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Ein Forschungsteam unter der Leitung der Biologin Rebecca Chen von der Universität Bielefeld hat untersucht, wie bestimmte genetische Veränderungen den Fortpflanzungserfolg männlicher Birkhühner beeinflussen. Das zentrale Ergebnis: Nicht äußerlich sichtbare Merkmale wie ein farbenfrohes Gefieder bestimmen den Paarungserfolg, sondern das Verhalten. Männchen mit einer hohen Anzahl schädlicher Mutationen waren seltener an Balzplätzen (Leks) anzutreffen und verpassten dadurch entscheidende Chancen zur Fortpflanzung. Die Studie wurde nun im Fachjournal Nature Ecology & Evolution veröffentlicht.
„Die Studie kombiniert moderne genomische Analysen mit einem einzigartigen Langzeitdatensatz über das Leben wildlebender Birkhähne“, erklärt die Erstautorin Rebecca Chen, Doktorandin an der Universität Bielefeld. Die Forschenden analysierten das vollständige Erbgut von 190 Männchen und verglichen es mit langjährigen Beobachtungen zu deren Verhalten, Aussehen und Fortpflanzungserfolg.
Dabei fanden sie klare Hinweise darauf, dass bestimmte genetische Veränderungen, sogenannte deleteriöse Mutationen oder schädliche Veränderungen im Erbgut, den Fortpflanzungserfolg deutlich mindern. Eine der überraschenden Erkenntnisse: Nicht nur Mutationen, die von beiden Elternteilen vererbt wurden (homozygot), sondern auch solche, die nur von einem Elternteil stammen (heterozygot), hatten negative Auswirkungen. Das widerspricht früheren Annahmen, wonach viele dieser „halb vererbten“ Mutationen kaum eine Rolle spielen.
Mutationen in regulatorischen DNA-Abschnitten besonders schädlich
Besonders gravierend wirkten sich Mutationen in DNA-Abschnitten aus, die die Aktivität von Genen steuern, sogenannte regulatorische Regionen, insbesondere Promotoren. Diese Bereiche sind entscheidend dafür, dass Gene je nach Situation ein- oder ausgeschaltet werden. Wenn sie beeinträchtigt sind, fällt es den Tieren offenbar schwer, ihr Verhalten entsprechend anzupassen, zum Beispiel zu entscheiden, wann und wie häufig sie sich an einem Balzplatz zeigen, um um Weibchen zu konkurrieren.
„Diese Mutationen scheinen die Feinabstimmung von Verhaltensreaktionen zu stören“, sagt Chen. Und genau dieses Verhalten wird von den Weibchen beobachtet, um eine Entscheidung für einen Paarungspartner zu treffen, nicht unbedingt das Aussehen des Männchens. Die Ergebnisse liefern somit neue Einblicke darin, wie Tiere möglicherweise unbewusst die genetische Qualität potenzieller Partner einschätzen.
Neue Erkenntnisse durch interdisziplinäre Zusammenarbeit
Die Studie wurde im Rahmen des Joint Institute for Individualisation in a Changing Environment (JICE) durchgeführt, einer gemeinsamen Forschungsinitiative der Universität Bielefeld und der Universität Münster. „Unsere Arbeit zeigt, wie moderne genetische Analysen in Kombination mit langfristigen Felddaten neue Einsichten in die Evolution liefern können“, sagt der Letztautor Professor Dr. Joseph Hoffman.
Das 2021 gegründete JICE vereint Forschende aus Biologie, Philosophie, Sozial- und Umweltwissenschaften. Ziel ist es, individuelle Unterschiede bei Tieren und Menschen im Umgang mit sich verändernden Umweltbedingungen besser zu verstehen. Die aktuelle Studie spiegelt diesen Ansatz wider: Durch die Verknüpfung detaillierter genetischer Daten mit Verhaltens- und Umweltfaktoren trägt sie dazu bei, zu verstehen, warum manche Individuen in freier Wild-bahn erfolgreicher sind als andere.
Rebecca Chen, Universität Bielefeld
Fakultät für Biologie
Rebecca Chen, Carl Soulsbury, Kosmas Hench, Kees van Oers, Joseph Hoffman: Predicted del-eterious mutations reveal the genomic mechanisms underlying fitness variation in a lekking bird. Nature Ecology & Evolution, https://doi.org/10.1038/s41559-025-02802-8.
Veröffentlicht am 11. August 2025.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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