise anpasst, kann man erreichen, dass Energie mit hoher Wahrscheinlichkeit entzogen wird, und nur mit geringer Wahrscheinlichkeit zugeführt. Die Energie der Rotationsbewegung nimmt also ab, bis wir uns dem Quanten-Grundzustand nähern.“
Um das zu erreichen, mussten allerdings einige schwierige theoretische Probleme gelöst werden – man musste das Quantenrauschen der Laser korrekt verstehen und kontrollieren.
Rekordverdächtige Quanten-Reinheit
Schließlich gelang es tatsächlich zu zeigen: Die Rotation lässt sich in einen Zustand versetzen, der fast ausschließlich dem quantenmechanischen Grundzustand entspricht. Das Verblüffende daran: Der Nano-Partikel ist nicht abgekühlt – im Gegenteil, er ist sogar mehrere hundert Grad heiß.
„Man muss hier verschiedene Freiheitsgrade getrennt voneinander betrachten“, erklärt Carlos Gonzalez-Ballestero. „Die Energie der Rotationsbewegung lässt sich auf diese Weise sehr effektiv vermindern, man muss dazu nicht gleichzeitig die innere thermische Energie des Nano-Partikels reduzieren. Verblüffenderweise kann die Rotation gewissermaßen einfrieren, obwohl das Teilchen selbst eine hohe Temperatur hat.“
Auf diese Weise konnte ein Zustand erzeugt werden, der quantenphysikalisch deutlich „reiner“ ist als das bisher mit ähnlichen Teilchen möglich war – und das, obwohl man gleichzeitig auf Kühlung verzichten konnte. „Damit ist es auf eine technisch verblüffend praktikable Weise gelungen, die Grenzen der Quantenphysik zu erweitern“, sagt Carlos Gonzalez-Ballestero. „Wir können nun also stabil und zuverlässig Quanteneigenschaften von Objekten studieren, bei denen das bisher kaum möglich war.“
Prof. Carlos Gonzalez Ballestero
Institut für Theoretische Physik
TU Wien
+43 1 58801 13645
carlos.gonzalez-ballestero@tuwien.ac.at
Dania, L., Kremer, O.S., Piotrowski, J. et al. High-purity quantum optomechanics at room temperature. Nat. Phys. (2025). https://doi.org/10.1038/s41567-025-02976-9
Laser trifft auf Glaspartikel
Copyright: Lorenzo Dania (ETHZ)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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