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19.08.2025 10:38

„Bio-Gedanken in Bezug auf die Medien entwickeln“: H-BRS-Professor Andreas Schümchen zur Zukunft des Journalismus

Daniela Greulich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

    Vom Smarthome über die Energiewende bis hin zu Mobilitätsfragen – mit der fortschreitenden Digitalisierung begegnen wir in unserem Alltag häufig technischen Themen. „Es gibt einen großen Bedarf an Kommunikation über komplizierte Techniken, die unser Leben beeinflussen“, sagt Journalismus-Professor Andreas Schümchen von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS). Im Interview für das Format H-BRS aktuell spricht er über die Entwicklung des Journalismus, aktuelle Herausforderungen und den Einfluss von Künstlicher Intelligenz.

    Herr Professor Schümchen, Sie sind seit 25 Jahren Professor für Journalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Wie hat sich Ihre persönliche Mediennutzung in dieser Zeit verändert?
    Professor Andreas Schümchen: Als ich 1999 an der Hochschule angefangen habe, hat das Internet noch keine große Rolle gespielt. Da habe ich mich vor allem klassisch aus Zeitung, Radio und Fernsehen informiert. Manchmal habe ich erst am Abend zu Hause erfahren, was den Tag über so in der Welt passiert ist. Natürlich hat sich das inzwischen fundamental geändert. Das fing an mit Spiegel Online auf meinem Rechner. Heute lese ich Zeitungen nur noch digital und nicht mehr gedruckt.

    Nicht nur Ihre persönliche Mediennutzung hat sich gewandelt, sondern auch der Journalismus. Welche Entwicklung beobachten Sie hier?
    Schümchen: Der Journalismus sucht gerade seine neue Rolle, denn die hat sich stark verändert. Vor 25 Jahren sammelten journalistische Profis die Informationen, bereiteten sie auf und vermittelten sie den Menschen. Heute kann im Internet jeder schreiben, was er will, vollkommen egal, ob die Informationen wahr oder erfunden sind, und wie sie präsentiert werden im Hinblick auf Rechtschreibung, Zeichensetzung und Gestaltung. Viele Menschen sagen: „Warum brauche ich noch Journalisten? Ich bekomme meine Informationen doch auch so.“ Denen kann man nur entgegnen, dass sie sich vermutlich auch nicht von Amateuren operieren lassen würden oder den defekten Wasserhahn reparieren lassen wollen. Die Qualität ist besser, wenn man Profis etwas machen lässt.

    Was folgt daraus?
    Schümchen: Die Denkweise, dass man für Qualitätsjournalismus bezahlen muss, ist leider noch nicht so weit in der Gesellschaft angekommen wie es wünschenswert wäre. Das ist eine große Herausforderung. Es gilt, den Mediennutzenden die Bedeutung eines professionellen Journalismus klarzumachen, dass er Geld kostet und Geld wert ist. Ich bin da übrigens gar nicht pessimistisch, denn wir haben zum Beispiel im Lebensmittelbereich eine vergleichbare Entwicklung gesehen. Lange Zeit war es vielen Menschen egal, wo das Frühstücksei herkam, es musste nur günstig sein. Heute wollen viele Menschen wissen, wie das Huhn heißt und ob es ein glückliches Huhn ist. Diesen Anspruch, diesen Bio-Gedanken, müssen wir auch in Bezug auf Medien entwickeln, also dass die Menschen wissen wollen, wo die Informationen eigentlich herkommen und wer sie gesammelt hat.

    Wie kann das gelingen?
    Schümchen: Journalistinnen und Journalisten müssen viel mehr als bisher für Transparenz sorgen und offenlegen, wie sie arbeiten, denn darüber gibt es häufig völlig falsche Vorstellungen. Sie müssen sich mehr über die Schulter schauen lassen und erklären, wo die Nachrichten herkommen, was mit den Informationen passiert, und wie sie zu den Nutzenden gelangen. Man müsste also den Journalismus selbst immer mal wieder thematisieren.

    Journalistinnen und Journalisten müssen heute oftmals mehrere Kanäle von Print über Bewegtbild bis Social Media bedienen. Hinzu kommen neue Herausforderungen wie die Künstliche Intelligenz. Welche Szenarien erwarten Sie hier?
    Schümchen: Eine ähnliche Situation, wie wir sie derzeit beim Thema KI erleben, gab es vor ungefähr drei Jahrzehnten schon einmal, als die Digitalisierung in den Medien begann. Plötzlich sollten auch Journalistinnen und Journalisten, die bislang ausschließlich geschrieben hatten, hochkomplizierte Fernsehkameras bedienen oder die Webseitenerstellung mit HTML erlernen. Dann hat sich schnell gezeigt, dass das gar nicht nötig ist, weil die technische Entwicklung weiterging. Heute kann jeder mit einem Smartphone professionelle Videos erstellen und in Content-Management-Systemen Inhalte für Websites erzeugen. Momentan konzentrieren wir uns darauf, sehr viel über KI zu lernen. Künstliche Intelligenz wird künftig eine große Rolle spielen, aber sie wird auch zu einer großen Selbstverständlichkeit werden. Nichtsdestotrotz wird KI die Arbeit im Journalismus sehr stark und sehr schnell verändern.

    Inwiefern?
    Schümchen: Es gibt Studien, laut denen eine KI fast die Hälfte der Tätigkeiten im Journalismus übernehmen könnte. Das ist auf den ersten Blick eine schlechte Nachricht. Aber es ist auch eine gute Nachricht, denn das bedeutet auch, dass noch sehr viel übrigbleibt, was Menschen machen müssen. Wir müssen es schaffen, KI als Werkzeug zu sehen, das uns vielleicht bei Routinetätigkeiten wie dem Verfassen von Kurznachrichten oder der Verschriftlichung von Interviews unterstützt, oder das uns hilft, kreative Lösungen zu finden. Momentan wird in dem Bereich viel experimentiert, und man wird sehen, wo es Vorteile bringt, wo aber auch nicht.

    Wie verändert KI die Journalismus-Ausbildung?
    Schümchen: Die angehenden Journalistinnen und Journalisten müssen sich sehr stark mit der Frage auseinandersetzen, wie man verantwortungsvoll mit KI umgeht. Es geht gar nicht so sehr darum zu verstehen, wie KI genau funktioniert. Ich muss aber wissen, was ich mit einer KI bestenfalls machen und schlimmstenfalls verursachen kann. Hier sind wir im Journalismus-Studiengang sehr gefordert. Wir müssen unsere Studierenden dazu bringen, diese Dinge zu reflektieren. Das ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft, denn die Entwicklung ist sehr dynamisch.

    Die H-BRS hat ihren Bachelor-Studiengang Journalismus neu konzipiert. Aus Technikjournalismus wird ab dem Wintersemester 2025/26 „Digitaler Journalismus und Technologie“. Wie nimmt der neue Studiengang die aktuelle Entwicklung auf?
    Schümchen: Als wir vor 25 Jahren als bundesweit erste Hochschule den Studiengang Technikjournalismus eingerichtet haben, spielte Technik schon eine große Rolle. Doch die Technologien sind heute andere. Die Neukonzeption greift diese Entwicklung auf. So gut wie alles, was in der Zukunft technisch und technologisch passieren wird, hat etwas mit Digitalität und künstlicher Intelligenz zu tun. Beides spielt auch in unserem neuen Studiengang eine besondere Rolle. Denn der Bedarf an Journalistinnen und Journalisten, die die neuen Technologien erklären und einordnen können, sie aber auch kritisch hinterfragen, wächst – man denke neben der KI nur an die Mobilitätswende oder die Heizungsdiskussion. Wir als Hochschule haben hier auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Es gibt einen großen Bedarf an Kommunikation über komplizierte Techniken, die unser Leben beeinflussen.

    Für die Absolventinnen und Absolventen bedeutet das…
    Schümchen: …dass so gut wie alle einen Job bekommen, und viele sogar eine Auswahl haben. Das ist natürlich auch auf den Social-Media-Boom zurückzuführen. Unsere Ausbildung ist multimedial und umfasst Wort, Bild, Web, Podcast und Social Media ebenso wie Audio- und Videoproduktionen. Die Berufsperspektiven sind sehr gut, sowohl in den Medien als auch bei Unternehmen.

    Zur Person: Andreas Schümchen ist Professor für Journalistik, insbesondere Medieninnovation und Digitalisierung, an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und leitet den Studiengang „Digitaler Journalismus und Technologie“. Der Wissenschaftler gehört dem Institut für Medienentwicklung und -analyse (IMEA) an. Schümchen studierte an der TU Berlin Germanistik, Medienwissenschaften, Psychologie und Kunstgeschichte und promovierte an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Nach Redaktionsvolontariat und journalistischer Tätigkeit für mehrere Medien kam er als Professor an die H-BRS.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Andreas Schümchen, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Kommunikation/Institut für Medienentwicklung und -analyse (IMEA), t. +49 2241 865 315, e. andreas.schuemchen@h-brs.de


    Weitere Informationen:

    https://www.h-brs.de/de/kum/pressemitteilung/wir-muessen-einen-bio-gedanken-bezu...
    https://www.h-brs.de/de/iwk/studienangebot/bachelor/digitaler-journalismus-und-t...
    https://www.h-brs.de/de/kum/pressemitteilung/bachelor-studiengang-digitaler-jour...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Medien- und Kommunikationswissenschaften
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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