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Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und vom Netherlands Cancer Institute hat eine bislang unerkannte Schwachstelle von Krebszellen entdeckt: Unter Blockade der Zellteilung mit Chemotherapeutika wie z.B. Paclitaxel produzieren die Tumorzellen kleine immunogene Peptide, die neue Wege für immunbasierte Krebstherapien eröffnen könnten.
Häufige Zellteilungen sind ein Charakteristikum von Krebszellen. Daher können Medikamente wie Paclitaxel (Taxol u.a.), die die Zellteilung gezielt blockieren, das Tumorwachstum aufhalten. Ein Forscherteam um Fabricio Loayza-Puch und Angelika Riemer vom DKFZ und Reuven Agami vom Netherlands Cancer Institute konnte nun zeigen, dass diese Blockade der Zellteilung bei Krebszellen einen unerwarteten Nebeneffekt hat: Sie verändert die Proteinproduktion so, dass neue, bislang unbekannte Peptide entstehen, die auf der Oberfläche der Krebszellen präsentiert werden und vom Immunsystem erkannt werden können.
Forscher bezeichnen diese kurzen Proteinschnipsel als uORF-Peptide. Die Abkürzung steht für „upstream open reading frames“. Viele menschliche Gene beinhalten solche kurzen Abschnitte an Erbinformation, die in Peptide – also Mini-Proteine – übersetzt werden können. Diese uORFs liegen vor demjenigen Bereich der mRNA, der für das eigentliche Proteinprodukt kodiert.
Während der Zellteilung – fachlich Mitose genannt – wird die Produktion von Proteinen stark gedrosselt. Das Team beobachtete, dass sich dabei die Ribosomen, also die Proteinfabriken der Zelle, gezielt an den uORFs sammelten und dort mit der Produktion der uORF-Peptide begannen.
„Wir konnten erstmals zeigen, dass Krebszellen in der Mitose vermehrt uORFs nutzen und dort mit der Peptidproduktion beginnen“, erklärt Loayza-Puch. „Diese Peptide sind neu und unbekannt für das Immunsystem und könnten daher als Angriffspunkt für T-Zellen dienen – besonders nach einer Behandlung mit Zellteilungshemmern wie beispielsweise Paclitaxel.“
Ansatz für die Entwicklung neuer, immunbasierter Krebstherapien?
In Laborexperimenten gelang es den Forschenden, uORF-Peptide auf der Oberfläche von Krebszellen nachzuweisen. Krebszellen, die uORF-Peptide auf ihrer Oberfläche trugen, wurden von T-Zellen erkannt und abgetötet – ein klarer Hinweis auf die immunstimulierende Wirkung der Mini-Proteine.
Die neu entdeckten „therapieinduzierten Neoantigene“ könnten künftig möglicherweise genutzt werden, um individuell zugeschnittene Impfstoffe oder kombinierte Immuntherapien zu entwickeln, die gezielt gegen Tumoren wirken. Besonders vielversprechend: Das Vorkommen von uORF-Peptiden scheint nicht auf eine bestimmte Tumorart beschränkt zu sein – das macht sie zu möglichen Kandidaten für breit einsetzbare Krebsimpfstoffe.
„Unsere Ergebnisse erweitern das Verständnis der molekularen Veränderungen während der Zellteilung und deren therapeutischer Hemmung, und geben Hinweise, wie wir hier gezielt mit neuen Therapieansätzen eingreifen können“, so Angelika Riemer vom DKFZ, ebenfalls Seniorautorin der Arbeit. „So könnten wir etwa die Wirksamkeit bestimmter Chemotherapien durch die Kombination mit Immuntherapien steigern.“
Alexander Kowar, Jonas P. Becker, Rossella Del Pizzo, Zhiwei Tang, Julien Champagne, Pierre-René Körner, Jasmine Montenegro Navarro, Fiona Megan Tilghman, Hanan Sakeer, Angelika B. Riemer, Reuven Agami, Fabricio Loayza-Puch: Upstream open reading frame translation enhances immunogenic peptide presentation in mitotically arrested cancer cells.
Nature Communications 2025, DOI https://doi.org/10.1038/s41467-025-63405-2
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Ansprechpartner für die Presse:
Dr. Sibylle Kohlstädt
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T: +49 6221 42 2843
E-Mail: S.Kohlstaedt@dkfz.de
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Alexander Kowar, Jonas P. Becker, Rossella Del Pizzo, Zhiwei Tang, Julien Champagne, Pierre-René Körner, Jasmine Montenegro Navarro, Fiona Megan Tilghman, Hanan Sakeer, Angelika B. Riemer, Reuven Agami, Fabricio Loayza-Puch: Upstream open reading frame translation enhances immunogenic peptide presentation in mitotically arrested cancer cells.
Nature Communications 2025, DOI https://doi.org/10.1038/s41467-025-63405-2
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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